75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Donnerstag, 19. September 2024, Nr. 219
Die junge Welt wird von 2939 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 29.07.2024, Seite 1 / Kapital & Arbeit
Wohnen

Strategiewechsel im Bauministerium

Klara Geywitz gibt alle Ziele auf und will Bewohner der Städte zum Umzug aufs Land bewegen
Von Alexander Reich
imago0716839208h.jpg
Nichts ist geblieben von der Euphorie, mit der die Ampel vor zweieinhalb Jahren ihr Bauministerium schuf

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) verfolgt nicht länger das Ziel, den sozialen Wohnungsbau in den Ballungsräumen so anzukurbeln, dass dort jeder eine bezahlbare Bleibe findet. Statt dessen will sie die Städter nun zum Umzug in die Provinz bewegen. »Knapp zwei Millionen Wohnungen in Deutschland stehen leer. Aber in unseren Großstädten oder Metropolregionen herrscht ein riesiger Bedarf. Wir werden daher Ende des Jahres eine Strategie gegen den Leerstand vorlegen«, verkündete Geywitz in der Neuen Osnabrücker Zeitung vom Sonnabend. »Im November sollten wir soweit sein.«

Viele hätten in den vergangenen Jahren die Provinz verlassen, um in den Metropolen einen Job zu finden, erklärte die Potsdamerin. »Home­office und Digitalisierung bieten aber inzwischen ganz neue Möglichkeiten für das Leben und Arbeiten im ländlichen Raum«. Ihr Ministerium suche »mit der Wissenschaft und anderen Ressorts nach neuen Wegen, Menschen für die Nutzung von leerstehendem Wohnraum zu interessieren. Gerade in kleinen und mittelgroßen Städten ist das Potential groß, weil es da auch Kitas, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Ärzte gibt.«

Nichts ist geblieben von der Euphorie, mit der die Ampel vor zweieinhalb Jahren ihr Bauministerium schuf. Das erste eigenständige in diesem Jahrhundert. Zuvor war das Bauen in wechselnden Häusern unter ferner liefen angesiedelt gewesen. Nun sollte die große Offensive kommen: mindestens 400.000 neue Wohnungen im Jahr gegen den Mangel. Es klang nach kontrollierter Bauwut.

Wie der Immobilienmarkt auf eine Umsetzung reagiert hätte, weiß niemand. In keinem der beiden Jahre, die Geywitz im Amt ist, wurden mehr als 295.300 Wohnungen fertiggestellt, in diesem Jahr wird mit 250.000 gerechnet. Aber natürlich will die Ministerin mit ihrem Strategiewechsel, der vom Städte- und Gemeindebund am Wochenende umgehend begrüßt wurde, auch den Planeten retten, wie sie der Zeitung erklärte: »Es ist auch viel umweltfreundlicher, vorhandene Häuser zu nutzen, statt neu zu bauen.«

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von B. S. aus Ammerland (29. Juli 2024 um 19:54 Uhr)
    Geywitz oder Treppenwitz … oder warum lacht Deutschland die Ampel-Regierung immer wieder aus? Nach Wärmepumpen, Sondervermögen und Staatsschulden ohne Ende kommt nun der nächste Offenbarungseid. Weil die vollmundig versprochenen 400.000 neue Wohnungen nicht kommen – war sowieso eine Wahlkampf-Ente der Sozen – sollen nun, wie einst zur Völkerwanderung, der Aufbruch zu neuen Ufern befohlen werden. Oder zieht doch bitte alle die, die neuen oder bezahlbaren Wohnraum suchen, einfach aufs Land. Frag nach bei Shakespeare … Etwas ist faul im Staate Dänemark! Oder besser: Wer hat Euch verraten, Sozialdemokraten! Die SPD-Politiker mögen vieles vergessen haben - besonders ihr Oberhäuptling Cum-Ex-Olaf der Vergessliche - aber an der Wahlurne fällt den Wählern/Innen dieses doch wieder ein.
  • Leserbrief von Rudolf Kraus aus München (29. Juli 2024 um 00:09 Uhr)
    Was für eine Knallcharge, diese Bauministerin mit ihrem Vorschlag, die Leute aufs Land zu schicken. Ich wohnte in München und habe das Landleben so rund 10 Jahre versucht am Ammersee. Keine schlechte Gegend. Aber es gab und gibt nicht mal einen SPD-Ortsverein, wobei ich diese auch nicht brauchte! Aber im CSU- und Freie-Wähler-Sumpf (letztere nekröses Fleisch der CSU) und damals der Republikaner konnte man als hemdsärmliger Linker keinen Fuß auf den Boden bringen. Entweder du bist korrupt oder du fliegst raus. Nobelbayern eben. Dann vielleicht etwas objektiver: im Sommer ein Traum, im Winter Nebel, im Sommer Besuch, im Winter Einsamkeit, keine Geschäfte, kein Internet, das funktioniert, Natur o. k., Kultur null, und das Schlimmste die reaktionäre regionale Bourgeoisie samt der regionaltypischen Überwachung. In 10 Jahren habe ich 3 Volvo-Kombis kaputtgefahren, weil du auf dem Land ein Auto brauchst. Dann die Heizung. Da gibts nur Öl. Teuer. Noch teurer heutzutage der Habeck mit seinen Wärmepumpen, die im Winter nichts bringen, es sei denn über Grundwasserpumpen. Da brauchst aber eine Genehmigung des Wasserwirtschaftsamts. Teuer. Dann braucht es zwei Brunnen. Teuer. Ich bin damals vorausschauend reumütig in die Anonymität der Großstadt zurückgekehrt. Billig war es auf dem Land übrigens auch nicht.

Mehr aus: Kapital & Arbeit