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Aus: Ausgabe vom 26.07.2024, Seite 8 / Inland
AfD-Parteitag in Essen

»Die Polizei kämpft Faschisten den Weg frei«

Gewalt bei Demonstration gegen AfD-Parteitag in Essen. Ein Gespräch mit Alassa Mfouapon
Interview: Gitta Düperthal
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Mehr als 70.000 Menschen protestierten gegen Parteitag der AfD (Essen, 29.6.2024)

Bei den Demonstrationen gegen den AfD-Bundesparteitag Ende Juni in Essen soll es zu Grundrechtsmissachtungen und Polizeigewalt gekommen sein. Sie sind mit der Aufarbeitung befasst. Wie ist das Vorgehen der Polizei einzuordnen?

Am 29. und 30. Juni wollten wir mit unserer Aktion zivilen Ungehorsams klarstellen: Die AfD ist in Essen nicht willkommen. Im Zusammenhang mit unserer Blockade wurde aber den Rechten von Einsatzkräften der Polizei ein mit Steuergeldern finanzierter Teppich ausgerollt. Demokratisch Protestierende auf der Straße wurden mit Pfefferspray und Schlagstöcken traktiert. Die Polizei übte Gewalt gegen uns aus, vor allem an Orten, wo weder Presse noch Zeugen zugegen waren. Bei unserer Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag verlasen wir Betroffenenberichte anonym, um zu zeigen: Die polizeilichen Angriffe haben viele Menschen, die ihr Demonstrationsrecht wahrnehmen wollten, geradezu traumatisiert. Die Versammlung war nicht illegal, sondern offiziell angemeldet.

Es soll Tritte, Schläge und Schmerzgriffe mit gepanzerten Handschuhen seitens der Polizei gegeben haben. Was geschah genau?

Schon auf der Hinfahrt zum Protest wurden Menschen aus Bussen herausgedrängt und im Kessel zusammengepfercht, auch Ältere und Minderjährige. Viele gelangten erst gar nicht zur Demonstration, weil die Polizei sie hinderte, ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit wahrzunehmen. Sie wurden festgenommen und mussten stundenlang in einer Zelle ausharren. Ein Familienvater wurde von seinen minderjährigen Kindern getrennt und auch, nachdem er Polizisten darauf aufmerksam gemacht hatte, nicht zu ihnen durchgelassen. Polizeikräfte ließen zu, dass AfD-Politiker auf Demonstranten losgingen: Einer wurde in die Wade gebissen.

Anwälte des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins berichteten, bei Ihrer Arbeit behindert worden zu sein.

Im Bericht des »Legal Teams« der Demo hieß es, in Polizeigewahrsam Genommenen sei »das fundamentale Recht auf anwaltliche Vertretung« verweigert worden. Anwältinnen und Anwälte beschwerten sich, teils selbst eingekesselt und nicht zu Mandanten vorgelassen worden zu sein. Betroffenen, die nach anwaltlicher Hilfe fragten, sagten Polizeikräfte wahrheitswidrig: Die Anwälte hätten angeblich keine Zeit.

Wie wurde über den Vorgang berichtet?

Die Tagesschau der ARD zeigte in der Sendung vom 29. Juni eine Sprecherin der Polizei, die behauptete, es sei angeblich zu »schweren Verletzungen von Polizisten« gekommen. Wenig später waren es nur noch »leichte«. Man muss allerdings sehen, dass Demonstrierende sich teilweise verteidigen mussten. Von Polizeigewalt gegen Protestierende, von Knochenbrüchen und anderen Verletzungen, davon dass sie ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nicht wahrnehmen konnten, war keine Rede. Und das, obgleich Reporter vor Ort das gesehen hatten und unsere Pressemitteilungen kannten. Zeitungen druckten teilweise unkritisch Polizeimeldungen ab.

Ihr Fazit?

Immer mehr Menschen, die sich gegen rechte Ideologien, für Frieden und Demokratie einsetzen, bekommen brutale Polizeigewalt zu spüren. Die Polizei kämpft Faschisten den Weg frei und verletzt Gegendemonstranten. Dabei war es eine gewollte Provokation, dass die AfD ihren Bundesparteitag im Ruhrgebiet in Essen abhielt, wo viele Migranten wohnen. Wir müssen der Gefahr entgegentreten, dass sich Faschismus in Deutschland wieder breitmachen kann. Zumal auch die Parteien der sogenannten Mitte beginnen, Teile des AfD-Programms umzusetzen. Unser Bündnis »Widersetzen« bittet die Stadt Essen, die Landesparlamente in NRW, Hamburg und Bremen, deren Polizeieinheiten am Einsatz beteiligt waren, um Stellungnahme; und wegen des Einsatzes der Bundespolizei auch den Bundestag. Wie kann es sein, dass die Polizei die Direktive ausgibt, Protestierende derart brutal anzugreifen? Wir werden Delegiertentreffen abhalten, alle Verletzungen durch Polizeigewalt dokumentieren, eine Strategiekonferenz vorbereiten. Wir fordern umfassende Aufklärung.

Alassa Mfouapon ist Sprecher des Bündnisses Widersetzen

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