75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Sa. / So., 07. / 8. September 2024, Nr. 209
Die junge Welt wird von 2927 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 25.07.2024, Seite 16 / Sport
Sportpolitik

Der entscheidende Hebel

Bauausschuss des Bundestags lud Experten zum brisanten Thema Sportstätten ein. Abgeordnete hörten Besorgniserregendes
Von Andreas Müller
imago0107214893h.jpg
Zum Bolzen reicht’s

Die Frage nach der Renaissance eines milliardenschweren »Goldenen Planes« als konzertierte Aktion von Bund, Ländern und Kommunen zur Sportstättensanierung konterte Elisabeth Kaiser mit einem Hinweis auf das Programm zur »Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur« (SJK): »Wir bemühen uns, das im nächsten Jahr fortzusetzen«, sagte die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesbauministerium am 26. Juni bei einer Anhörung zum Thema »Sportstätten und Stadtentwicklung« in ihrem Haus. Mit dieser Anmerkung wirkte die 37jährige aus Gera wie jemand, der einem Verdurstenden mit einem Fingerhut voll Wasser kommt. Gegenüber 476 Millionen Euro im Jahr 2023 sind inzwischen nur noch 200 Millionen Euro im SJK-Topf. Eine popelige und geradezu provokant niedrige Summe in Relation zum immensen Sanierungsstau. Dessen Dimension wird nach einer Expertise von Städtetag, Städte- und Gemeindebund sowie dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) von 2018 auf 31 Milliarden Euro beziffert.

Den in sechs Jahren fortgeschrittenen Verfall, Preissteigerungen sowie die Herausforderungen der energetischen Sanierung und die der von der Europäischen Union verbindlich festgelegten Klimaschutzziele eingerechnet, sei der Finanzbedarf jetzt »vielleicht doppelt so hoch«, meinte Michaela Röhrbein, Vorstand Sportentwicklung beim DOSB, in der Runde. Einig waren sich die Experten, dass es längst nicht mehr allein um die Betrachtung der gut 230.000 Sportstätten im Bundesgebiet geht, sondern um eine moderne Sportstättenpolitik – der Vielfalt sportlicher Angebote und den Bedürfnissen der Akteure verpflichtet und daher untrennbar mit der Gestaltung urbaner und öffentlicher Räume verwoben. Allein die Erfahrungen aus der Coronazeit hätten gelehrt: Der Fokus müsse zugleich auf »Outdoor« liegen und der gewissermaßen privaten sportliche Betätigung außerhalb von Sportvereinen. Ein Ansatz, den vom jungen Mountainbiker bis zum betagten Hobbyjogger oder Boulespieler jedermann unterschreiben dürfte.

Zusätzliche Bewegungsräume schaffen, das gelte laut Robin Kähler, dem Deutschland-Chef der Internationalen Vereinigung für Sport- und Freizeiteinrichtungen (IAKS), vordringlich auch für Schulen. Weil ihre eigenen Sportstätten nicht mehr geeignet und für die Schüler »kein Ort zur Freude am Schulsport« sind, verlegen zwischen 25 Prozent und 70 Prozent der Schulen gezwungenermaßen ihren Sportunterricht in der wärmeren Jahreszeit in den öffentlichen Raum. »Diese Situation ist besorgniserregend.« Schulhöfe bekämen dem Experten zufolge unter diesen Umständen eine immer größere Bedeutung wie auch andere Freiräume, die es im Sinne der sportlichen Betätigung sinnvoll zu erschließen, zu planen und effizient zu nutzen gelte. Nicht länger Flickwerk fördern, sondern öffentliches Geld für Sanierung oder Neues nur dann bereitstellen, wenn dem Förderantrag ein stimmiges Konzept zugrunde liegt, sei das Gebot der Stunde. Ein Verfahren, das auf Landesebene bisher nur in Thüringen praktiziert werde. Der Rat des Experten Robin Kähler: Den tatsächlichen Bedarf jeweils vor Ort »über jene einholen, die Sportstätten nutzen«.

»Wir fordern die Bundesregierung auf, neue Förderprogramme aufzulegen. Diese sollten aber, anders als bisher, mit den Ländern, Kommunen und dem Sport fachlich und strukturell eng abgestimmt werden«, legte der IAKS-Vertreter dar und verwies auf den neuen »Entwicklungsplan Sport« aus dem Bundesinnenministerium als dafür geeignete Grundlage. Er warb dafür, dieses Thema wegen seiner Bedeutung und Vielschichtigkeit unbedingt als »interdisziplinär«, »interministeriell« und als »Querschnittsfach« zu begreifen. Zugleich beklagte er den Mangel an analytischem Material. Es fehlten verlässliche Daten zum Zustand und zum Versorgungsgrad. Ein Makel, den Sportpolitiker schon 2015 beklagten. Damals vor dem Hintergrund der ersten großen Flüchtlingsbewegung, als der Bund praktisch über Nacht Beträge in einer Größenordnung aus dem Boden stampfte, wie sie den Sportstätten und ihren zig Millionen Nutzern seit Jahrzehnten vorenthalten werden. Priorität hatte stets anderes.

Auch das Expertengremium war sich jüngst einig: Die finanzielle Ausstattung ist und bleibt für die Sanierung und den zeitgemäßen Umbau der Sportinfrastruktur der entscheidende Hebel. »Sportstätten sind etwas Essentielles. Wir brauchen dafür auskömmliche Budgets«, mahnte Alex Mommert. Der Referent für Sportpolitik beim Deutschen Städtetag meinte damit nicht nur angemessene Summen, sondern zugleich unkomplizierte Vergabeverfahren und die Auflösung des aktuellen Sammelsuriums mit verschiedenen Bundesprogrammen wie dem SJK oder solchen zur Städtebauförderung oder zum Klimaschutz, aus denen Länder und Kommunen mit hohem bürokratischen Aufwand einiges »Kleingeld« für ihre Sportstätten herausholen können. Im Raum bei diesem allerersten Fachgespräch zu Sportstätten im Bauausschuss des Bundestags stand eine Summe von etwa einer Milliarde Euro, die jährlich über einen längeren Zeitraum benötigt werde.

Das ist genau jene Größenordnung, die Die Linke, als sie im Bundestag noch den Status einer Fraktion innehalte, in einem Antrag Mitte Juni 2020 mit der Drucksache 19/20035 vorlegte: Zehn Jahre lang je eine Milliarde für die Sportstätten. Er fiel glatt durch, es fand sich dafür keine Mehrheit. Anscheinend kam dieser Antrag von der falschen Seite. Nun ein neuer »Linken«-Vorstoß von Anfang Juli. Der Bundestag möge einen auf 15 Jahre angelegten und gemeinsamen »Goldener Plan Sportstätten« von Bund, Ländern und Kommunen beschließen, an dem sich der Bund jährlich mit mindestens einer Milliarde Euro beteiligen möge. Von der Summe sollten pro Jahr mindestens 500 Millionen Euro ausschließlich für Schwimmbäder bereitstehen, im Rahmen eines Sanierungsprogramms »SOS Seepferdchen«.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!