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Aus: Ausgabe vom 25.07.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Zu entdecken

Zu jW vom 20./21.7.: »Hochkultur und ­Stagnation«

Ein Beitrag zu den Leerstellen der Ausstellung. Wer von dem Kunstschaffen in Georgien spricht und es ausstellt, kommt an dem bedeutendsten Maler des Landes, Niko Pirosmani, (1862–1918), dem »Marc Chagall aus Georgien«, nicht vorbei. In Georgien schmücken seine Werke Geldscheine, in der Sowjetunion widmete man ihm ganze Ausstellungen, und 1982 sang Alla Pugatschowa ihr Lied »Eine Million Rosen« nach einer Geschichte über ihn. Jüngst gab es eine sehenswerte internationale Ausstellung zu Pirosmani in der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel. Obwohl er von Kennern fast schon kultisch verehrt und in seinem Heimatland als Volksheld gefeiert wird, wartet Pirosmani noch darauf, von der »westeuropäischen Öffentlichkeit entdeckt zu werden«, so das Fazit der Schweizer Ausstellungsmacher, die erstmalig 50 Werke seines Schaffens präsentierten. In der DDR war es das Verdienst von Alfred Nützmann, der im Henschelverlag Kunst und Gesellschaft schon 1975 ihm und seinem Werk ein ganzes Buch widmete und ihn in seiner Zeit vorstellte. (…)

Michael Polster, Berlin

Kultur für alle

Zu jW vom 20./21.7.: »Geschichte von unten«

Dem Kulturpalast in Bitterfeld ist noch ein langes und kreatives Leben zu wünschen. Und zu wünschen ist auch, dass nicht Leute wie (die Kunsthistorikerin, jW) Katharina Lorenz die Interpretationshoheit über das Leben der Frauen in der DDR behalten. Nur wir wissen, wie wir gelebt und gearbeitet haben. Viele Frauen hatten Familien, haben Kinder großgezogen und sich trotzdem über die Arbeit definiert. Der Großteil der Menschen in der DDR hatte Kultur verinnerlicht. Das war nichts Außergewöhnliches; Kultur war in der DDR subventioniert, und so konnte jeder die Art Kultur genießen, die ihn interessierte und für ihn wichtig war. Aha, die »vorgebliche Gleichberechtigung« der Frau war also Blendwerk! Nun, Ahnungslosigkeit in beträchtlichem Maße, Missverstehenwollen und Ignoranz trüben hier den Blick. Leider sieht es mit der heutigen »Gleichstellung« der Frau um einiges übler aus!

Christel Harke, Aschersleben

Heuchlerischer Aufschrei

Zu jW vom 20./21.7.: »Faschistenversteher des Tages: El-Hotzo-Kritiker«

Eine seltsame Wortmeldung. Grundsätzlich habe ich gelernt, dass es kein Mensch verdient hat, gewaltsam zu Tode zu kommen. Auch wenn ich keinerlei Sympathie und politisches Verständnis für die faschistische Ideologie habe. Dass der Aufschrei in der Politik und in den Medien über die Äußerungen des Herrn Hotz pure Heuchelei ist, versteht jeder, der gerade mit Übelkeit eine Einheitsfront aus Rechten, Ultrarechten und Faschisten im EU-Parlament zur Inthronisierung einer gewissen Dame aus Niedersachsen verfolgt hat.

Rainer Erich Kral, Potsdam

Wütende Satire

Zu jW vom 19.7.: »Die Rattenflüsterin«

Das »SCUM-Manifest« von Valerie Solanas ist eine wütende Satire, aber kein Teil von Feminismus. Radical Feminists wie Shulamith Firestone haben das noch Jahre später deutlich gemacht. Firestone ahnte wohl, dass Solanas im Sinn von »Sex and Crime zieht immer« vereinnahmt werden würde, um den Radical Feminism als absurd und lächerlich darzustellen. Nach den Schüssen auf Warhol und seine Begleiter wurde Solanas selbstverständlich von Radical Feminists solidarisch unterstützt. So von Ti-Grace Atkinson und Florynce Kennedy als Anwältin. Atkinson sagte später (Breanne Fahs: »Firebrand Feminism«, 2018), Solanas sei Teil ihres Archivs, aber nicht ihres feministischen Archivs. Die Schüsse waren auch von Solanas nicht als feministischer Akt gedacht. Warhol hatte das einzige Manuskript eines ihrer Theaterstücke verloren und eine Gagenerhöhung für ihre Mitwirkung in einem Film abgelehnt.

Einige Feministinnen begrüßten die Schüsse als Signal der berechtigten Wut der Frauen. So z. B. Roxanne Dunbar und Dana Densmore von »Cell 16« (Fahs 2018). Diese Gruppe sei vor allem von Trotzkistinnen der Socialist Workers Party (SWP) geprägt gewesen. Eine Idee, dass Schüsse ohne politische Theorie dahinter im Sinn von Befreiung wirken könnten, wäre allerdings ebenso untrotzkistisch wie unfeministisch. Die Schriftstellerin Solanas selbst wurde durch die Schüsse für alle Ewigkeit dazu verdammt, auf ein durchgeknalltes Anhängsel von Warhol reduziert zu werden. Solanas war geflüchtet vor sexualisierter Gewalt ihres Erzeugers und versuchte, sich mit Prostitution und Ladendiebstahl über Wasser zu halten. Das war kein Lifestyle, das war Not. Sie wurde nicht »deklassiert«, sie war schon immer unten. Eine ernsthafte Biographie hat 2014 Breanne Fahs geschrieben: »The Defiant Life of the Woman Who Wrote SCUM (and Shot Andy Warhol)«.

Verena Bosshard, Berlin

Nicht verscherbeln

Zu jW vom 19.7.: »Standortvorteil Vučić«

Aleksandar Vučić erweist sich nicht als guter Landesvater, wenn er die Lithiumschätze ins Ausland verscherbelt. Das Lithium im Jadartal gehört der serbischen Bevölkerung, genauso wie das Lithium vom Salar de Uyuni dem bolivianischen Volk gehört. Umweltverbände hatten so stark protestiert, dass der erste Anlauf abgebrochen werden musste. Dr. Mirjana Anđelković Lukić hatte chemische Analysen verfasst, die die tiefgehende Umweltverschmutzung belegen, die aus einer Lithiumförderung im Jadartal hervorgehen würde. Hat nicht Serbien genug Umweltprobleme, die aus dem Krieg der NATO 1999 resultieren? Frauen gebären Kinder, die schon bald an Tumoren im Kopf erkranken. Von der Uranmunition will bald niemand mehr etwas wissen, außer junge Frauen. Wir wünschen Vučić, dass er standhaft zu seinem Volk steht und keinerlei schnöde Geschäfte mit Scholz eingeht.

Barbara Hug, Schweiz

Der Großteil der Menschen in der DDR hatte Kultur verinnerlicht. Das war nichts Außergewöhnliches; Kultur war in der DDR subventioniert, und so konnte jeder die Art Kultur genießen, die ihn interessierte und für ihn wichtig war.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!