Ohne linke Opposition
Von Santiago BaezVenezuelas Präsident Nicolás Maduro gibt sich im Wahlkampf siegessicher: Man werde am Sonntag den »größten Erfolg« feiern, »den das Land je gesehen hat«, verkündet er bei den Kundgebungen, für die er quer durch das südamerikanische Land tourt. Ob es so kommt, ist angesichts der sich krass widersprechenden Umfragen offen – während die einen Prognosen eine Zweidrittelmehrheit für den Kandidaten des rechten Oppositionsbündnisses, Edmundo González Urrutia, vorhersagen, sehen andere den Amtsinhaber mit großem Vorsprung in Führung.
Dieser »Krieg der Umfragen« ist vor Wahlen in Venezuela nicht ungewöhnlich. In der Vergangenheit behielten die Institute recht, die jeweils Maduro oder dessen Vorgänger Hugo Chávez vorn gesehen hatten. Die anderslautenden Vorhersagen dienten dann aber den Verlierern dazu, »Wahlboykott« zu schreien und ihre Anhänger zu Protesten aufzurufen.
In dieser Situation war es jeweils entscheidend, dass der Verlauf der Wahl transparent war und Manipulationen praktisch ausgeschlossen blieben. Das ist am Wahltag auch diesmal so: Die Stimme wird an einer Maschine abgegeben und elektronisch übermittelt – zugleich erhalten die Wähler einen Kontrollabschnitt, den sie in die Urne werfen müssen. Nach der Wahl wird dann kontrolliert, ob die elektronischen Ergebnisse mit den Daten auf den Kontrollabschnitten übereinstimmen. Fälschungen sind so praktisch ausgeschlossen, in der Vergangenheit ergaben die Überprüfungen nur marginale Abweichungen.
Frei von Manipulationen ist diese Wahl aber dennoch nicht. In den vergangenen Jahren griff der Oberste Gerichtshof mehrfach in die inneren Angelegenheiten von Parteien ein, setzte deren Führungen ab und installierte neue Leitungen, unter denen sich die Organisationen dann gewöhnlich der Regierung annäherten. So tritt Maduro nun als Kandidat von Parteien auf, die ihn eigentlich kritisieren und ablehnen, wie Podemos, PPT oder die KP Venezuelas. Unabhängigen Kandidaten und neuen Parteien wurde es schwer gemacht, sich zu registrieren. Unter den zehn Aspiranten, die sich nun um das höchste Staatsamt bewerben, sind so – neben Maduro und Urrutia – vor allem Leute wie der evangelikale Prediger Javier Bertucci oder der frühere Comedy-Darsteller Benjamín Rausseo. Die Kandidatur einer linken Opposition wurde erfolgreich verhindert, weshalb sich der um seine Partei gebrachte Flügel der KP Venezuelas gezwungen sah, mit Enrique Márquez einen nicht gerade progressiven Kandidaten zu unterstützen.
In den hiesigen Mainstreammedien spielt das alles keine Rolle. Die Linie ist schon klar: Sollte Urrutia gewinnen, wäre in Venezuela »der Sozialismus abgewählt« worden, verliert er, hat sich der »autoritär regierende Staatschef« einmal mehr durchgesetzt. Die Drehbücher sind schon geschrieben.
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