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Aus: Ausgabe vom 26.07.2024, Seite 16 / Sport
Boxen

Die Neuen im Ring

Boxen liegt im Trend bei Jugendlichen. Aber das Leistungsgefälle ist groß. Ein Nachwuchscheck
Von Oliver Rast
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Fliegengewichtlerin Cinnia Hofmann (l.) gewann den U-17-DM-Titel zweimal in Folge (Chemnitz, 19.4.2024)

Fraglos ist der Unterbau wichtig; ohne Fundament keine stabile Statik. Auch im Breiten- und Leistungssport, etwa beim olympischen Boxen. Und fest steht: Faustkampf ist trendy bei Teens, boomt vielerorts. Mit der Folge, dass einige Boxvereine oder Klubs mit Boxabteilungen einen Aufnahmestopp für Neumitglieder verhängt haben. Mangels Trainern und Hallenzeiten, mangels Organisatoren und Ehrenamtlichen im Verein samt Umfeld. Warum ist das so? Dazu gleich.

Zunächst: Nach der Coronakrise gab es viel Nachholbedarf, viel Bewegungsdrang. Das ist bekannt. Interessanter ist das: »Jugendliche merken, Boxtraining ist abwechslungsreich, fordert dich, gibt dir was, es ist einfach ein cooler Sport«, so Thomas Sabautzki im Plausch mit jW. Der A-Lizenz-Trainer ist seit Anfang des Jahres U-17-/U-19-Übungsleiter am Bundesstützpunkt des Deutschen Boxsportverbands (DBV) in Frankfurt (Oder), vorher war er Lehrwart beim Bayerischen Boxverband (BABV).

Neue Rekorde

Bloß, wie gut sind talentierte Ambitionierte im Seilgeviert? »Wir sind zufrieden, können über die, die in die absolute Leistungsspitze nachrücken, nicht klagen«, hieß es jüngst aus DBV-Kreisen, die für den Verbandsnachwuchs U 17 bis U 22 verantwortlich sind. Und die Entwicklungen kennen, die Aufs und Abs; aktuell den Aufschwung.

Beispiel: die Rekorde von Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei Deutschen Meisterschaften (DM). Beispiel des Beispiels: die nationalen Titelkämpfe der U 17 Mitte April in Chemnitz. 176 Athletinnen (38) und Athleten (138), 151 Fights an vier Tagen in zehn Veranstaltungen. Fettes Programm. Ergebnis: großartiger Einsatz, phantastisches Teamwork – und nicht zuletzt solider Boxsport, resümierte Olaf Leib, Präsident des Boxverbands Sachsen und Organisationsleiter der U-17-DM.

Eine, die glänzte: Fliegengewichtlerin Cinnia Hofmann (bis 50 Kilogramm) vom SV Empor Bad Langensalza aus dem Thüringer Boxverband. Glatter Punktsieg im Finale gegen ihre Kontrahentin Juli Kurreck von den Schweriner Traktoristen. Die 16jährige Hofmann aus Sabautzkis Trainingsgruppe holte den U-17-DM-Titel zum zweiten Mal hintereinander. Wermutstropfen: In diesem Limit waren nur die beiden Finalistinnen angetreten. Sabautzki nüchtern: »Es fehlt an Leistungsdichte bei den Mädchen und Frauen.« Davon lässt sich Hofmann auf jW-Nachfrage nicht beirren. Sie bleibe voll auf das wettkampfmäßige Clinchen fokussiert, das sei ihr wichtig. »Nur das.« Übrigens, die Deutsche Doppelmeisterin Hofmann wurde in Chemnitz auch als weibliche Turnierbeste ausgezeichnet.

Apropos Boxsport als Jugendphänomen. »Boxen hat längst nicht mehr das Rowdyimage früherer Tage. Interessierte kommen aus allen Schichten, querbeet«, sagte Eldin Lekušić im jW-Gespräch. Der Cheftrainer von Hauptstadt-Boxen Berlin betreibt seinen Verein erst seit vier Jahren. Für viele von Lekušić’ Schützlingen steht nicht die Titelschlacht im Ring im Vordergrund, sondern der Freizeit- und Gesundheitsaspekt. »Aber die, die es wollen, bereiten wir auf Wettkämpfe vor.« Und das klappt. Bei der vergangenen U-19-DM Ende Juni in Königsbrunn bei Augsburg hat der »Hauptstadt«-Weltergewichtler Rihono Kwiek Bronze geholt. Um weitere Erfolge einfahren zu können, müssten Vereinsstruktur und Personaltableau systematisch ausgebaut werden. Lekušić: »Wir sind als Hauptstadt-Boxen noch in der Lernphase, können mit den großen Vereinen noch nicht mithalten, aber wir arbeiten an uns, von Meisterschaft zu Meisterschaft.«

Richtig, der Boxsport erlebt einen Auftrieb, spürbar unter Jugendlichen, bestätigte Ali Çukur gegenüber jW. Die Boxabteilung beim TSV 1860 München hatte lange Zeit durchschnittlich um die 300 Mitglieder, jetzt sind es knapp 700. Ein Manko in der Nachwuchsausbildung: Es fehlt an qualifizierten Trainern, betonte Çukur. Zu viele brächten keine Ringerfahrung mit; weder als Amateur noch als Profi. Aber genau das sollte bei lizenzierten Übungsleitern eine Bedingung sein.

Nur – ein alleiniges Kriterium ist das nicht. Zumal Lekušić gewissermaßen ein patenter Gegenentwurf ist. Offizielle Wettkämpfe hat er im Boxen nie absolviert, als guter Trainer gilt er bei Sportlern und Verbandsfunktionären trotzdem. Vielleicht ließe sich der Fachkräftemangel bei Coachs durch »An­reize, die über eine Übungsleiterpauschale hinausgehen, beheben«, bemerkte Lekušić. Und wie ist die Situation bei Trainerinnen? Beinahe desaströs. Weibliche Ansprechpersonen im Boxsport sind besonders rar, sagte die WIBF-Boxweltmeisterin im Leichtgewicht, Dilar Kisikyol, gegenüber dieser Zeitung. Jene brauchten und suchten Mädchen und junge Frauen aber dringend. Der DBV weiß um diese »große Leerstelle«. Unzählige Male hätten sich Verantwortliche darüber den Kopf zerbrochen. Bislang ohne zündende Idee.

Sportliches Gefälle

Den Kopf zerbrechen kann man sich auch darüber: Sollten Nachwuchsathletinnen und -athleten mit nur ein paar Ringrunden schon an einer DM teilnehmen dürfen? Fragte Çukur. Auch weil jene international kaum mithalten könnten. Aber: Vereine und Verbände sind auf Meistermedaillen angewiesen. Gelder und Förderungen hängen davon ab. Also schicken sie Jungspunde bisweilen verfrüht in den Fight um Lorbeeren. Das sportliche Gefälle sei dabei groß, räumen DBVler ein. Die Spitze von jungen Topleuten folglich sehr schmal, die Niveauunterschiede zur »breiten Masse« teils enorm.

Sicher, die Probleme sind vielfältig. Nichtsdestotrotz gebe es »Leuchttürme« aus den Kaderschmieden des DBV. Etwa die U-22-EM-Champs Stefanie von Berge und Nikita Putilov. Das seien die Früchte harter Arbeit. Der Arbeit am stabilen Unterbau.

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