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Aus: Ausgabe vom 25.07.2024, Seite 6 / Ausland
Südostasien

Blut und Blackout in Bangladesch

Studentenproteste gegen Quoten: Nachbarländer lassen Staatsbürger ausfliegen, Hunderte Festnahmen, 174 Tote
Von Thomas Berger
BANGLADESH-PROTESTS.JPG
Protestierende Studenten in Dhaka (19.7.2024)

Am Dienstag sind 123 Malaysier am internationalen Flughafen von Kuala Lumpur gelandet, die von ihrer Regierung aus dem von gewaltsamen Auseinandersetzungen geplagten Bangladesch evakuiert worden sind. Es handelt sich um Familienangehörige des Botschaftspersonals, Mitarbeitende internationaler Firmen ebenso wie Studierende vor allem medizinischer und landwirtschaftlicher Fakultäten, wie das Singapurer Nachrichtenportal Channel News Asia schrieb. Zitiert wurden Ankommende, die einerseits froh sind, bedrohlichen Situationen beispielsweise auf dem Campus ihrer Unis entkommen zu sein, andererseits aber auch vor großer Ungewissheit zum Fortgang ihrer Ausbildung in Bangladesch stehen. Malaysias Innenminister Saifuddin Nasution Ismail kündigte an, bei Bedarf psychologische Betreuung für jene sicherzustellen, die traumatische Erlebnisse verarbeiten mussten.

Bangladeschs großer Nachbar Indien hat inzwischen sogar 4.500 seiner Staatsangehörigen heimgeholt. Und tatsächlich haben viele der Rückkehrer live mitansehen müssen, wie neben ihnen Menschen gestorben sind. Auf 174 Tote beläuft sich mittlerweile die offizielle Opferzahl, nachdem am Wochenende die Einsatzkräfte gewissermaßen einen Freibrief erhalten hatten, auf alle zu schießen, die eine zuvor verhängte Ausgangssperre nicht befolgten. Viele Verletzte sind in den Krankenhäusern, darunter auch einige Anführer der Anfang des Monats begonnenen Studentenproteste gegen ein als überholt und unfair geltendes Quotensystem für staatliche Jobs. Nahid Islam von der die Proteste anführenden Bewegung Students Against Discrimination sagte der Nachrichtenagentur AFP am Montag vom Krankenbett aus, er sei von Polizisten in Zivil zusammengeschlagen worden. Auch Angehörigen der Bangladesh Chhatra League, der Studentenorganisation der regierenden Awami-Liga von Premierministerin Scheich Hasina, werden brutale Übergriffe auf protestierende Kommilitonen vorgeworfen.

Man habe keine Reform »zum Preis von so viel Blut« gewollt, so Islam in seiner Erklärung, mit der er auch eine zweitägige Pause der Demonstrationen ankündigte, die am Dienstag um weitere 48 Stunden verlängert wurde. Tatsächlich hat sich die Lage nach der Eskalation am Wochenende beruhigt. Nach fünf Tagen und erheblichem Schaden für das Wirtschaftsleben wurde am Dienstag abend die Blockade des Internets und Mobilfunks wieder aufgehoben. Alle höheren Bildungseinrichtungen bleiben aber zunächst auf unbestimmte Zeit geschlossen. Zeitungen, sonst auch in Bangladesch verstärkt online gelesen, hatten in der Zwischenzeit eine um bis zu 20 Prozent gesteigerte Nachfrage ihrer Printauflage erlebt, so die Dhaka Tribune in einem Beitrag.

Am Sonntag hatte der Oberste Gerichtshof die im Juni beschlossene Wiedereinführung der Quoten im öffentlichen Dienst gekippt. Die zuvor 2018 abgeschafften Quoten sahen vor, dass 56 Prozent der staatlichen Stellen von Vertretern bestimmter Gruppen besetzt werden sollten, davon 30 Prozent von Nachfahren der Freiheitskämpfer aus dem Unabhängigkeitskrieg von 1971. Nun sollen nur noch insgesamt sieben Prozent der Arbeitsplätze, fünf Prozent für besagte Nachfahren, reserviert werden. Die Protestbewegung kann das als Erfolg verbuchen. Sie will aber solange mit Aktionen weitermachen, bis auch alle mehr als 2.500 Festgenommenen wieder auf freiem Fuß und die Anklagepunkte fallengelassen sind. Die Polizei hatte nicht nur Studierende, sondern auch Hunderte Mitglieder von Oppositionsparteien abgeführt.

Premierministerin Hasina und ihre Regierung hatten der rechtskonservativen Bangladesh Nationalist Party und der radikalislamischen Jamaat-e-Islami vorgeworfen, die Proteste unterwandert und instrumentalisiert zu haben. Die Streitkräfte, so Armeechef General Waker-Zu-Zaman, würden mit ihren 27.000 Kräften auf den Straßen zur Unterstützung der Polizei so lange weiter im Einsatz bleiben, »bis Normalität wiederhergestellt ist«.

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