75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Sa. / So., 07. / 8. September 2024, Nr. 209
Die junge Welt wird von 2927 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 24.07.2024, Seite 15 / Antifaschismus
Antifa-Protest in Wien

Geknüppelt und eingekesselt

Österreich: Antifaschistischer Protest gegen Aufmarsch der »Identitären« in Wien. Sondereinheit der Polizei prügelt auf Demonstranten ein
Von Anton Egger, Wien
15.jpg
Mit Schwimmutensilien die Rechten baden gehen lassen: Antifaschisten treffen auf Polizisten in Wien (20.7.2024)

Krokodile und Einhörner bewegen sich in schwarz-rotem Rauch am Stephansdom vorbei. Explodierende Böller und antifaschistische Sprechchöre zerschneiden die ruhige Wiener Innenstadt an diesem Sonnabend. Passanten schrecken zurück, während die aufblasbaren Tierchen von rund 400 vermummten Menschen durch die als »Graben« bekannte Einkaufsstraße vorangetrieben werden. Zeitgleich blockieren Aktivisten am Michaelerplatz nur 300 Meter entfernt eine Straße. Was sich an diesem Tag in Wien abspielt, scheint für Außenstehende unkoordiniert und chaotisch, verfolgt aber ein klares Ziel: den Aufmarsch der neurechten »Identitären« baden gehen zu lassen.

Unter diesem Motto hatten Antifaschistinnen und Antifaschisten zum Gegenprotest am vergangenen Wochenende aufgerufen. Sie wollten sich der »Remigrationsdemo« entgegenstellen, die von der »Identitären Bewegung Österreich« (IBÖ) ins Leben gerufen wurde. Die völkische Vorstellung von der »ethnischen Säuberung« und vom sogenannten Ethnopluralismus unter dem Deckmantel der »Remigration« ist in Österreich schon lange kein Randphänomen mehr. Nicht nur die extrem rechte Partei FPÖ, die bei der Nationalratswahl am 29. September die Kanzlerschaft gewinnen könnte, trägt mit ihren personellen Überschneidungen zur IBÖ deren rassistische Ideologie in die Parlamente.

Auch die christdemokratische Österreichische Volkspartei (ÖVP) vertritt eine Migrationspolitik, die in Einklang mit der rechtsextremen Ideologie der »Remigration« steht. So schiebt die Koalition aus Kanzler Karl Nehammers ÖVP und den Grünen seit kurzem wieder nach Afghanistan ab und fordert restriktivere Asylgesetze. Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum jemanden, dass keine behördlichen Hürden für einen neofaschistischen Aufmarsch mitten in Wien errichtet wurden. Um so wichtiger erscheint es antifaschistischen Kräften da, dass das Aktionswochenende der extrem Rechten in der Bundeshauptstadt bereits am Vortag im 5. Wiener Gemeindebezirk Margareten gestört worden war.

Dort befindet sich in der Ramperstorffergasse 31 eines der Zentren der »Identitären«. Hinter einer dicken Metalltür und zugemauerten Fenstern im Keller eines Altbaus ist der Treffpunkt, der von außen nur durch Markierungen wie »Identitäre Jagen« erkennbar ist. 2023 gab es vor dem damaligen Aufmarsch ein Kampfsportevent der Faschisten. Eine Wiederholung sollte durch Protest in diesem Jahr verhindert werden. Doch der Keller wurde von rund 60 jungen »Identitären« und ungefähr 100 Polizisten bewacht. »Hier treffen sich Faschisten wie Martin Sellner und Jakob Gunacker, Szenegrößen der österreichischen Identitären und die Polizei stellt sich schützend davor«, kritisiert die lokale Antifaschistin Tessa die Szenerie gegenüber junge Welt.

Um so brutaler ging die Staatsmacht gegen den antifaschistischen Protest vor. Während der Demonstrationszug fast zwei Stunden lang mit einer Blockade am Michaelerplatz zum Stehen gebracht wurde, prügelten Einheiten der Sondereinheit WEGA – ehemals »Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung« – in der Herrengasse auf den Antifablock sowie auf die aufblasbaren Krokodile und Einhörner ein. Schließlich bildeten sie einen Kessel um den Protest. Nur deshalb konnte der rechte Aufmarsch um Sellner überhaupt zur Abschlusskundgebung an der Freyung gelangen. Aber auch dort hörte der Protest nicht auf. Die Faschisten wurden schließlich von der Polizei bis zur nächsten U-Bahn-Station begleitet.

Abends berichtete Tessa, dass der Polizeikessel nach fast vier Stunden geräumt wurde und 57 Betroffene in Gewahrsam seien. Deren Freilassung vorausgesetzt sei dies ein »sehr erfolgreiches Wochenende« gewesen. »Wir haben die Demo blockiert und den Faschos ihren Rückzugsort im Fünften zumindest kurzzeitig genommen«, resümierte die junge Antifaschistin zum Protest in diesem Wiener Bezirk. Die Stadt habe sich »kämpferisch, antifaschistisch gezeigt und klargemacht: keinen Millimeter dem Faschismus«.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Regio:

Mehr aus: Antifaschismus