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Aus: Ausgabe vom 26.07.2024, Seite 4 / Inland
Klimaproteste am Flughafen

Härterer Umgang mit »Störern« gefordert

Aktion am Frankfurter Flughafen führt zu Flugausfällen. Union, FDP wollen drastischere Maßnahmen
Von Karim Natour
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Sieht so »Terrorismus« aus? Sieben Personen haben sich am Donnerstag in Frankfurt am Main auf Rollbahnen geklebt

Infolge der erneuten Störung des Flugverkehrs durch Aktivisten der Klimagruppe »Letzte Generation« will die Bundesregierung Flughafenbetreiber per Rechtsverordnung zu mehr Schutzmaßnahmen zwingen. Das Bundesinnenministerium erklärte, »die Abstimmung mit den Ländern zu einer Rechtsverordnung für den besseren Schutz an deutschen Flughäfen aufgenommen« zu haben. Dabei sollen Maßnahmen, die Zäune, Zufahrtstore und Videoüberwachung betreffen, im Zentrum stehen.

Nach Störaktionen am Flughafen Köln/Bonn am Mittwoch hatten sich am frühen Donnerstag morgen an Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt am Main sieben Personen auf den Landebahnen festgeklebt. Zuvor hatten sie mit Kneifzangen Öffnungen in den Maschendrahtzaun geschnitten. Der Flugverkehr musste für mehrere Stunden unterbrochen werden.

Gegen fünf Personen, die an der Aktion am Flughafen Köln/Bonn beteiligt gewesen sein sollen, ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln wegen des Anfangsverdachts der Sachbeschädigung, des Hausfriedensbruchs und des gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr, wie dpa am Donnerstag berichtete. Auch in London und Oslo war es am Mittwoch im Rahmen einer europaweiten Aktionswoche unter dem Motto »Öl tötet« zu ähnlichen Vorfällen gekommen. Die »Letzte Generation« erklärte beim Kurznachrichtendienst X: »Die weitere Förderung und Verbrennung von Öl, Gas und Kohle ist eine Bedrohung unserer Existenz.«

»Diese Aktionen sind gefährlich, dumm und kriminell«, schrieb SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser dazu bei X. Wer Landebahnen blockiere, riskiere sein eigenes Leben, gefährde andere Menschen und schade allen Reisenden. »Diese Taten müssen strenger geahndet werden.« Dabei verwies die Ministerin laut dpa auf eine geplante Gesetzesreform vom 17. Juli, mittels derer das »vorsätzliche, unberechtigte Eindringen« auf das Rollfeld sowie die Start- und Landebahnen von Flughäfen unter Strafe gestellt werden soll. Künftig könnte ein Freiheitsentzug von bis zu zwei Jahren drohen, bisher wurde eine Geldbuße fällig.

Vor diesem Hintergrund forderten am Donnerstag Unionspolitiker von der Bundesregierung, noch härter gegen Gruppierungen wie die »Letzte Generation« vorzugehen. Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) schrieb bei X: »Diesen unverantwortlichen und kriminellen Klimachaoten geht es einzig und allein darum, möglichst großen Schaden anzurichten.« Wer derart die Sicherheit gefährde, müsse »hart bestraft« werden. »Es ist mir unbegreiflich, dass es selbst bei der aktuellen Sicherheitslage möglich ist, innerhalb weniger Minuten in den Sicherheitsbereich großer Flughäfen einzudringen«, äußerte der innenpolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Alexander Throm (CDU). Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte gegenüber Bild, der Gesetzgeber müsse mit »maximaler Härte reagieren«. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte gegenüber dem Tagesspiegel, die »Extremisten, die sich als Aktivisten tarnen«, bedienten sich »terroristischer Methoden« und verachteten »unsere staatlichen Institutionen und die freiheitlich-demokratische Grundordnung insgesamt«.

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  • Leserbrief von Bernhard May aus Solingen (5. August 2024 um 10:30 Uhr)
    Boris Rhein (CDU) redet, wie er es versteht. Wer genau sind nun wirklich die »unverantwortlichen«, »kriminellen« »Klimachaoten«, denen es darum geht, »möglichst großen Schaden anzurichten«? Angesichts der machtvoll einsetzenden Klimakatastrophe und der drohenden Kippunkte, die sie irreversibel machen dürften, sehe ich die totale Verantwortungslosigkeit vor allem 1. bei Fluggesellschaften, 2. bei Fluggästen, 3. in Raffineriebetrieben, 4. bei Verkehrsministern, die eine Einstellung der europäischen Binnenflüge nicht zustande bekommen, 5. bei Verkehrsministern, die eine Kerosinsteuer in prohibitiver Höhe nicht zustande bekommen, 6. bei Verkehrsministern, die eine Wiederherstellung von Kostenwahrheit zwischen Flug- und Bahnpreisen nicht zustande bekommen, wie es sie noch 1973 gab (Flug Stuttgart–Oxford um 100 D-Mark teurer als Bahnreise samt Liegewagenzuschlag!), 7. bei Verkehrsministern, die nicht mal ein Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen schaffen, 8. bei Verkehrsministern, die die Klimaschutzziele im eigenen Ressort inzwischen formal »korrekt« reißen dürfen, was keineswegs heißt, dass sie das auch mit aller Gewalt tun müssen.

    Der unverantwortlichste, nach Aspekten der Legitimität auch kriminellste, den größten Schaden anrichtende »Klimachaot« (vgl. Punkte 4. bis 8.) hat also einen Namen: Volker Wissing (FDP).
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (25. Juli 2024 um 22:45 Uhr)
    Typischer Fall von Täter-Opfer-Umkehr. Wer sind die unverantwortlichen Klimachaoten, die den großen Schaden anrichten? Sicher nicht die Leute von »Letzte Generation«. Bei der Politik von Rhein, Djir-Sarai, Throm, Wissing, ... könnte »Letzte Generation« tatsächlich Bestandteil der letzten Generation sein, vielleicht nicht wegen Klima, aber wegen Marschflugkörper.

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