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Aus: Ausgabe vom 29.07.2024, Seite 2 / Ausland
Aufrüstung

Moskau zieht nach

US-Raketen in Deutschland: Putin kündigt »spiegelbildliche Antwort« an
Von Reinhard Lauterbach
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Zarenwetter: Der russische Präsident Wladimir Putin bei der Marineparade zum »Tag der russischen Flotte« (St. Petersburg, 28.7.2024)

Russland wird nach den Worten seines Präsidenten Wladimir Putin die geplante Stationierung US-amerikanischer Marschflugkörper und Hyperschallraketen in Deutschland und Polen nicht unbeantwortet lassen. Bei der zentralen Marineparade zum »Tag der russischen Flotte« sagte Putin am Sonntag in St. Petersburg, die künftig zur Stationierung vorgesehenen Raketen hätten eine Flugzeit von lediglich zehn Minuten bis zu »zentralen Einrichtungen des russischen Staates und Militärs und industriellen Zentren«.

Sollten die USA an diesen Plänen festhalten, werde Russland das Moratorium bei der Entwicklung neuer landgestützter Mittelstreckenraketen beenden, an das es sich bisher trotz des Ausstiegs der USA aus dem INF-Vertrag im Jahre 2019 gehalten habe. Die USA stellen das Verhältnis von Ursache und Wirkung in diesem Zusammenhang umgekehrt dar und behaupten, sie reagierten auf vorherige Modernisierungen des russischen Arsenals und hätten deshalb den INF-Vertrag aufgekündigt.

Putin kündigte auch an, die Patrouillenflüge strategischer Bomber seines Landes in der Nähe der Küsten der USA wieder aufzunehmen. Russland habe diese Flüge in den 1990er Jahren freiwillig eingestellt, während die USA ihre Flüge entlang der russischen Grenzen nie beendet und zuletzt noch verstärkt hätten. Im übrigen stünden neue russische Raketensysteme zur Küstenverteidigung etwa des Gebiets Kaliningrad kurz vor der Serienreife und würden in naher Zukunft stationiert.

Mit Blick auf den Ukraine-Krieg erwähnte Putin zwar den Einsatz von Einheiten der russischen Marineinfanterie und der Luftstreitkräfte der Schwarzmeerflotte, ging aber auf die Operationen zur See nicht ein. Im Schwarzen Meer hat die russische Flotte seit 2022 empfindliche Verluste erlitten. Sewastopol und Noworossisk waren auch die einzigen größeren Stützpunkte der russischen Flotte, wo am Sonntag zum »Tag der Flotte« keine Paraden abgehalten wurden; sogar im syrischen Tartus gab es eine. Im übrigen rühmte Putin die Leistungen der Flotten diverser Zaren seit Peter I., die Russland seinen »gebührenden Platz auf den Weltmeeren« verschafft und wesentlich zum Aufbau seines Imperiums beigetragen hätten.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Hans S. (29. Juli 2024 um 15:04 Uhr)
    Der dritte Anlauf. Die sog. Kubakrise 1962 konnte gelöst werden, weil es einen Deal gab, den die Sowjetunion gemeinsam mit den USA per Händedruck vereinbart hatten. Kurz: keine Stationierung von nuklear bestückbaren Raketen auf Kuba. Im Gegenzug, zeitverzögernd und gesichtswahrend, Abbau der US-Mittelstreckenraketen in Norditalien und in der Türkei. Jahre später wollten die USA Erstschlagswaffen (»Pershing 2«) diesmal auf bundesdeutschem Territorium stationieren. Die bis dahin größte Friedensbewegung wurde zu einer Widerstandsbewegung, die selbst den Bundeskanzler Helmut Schmidt so in die Enge trieb, dass er einen möglichen Verzicht der Modernisierung des sowjetischen Nukleararsenals den USA als Verhandlungsmasse vorschlug. Im weiteren Verlauf wurde unter Federführung Ronald Reagans und Michail Gorbatschows die Nulllösung geboren: keine SS-20, aber auch keine »Pershings« und Cruise-Missiles. Nun also der dritte Anlauf. Und endlich ein in sich stimmiger Satz des Bundeskanzlers: »Ich begrüße die Entscheidung der USA, die Raketen in Deutschland zu stationieren.« Weil Deutschland allen Gebetsmühlen zum Trotz kein souveräner Staat ist und weil die Ampel dies auch gegenüber den USA stolz verkündet, darf Scholz sich dieser Klartextsyntax bedienen und im Alleingang entscheiden, auch ohne das Notstandsgesetz abrufen zu müssen. Würde Scholz Souveränität simulieren und seinem geleisteten Amtseid Folge leisten, müsste er zumindest den Satz so beginnen. »Ich nehme den Wunsch der USA zur Kenntnis, diese Raketen … stationieren zu wollen.« Dann müsste er aber noch hinzufügen: »Ich muss nur noch schnell meine Leute (Parlament) der guten demokratischen Fassade wegen befragen. Die große Mehrheit beherrscht aber das Kopfnicken genauso gut wie ich.« Ja und dann? Dann wird es nicht möglich sein, Täter und Opfer aus nuklearer Asche herauszudestillieren.

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