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Aus: Ausgabe vom 29.07.2024, Seite 8 / Ansichten

Olympiakritiker des Tages: Przemysław Babiarz

Von Reinhard Lauterbach
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Blitzmerker: Kommunismusexperte Przemysław Babiarz

Das ist Chuzpe. Da wird in Paris eine Veranstaltung eröffnet, die wie keine andere für die Politisierung vollkommen zweckfreier – abgesehen vom Anwendungsfall Handgranatenweitwurf vielleicht – Tätigkeiten durch die Aufteilung der Teilnehmenden nach Nationen steht. Und die Veranstalter lassen dazu ein Lied vortragen, in dem sich John Lennon vor 53 Jahren in eine andere, staats- und religionsfreie Welt geträumt hat: »Nothing to kill and die for / And no religion, too«. Aber so ist das, Tote können sich nicht mehr wehren gegen den Missbrauch ihres Werks.

Nur in Polen hat jemand diesen Widerspruch bemerkt. Was Lennon da beschrieben habe – kein Land, kein Krieg, keine Beterei, von Gemeineigentum ist auch noch irgendwo die Rede –, das sei doch der schiere Kommunismus, monierte Fernsehmoderator Przemysław Babiarz vom öffentlichen Sender TVP die Eröffnungsfeier der Olympiade. Es war ein Moment wie am Schluss von Brechts Flüchtlingsgesprächen, wo Ziffel sich ein Land wünscht, in dem es keine Tugenden mehr brauche, und der Arbeiter Kalle ihm antwortet, er habe sich gerade für den Kommunismus ausgesprochen, und um den zu erreichen, seien leider Tugenden wie Mut, Opferbereitschaft und dergleichen nötig.

Für Babiarz hatte der Geistesblitz Konsequenzen: Der Sender erteilte ihm mit sofortiger Wirkung Mikrofonverbot bis zum Ende der Olympiade. Er darf sich den Rest der Spiele von zu Hause aus anschauen. Die polnische Rechte aber hat ein neues Aufregerthema: Da zeige sich wieder einmal die ganze Verkommenheit des liberalen Westens, dass auf einer – positiv verstanden – nationalen Leistungsschau nicht nur der Kommunismus verherrlicht werde, sondern auch noch, oh Graus, ein queeres Kollektiv Leonardos »Abendmahl« in Kostümen wie vom Christopher Street Day habe nachstellen dürfen. Sodom und Gomorrha, proszę Państwa (meine Herrschaften)!

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