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Aus: Ausgabe vom 29.07.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Nahostkonflikt

Im Schatten Gazas

Westjordanland: Seit dem 7. Oktober 2023 haben israelische Siedler und Soldaten ihre Übergriffe auf Palästinenser nochmals verstärkt
Von Omri Eran Vardi (Fotos)
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In der Anfangsphase des Kriegs mussten die Bewohner von Umm Darit wegen täglicher Angriffe durch Siedler und Soldaten ihre Häuser verlassen, die sie aber täglich besuchten, um Schäden zu begutachten und zu reparieren (15.11.2023)

Die israelische Ultrarechtsregierung hat die Repressionen in der besetzten Westbank weiter verschärft. Seit Oktober vergangenen Jahres haben Angriffe israelischer Siedler und Soldaten stark zugenommen, so dass die Einwohner von mindestens 18 palästinensischen Gemeinden gezwungen waren, ihre Dörfer im Westjordanland zu verlassen. Ein Beispiel ist die kleine palästinensische Ortschaft Umm Darit. Diese liegt an einem strategisch wichtigen Ort unweit der Anhöhe von Masafer Jatta, die mittlerweile komplett von israelischen Siedlern kontrolliert wird, die auf ihr weitläufige Wohnanlagen errichtet haben.

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Durch Zerstörung von Hab und Gut sollen die Palästinenser zum Verlassen ihres Landes gezwungen werden. Auch dieses Auto wurde von israelischen Siedlern bei einem ihrer regelmäßigen nächtlichen Überfälle in Brand gesetzt (9.6.2024)

Die Einwohner von Umm Darit leiden nun schon seit langem unter den permanenten Schikanen der Siedler, die von der israelischen Armee gedeckt und unterstützt werden. Nachdem die Bewohner der Nachbargemeinde Khirbet Simri, die einige hundert Meter höher auf der Anhöhe von Masafer Jatta liegt, vor ungefähr zwei Jahren gezwungen worden waren, ihre Häuser aufzugeben und ihr Land zu verlassen, hatte sich der Druck auf die Einwohner von Umm Darit bereits erhöht.

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Mohammed Abd Al-Dschabarin sieht aus dem Fenster seines Wohnzimmers auf den neuen Außenposten, der nur wenige hundert Meter entfernt errichtet wurde. Die Ländereien zwischen seinem Haus und dem Außenposten gehören seiner Familie, und obwohl Israels Regierung dies anerkennt, wird den Familienmitgliedern der Zugang zu diesen Ländereien seit der Errichtung des Außenpostens verwehrt (9.6.2024)

Kaum hatten die verheerenden Kämpfe in Gaza begonnen, da verstärkten Armee und Siedler ihren Terror nochmals und errichteten in unmittelbarer Nähe Umm Darits einen neuen Außenposten. Die Bewohner der kleinen Ortschaft wurden angegriffen und gezwungen, ihre Häuser zu verlassen, ihr Hab und Gut wurde zerstört. Es blieb ihnen nichts, als bei Verwandten im Nachbardorf Schaab Al-Botom Schutz und Unterkunft zu suchen.

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Wassertanks sind oft das Ziel von Sabotageakten der Siedler, die den Palästinensern dort schaden wollen, wo es am meisten weh tut. Die Siedler des neuen Außenpostens haben aber nicht allein Zisternen unbrauchbar gemacht und eine von ihnen in einen Treffpunkt zum Baden verwandelt. Mehr noch müssen die Einwohner von Umm Darit neuerdings ihr Wasser teuer mit Lkws anfahren lassen (9.6.2024)

Seitdem wurde der Außenposten erheblich erweitert. Auch wurde ein weiterer errichtet, der noch näher an Umm Darit liegt. Zwar sind die palästinensischen Bewohner inzwischen in ihre Häuser zurückgekehrt, sie sehen sich aber weiterhin täglichen Übergriffen seitens der Israelis ausgesetzt: Diebstahl, Brandstiftung und anderen Formen der Gewalt, die vor allem auf eines abzielen – sie von ihrem Land zu vertreiben, dessen Annexion die israelische Regierung anstrebt und Schritt für Schritt vorantreibt.

Omri Eran Vardi ist ein israelischer Fotograf und Mitglied der 2005 gegründeten israelisch-palästinensischen Gruppe Activestills. Diese verortet sich laut ihres Gründungsmanifestes als Teil des internationalen und lokalen Kampfes gegen alle Formen von Unterdrückung, Rassismus und Diskriminierung und besteht aus israelischen, palästinensischen und internationalen Fotografen, die vor Ort in Palästina/Israel und im Ausland tätig sind. Eran Vardi hat Umm Darit nach Beginn des jüngsten Gazakriegs im November und dann nochmals im Juni besucht, um die Situation zu dokumentieren und die Veränderungen festzuhalten.

Unterdessen hat der Internationale Gerichtshof bestätigt, was Gegner der israelischen Besetzung palästinensischen Landes schon seit langem wussten: dass diese illegal ist. Wie das Haager UN-Gericht Mitte des Monats in einem allerdings nicht rechtsverbindlichen Entscheid urteilte, ist Israel nach internationalem Recht sogar verpflichtet, die Palästinenser für Unterdrückung und Vertreibung zu entschädigen. (jW)

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  • Leserbrief von Ullrich-Kurt Pfannschmidt (29. Juli 2024 um 08:15 Uhr)
    Auch in diesem Artikel ist leider keine Rede davon, dass es die Hamas war, die den gegenwärtigen Waffengang am 7. Oktober vorigen Jahres mit einem bis dahin nicht gekannten Raketenhagel auf Israel eröffnete. Dieser wichtige Hinweis fehlt in diesem und auch etlichen anderen Artikeln zu Thema! - Aus der bisherigen Geschichte sollte bekannt sein, dass die Antwort aus Israel kommen würde, und sie kam! - Leid und Zerstörung in Israel durch den Überraschungsangriff der Hamas wird übrigens kaum erwähnt: Bereits am 7. Oktober verloren über 1.000 Israelis durch den Hamas-Angriff ihr Leben. Hatte die Hamas geglaubt, dass Israel nach diesem Überraschungsangriff besiegt wäre?
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marian R. (29. Juli 2024 um 22:04 Uhr)
      Mehrfach wurde in der JW erwähnt, wer am 7. Oktober 2023 wen angriff – aber auch warum. Das wissen Sie natürlich. Dennoch zeigen Sie sich immer wieder »erstaunt«, dass auf Aktion (Besatzung) eine Reaktion (Widerstand – manchmal auch Terror) folgt. Einen Resonanzboden werden Sie dafür in der JW nicht finden.
    • Leserbrief von Joachim Seider aus Berlin (29. Juli 2024 um 19:50 Uhr)
      Na, dafür hat doch die jW den Herrn Pfannschmidt, der die Leser fleißig darauf hinweist, dass sie die falsche Zeitung lesen. Weil immer das fehlt, was der Herr Pfannschmidt so alles weiß. So viel Neues meist nicht, wiederholt er doch fast immer die altbekannten Stanzen des Mainstreams. Aber irgendjemand muss deren Stuss ja schließlich lesen. Wiederkäuen natürlich auch, denn ihn runterzuschlucken bewirkt bekanntlich Magenschmerzen oder Darmverschluss. Das sollte sich Herr Pfannschmidt wirklich nicht antun! Also: Auf ein Neues, Herr Pfannschmidt! Ich freue mich schon auf den nächsten Leserbrief, den ich getrost beiseite lassen kann.
      • Leserbrief von Ullrich-Kurt Pfannschmidt (30. Juli 2024 um 12:30 Uhr)
        Genug der Lobhudelei, Herr Seider, ich werde vor Verlegenheit schon ganz rot. Allerdings, als ich dachte, jetzt kommt endlich der inhaltliche Teil Ihres Leserbriefs, war plötzlich Schluss! Ich hätte zu gern erfahren, an welcher Stelle ich Fehler gemacht habe. - Nur, weil ich mich auch aus anderen Quellen informiere, müssen diese Informationen nicht grundsätzlich falsch sein. Selbst jW-Redakteure nehmen gern mal Bezug auf z. B. »Bild am Sonntag« und »FAZ«, achten Sie beim nächsten Mal auf die kursiv gedruckten Quellenangaben!

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