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Aus: Ausgabe vom 25.07.2024, Seite 8 / Inland
Die Linke im sächsischen Wahlkampf

»Wir haben gefragt, was die Leute beschäftigt«

Sachsen: Linke-Landtagskandidat will mit Haustürwahlkampf Direktmandat in Leipzig holen. Ein Gespräch mit Nam Duy Nguyen
Interview: Yaro Allisat
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Der Wahlkampf in Sachsen hat begonnen

AfD und CDU stehen aktuell in Umfragen in Sachsen bei jeweils 30 Prozent, die Partei Die Linke bei unter fünf Prozent. Sie sind Landtagskandidat für Die Linke in einem Leipziger Wahlkreis. Wie und mit welchen Inhalten wollen Sie die Partei in den Landtag retten?

Gemeinsam mit rund 150 Aktiven kämpfe ich um das Direktmandat im Wahlkreis Leipzig Mitte-Ost. Juliane Nagel und Marco Böhme tun es in ihren Leipziger Stadtteilen ebenso. Der Kampf um diese drei Direktmandate stellt für mein Team und mich eine Zusatzversicherung dar. Mittels der Grundmandatsklausel könnte so der Einzug einer Linken-Fraktion gesichert werden. Wir setzen unsere Inhalte nicht aus einer Parteilogik heraus, sondern sammeln Infos zu den Bedürfnissen des Stadtteils, um sie so in die Landespolitik zu bringen. Seit April haben wir rund 10.000 Haustürgespräche geführt, in denen wir gefragt haben, was die Leute beschäftigt.

Welche Inhalte sind das, und wie möchten Sie diese Forderungen dann im Landtag vertreten?

In unserem Wahlkreis haben sich bezahlbares Wohnen, tragbare Lebenshaltungskosten und kostenloser ÖPNV als die am häufigsten genannten Themen herausgestellt. Es ist klar, dass wir es angesichts der sich abzeichnenden Mehrheitsverhältnisse schwer haben werden. Was wir allerdings können, ist, den Regierenden gründlich auf die Finger zu schauen und die Themen, die den Stadtteil beschäftigen, konsequent ins Parlament zu tragen. Neben regelmäßigen Sozialsprechstunden und Öffnungszeiten des Büros werden wir weiterhin auch Stadtteilversammlungen abhalten. Parlamentarische Politik ist kein Selbstzweck, sondern sollte dazu dienen, denen Gehör zu verschaffen, denen sonst nicht zugehört wird.

Was wären aus Ihrer Sicht die Folgen, wenn Die Linke nicht mehr im Landtag vertreten ist?

Trotz aller berechtigter Kritik ist Die Linke die einzige Partei, die soziale Politik, antirassistische und klimapolitische Positionen kompromisslos vertritt. Neben infrastrukturellen Einbußen, also Räumen und Geldern – ich denke an den ländlichen Raum – wäre eine fatale Folge die Veränderung im politischen Kräfteverhältnis in Sachsen. Landespolitisch sind wir eine wichtige Oppositionspartei. Uns obliegt es, das Handeln der Regierenden genauestens zu überwachen. Viele Beschäftigte erhalten für harte Arbeit nicht den angemessenen Lohn, Mieten steigen, geflüchtete Menschen leben unter unwürdigen Bedingungen. Für uns ist das untragbar, deshalb wollen wir gemeinsam mit vielen Menschen auf Veränderung hinwirken – im Betrieb, auf der Straße und auch im Parlament.

Die Linke zeigt gerade auch bei polarisierenden Themen wie Waffenlieferungen an die Ukraine und dem Krieg in Gaza weder bundes- noch sachsenweit Einheit. Viele Menschen wenden sich deshalb von der Partei ab. Sie selbst waren im Sozialistisch-Demokratischen Studierendenverband aktiv, der bei diesen Themen klare Haltungen vertritt. Wie gehen Sie mit diesen Themen in der Partei um?

Die Linke hat eine innerparteiliche Demokratie, die wir ernst nehmen. Wer die Positionen der Partei verändern will, muss um Mehrheiten ringen. Meines Erachtens muss Die Linke mit Blick auf das unerträgliche Leid, das die Menschen im Gazakrieg erleiden und das von der Ampel ignoriert wird, jede Initiative ergreifen, um diesen Krieg zu beenden. Gleiches gilt für die Besatzung palästinensischer Gebiete durch Israel, die einen völkerrechtswidrigen Akt darstellt. Es geht um Waffenstillstand und die Verteidigung von Menschlichkeit und Würde. Klar muss aber auch sein: Es reicht nicht, einfach nur das Richtige zu sagen. Dafür ist die Krise der Partei zu tief. Viele Menschen wissen nicht mehr, was sie von der Linken erwarten können. Unsere Aufgabe ist es daher, die Linke wieder zu einer Partei zu machen, die mit den Menschen auf Augenhöhe spricht, die in der arbeitenden Bevölkerung verankert ist und die durch ihre Politik für ebendiese Menschen einen Unterschied ausmacht.

Nam Duy Nguyen ist seit 2015 Mitglied der Partei Die Linke und tritt für die Landtagswahlen in Sachsen am 1. September an

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gabriel T. aus Berlin (24. Juli 2024 um 20:36 Uhr)
    Dies Gespräch zeig sehr deutlich, warum niemand im Osten mehr die »Linken« wählt. Ein Paradebeispiel von Positionslosigkeit. Das leistet sich nicht einmal mehr die SPD, die dafür ja einst berühmt war. Sie selber merken es nicht mal mehr.

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