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Aus: Ausgabe vom 25.07.2024, Seite 8 / Abgeschrieben

Linke-Abgeordneter Ferat Koçak warnt wegen rechter Vorfälle an Berliner Schulen

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Ferat Koçak auf einer Kundgebung gegen rechte Gewalt (Berlin, 2.9.2022)

Der Sprecher für Antifaschismus der Partei Die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus, Ferat Koçak, zeigte sich am Mittwoch besorgt angesichts des vom Senat auf seine Anfrage gemeldeten starken Anstiegs von rechten Vorfällen und Straftaten während der letzten drei Jahre an Berliner Schulen darunter Volksverhetzung, das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbolik, Beleidigung und Körperverletzung:

Die Zahlen sind alarmierend. Zwar ist davon auszugehen, dass die Zahlen von 2021 wegen der Schulschließungen nur bedingt aussagefähig sind, dennoch steigt die Zahl der Vorfälle kontinuierlich an. Allein in den Jahren 2021 bis 2023 sprechen wir von einem Anstieg von über 70 Prozent. Die Zahlen für das laufende Jahr lassen einen weiteren Anstieg vermuten.

Für Kinder mit Migrationsgeschichte, für politisch Andersdenkende und solche, die schlicht nicht ins Weltbild von Rechten passen, wird offenbar auch die Schule zunehmend zu einem gefährlichen Ort. Diese traurige Entwicklung fügt sich in den Rechtsruck in der deutschen Gesellschaft und Politik ein.

Vor diesem Hintergrund sind die sich im Bereich der Schulsozialarbeit abzeichnenden Kürzungen fatal. Der Kürzungspolitik des Senats fallen so nicht nur dringend benötigte Unterstützungsangebote für betroffene Schüler zum Opfer, sondern auch wichtige Präventionsmittel. Bei Schulkindern liegt in den meisten Fällen noch kein geschlossenes rechtes Weltbild vor, so dass diesem begegnet und eine Verfestigung verhindert werden kann. Dazu braucht es aber diese wertvolle Arbeit und eine ausreichende Besetzung und Bezahlung des entsprechenden Personals!

In seiner Kolumne auf dem Portal T-Online befasste sich der Journalist Uwe Vorkötter am Dienstag mit dem Verbot der faschistischen Zeitschrift Compact und ging dabei auch auf den Prozess von junge Welt gegen ihre Nennung im Verfassungsschutzbericht ein:

Die Agenten haben beim Lesen dieser Zeitung Ungeheuerliches herausgefunden: Die junge Welt strebe den Umsturz an, die Zeitung nehme wiederholt positiv Bezug auf Lenin. Ja, tatsächlich, die Altkommunisten halten den Marxismus-Leninismus für eine geeignete Methode zur Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse. Vielleicht lautet ihr Gruß auch heute noch »Freundschaft«, wie früher. Auf jeden Fall sprechen sie nach wie vor vom Klassenkampf. Klassenkampf? Steht nicht im Grundgesetz. Steht der Marxismus deshalb inzwischen auf einer Liste der verbotenen Gedanken?

Mit Compact hat die junge Welt wenig gemeinsam – bis auf einen gefestigten Anti-Amerikanismus, die Ablehnung der NATO und die Begeisterung für Putin. Also doch einiges. Reicht das der Innenministerin, um demnächst auch den Verlag 8. Mai, in dem das Linksblatt erscheint, zum demokratieschädlichen Verein zu erklären? Ich, Nancy Faeser, habe heute das bolschewistische Zentralorgan … Bei dieser Ministerin müssen wir mit vielem rechnen. Leider sehen auch die meisten Medien der Aushöhlung ihrer ureigenen Freiheit teilnahmslos oder gar wohlwollend zu. Zum Beispiel die »Tagesschau«, die Faesers Verbotsverfügung vergangene Woche journalistisch so begleitete: »Mit dem heutigen Tag setzt das Bundesinnenministerium Compact und seiner Agitation ein Ende.« Ein Satz wie aus der PR-Abteilung des Ministeriums. Pressefreiheit? Nicht der Erwähnung wert.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (24. Juli 2024 um 21:31 Uhr)
    In Gegensatz zu Herrn Vorkötter kann ich in der jW keinen gefestigten Anti-Amerikanismus und auch keine Begeisterung für Putin finden. In der US-Politik muss man schon ziemlich suchen, um was Positives zu finden, schreiben »was ist« (und was war: Hiroshima, Vietnam, Chile…) kann dann leicht als Anti-Amerikanismus ausgelegt werden. Dass die jW einem Land, z. B. der Russischen Föderation, zugesteht, eigene und berechtigte Sicherheitsinteressen zu haben, muss man nicht unbedingt als Begeisterung für Putin interpretieren. Noch ein Tipp für Frau Faeser: Vereinsrecht nicht missbrauchen, die Zeitung wird von Genossen herausgegeben, das reicht!

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