75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Dienstag, 17. September 2024, Nr. 217
Die junge Welt wird von 2939 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €

Immer gleich hauen …

Von Pierre Deason-Tomory
14_radio.jpg
Schnell noch ’nen Kaffee aufsetzen: DLF Kultur widmet James Baldwin (1924–1987) eine »Lange Nacht«

»Verboten« ist ein deutsches Wort, das seit 1939 in aller Welt verstanden und neuerdings in seinem Mutterland wieder zu gerne ausgesprochen wird. Auch im Äther wird fortgesetzt »gefaesert«, sehr eifrig beim Rundfunk Berlin-Brandenburg, und dort zunehmend panisch. 2011 hatte der RBB-Sender Fritz noch triftige Gründe, den Moderator Ken Jebsen zu entlassen, hatte dieser doch Thesen vertreten wie die, ein Jude habe die Schoah »als PR erfunden«. Nichts dergleichen hatte dagegen Christian »Flake« Lorenz verbrochen, der Keyboarder der Bumsbomberband Rammstein wurde einer Art Kontaktschuld bezichtigt. Er musste seine Sendung bei Radio 1 abgeben, weil er sich nicht »inhaltlich« mit den Schweinereien von Bandleader Till Lindemann »auseinandergesetzt« habe. Jüngster Fall ist der Komiker und Fritz-Moderator Sebastian Hotz alias El Hotzo, dem besonders kurzer Prozess gemacht wurde. Er hatte sich, nicht on air, sondern auf der Plattform X, mit zwei brunzdummen Sprüchen über das Attentat auf Donald Trump gefreut. Anders als Judenhasser Jebsen wurde er nicht zuvor verwarnt, sondern gleich gefeuert. Wir haben gelernt: Für kleine Sünden wirst du beim RBB entlassen, für große Intendantin.

Bis auch die junge Welt »gefaesert« wird, könnten wir noch ein paar verfassungsfeindliche Programmvorschläge für diese Radiowoche machen: Im Feature »Vom Rattenhaus zum Vorzeigeobjekt« wird ein Projekt in Berlin beschrieben, in dem der seltene Versuch gemacht wird, eingewanderte Roma menschlich zu behandeln (Di., 19.30 Uhr, DLF Kultur). Bei den Bayreuther Festspielen gibt Mehrzwecktenor Klaus Florian Vogt seinen Einstand als Titelteutone in »Siegfried« (Mi., 20 Uhr, zeitversetzt live auf fast allen ARD-Kulturwellen). Im Hörspiel »Leben sammeln« liest Peter Groeger in drei Folgen aus Victor Klemperers Tagebüchern der Jahre 1918 und 1919, in denen dieser in München Umgang mit Dichtern, Revolutionären und Schiebern pflegte (ab Mi., 22.03 Uhr, DLF). Die letzte übertragene Hügelpremiere der Saison ist die »Götterdämmerung« am Freitag abend (20 Uhr, zeitversetzt live, auf fast allen ARD-Kulturradios). Liebhaber episch gedehnter Sendungen kommen auch am Wochenende auf ihre Rundfunkteilnehmerkosten, es gibt eine »Lange Nacht« über  »Autor, Aktivist, Zeuge« James Baldwin (Sa., 0.05 Uhr, DLF Kultur, 23.05 Uhr, DLF).

Von wegen, »wir hatten ja nüscht«: Es gab sogar »Piratenradios in der DDR«. Von einem Katz-und-Maus-Spiel der Piraten mit Peilsendern der Post 1986 in Ostberlin erzählen die »Hörbilder« (Sa., 9.05 Uhr, Ö 1). Die alte Radiodame Ö 1 schmückt sich noch mit dieser Perle: »40 Jahre Kabarett Niedermair«, eine vierteilige Serie mit Programmmitschnitten in chronologischer Abfolge. Im ersten Teil treten u. a. I Stangl und Hannes Vogler, Andreas Vitásek und Martin Puntigam auf (ab Sa., 19.05 Uhr, So., 21.30 Uhr). Dylan Thomas unternimmt im Hörspiel »Rückreise« eine Wanderung durch das kriegszerstörte Swansea und in die eigene Kindheit (Sa., 20 Uhr, SRF 2 Kultur). Die »Lauschinsel« stellt am Sonntag morgen ein vielseitiges Instrument vor, das in keinem Kinderzimmer fehlen sollte: »Das Hackbrett« (8.04 Uhr, HR 2 Kultur), denn musikalisch aufgeweckter Nachwuchs macht aus jedem Heim ein »Haus des himmlischen Entzückens«. Der gleichnamige Hörspielklassiker nach dem ersten Roman von Joseph Conrad, der schließlich am Nachmittag läuft, handelt nicht von Kinderterror, sondern dem Streben und Scheitern eines weißen Handlungsreisenden in der Kolonie Niederländisch-Ostindien (Teil 1 von 2, So., 14.04 Uhr, HR 2 Kultur).

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Regio:

Mehr aus: Feuilleton