Eine Kolonie als Geschenk
Von Jörg TiedjenEs erschien wie ein Déjà-vu. Zu seinem 25. Thronjubiläum am Dienstag durfte der marokkanische König Mohammed VI. sich über einen Brief freuen, in dem sich Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron voll und ganz hinter seinen Plan einer »Autonomie« für die Westsahara stellt. Dieser sei die »einzige Grundlage« für eine Lösung des fast 50 Jahre alten Konflikts zwischen Marokko und der Westsahara-Befreiungsfront Polisario, soll Macron laut AFP dem Monarchen geschrieben haben. Eine Zukunft der alten spanischen Kolonie, die zu zwei Dritteln von dem nordafrikanischen Königreich besetzt ist, gebe es nur unter der »Souveränität« Marokkos, heißt es demnach in der Grußbotschaft.
Ein solcher Schritt war bereits angekündigt worden. Zuerst hatte die algerische Nachrichtenagentur APS am Donnerstag mitgeteilt, das Außenministerium in Algier habe Frankreichs Regierung eine Protestnote zukommen lassen, nachdem diese unterrichtet habe, dass eine entsprechende Erklärung unterwegs sei. Algier brandmarkte, dass eine Kolonialmacht der anderen zu Hilfe eile. Dem schloss sich am Montag auch die Polisario-Front an. Sie warf Frankreichs Regierung in einem Kommuniqué vor, »keinen Hehl mehr daraus zu machen«, die »gewaltsame und illegale Besetzung« der Westsahara durch Marokko zu unterstützen.
Einen ähnlichen Eklat hatte es 2022 schon einmal gegeben. Damals soll Spaniens Premierminister Pedro Sánchez Mohammed VI. in einem Brief seiner Unterstützung für den »Autonomieplan« versichert haben. Ein Original oder eine glaubhafte Kopie jenes Schreibens gelangten aber nie an die Öffentlichkeit. Daher halten sich hartnäckig Gerüchte, es habe sich um eine Inszenierung, ja Erpressung von marokkanischer Seite gehandelt. Schließlich hatten Untersuchungen unter anderem von Amnesty International ergeben, dass der marokkanische Geheimdienst mit Hilfe der israelischen Spionagesoftware »Pegasus« die spanische Staatsführung ausgespäht habe – ebenso wie die französische.
Das königliche Kabinett in Rabat bedankte sich am Dienstag für die »historische Entscheidung« Macrons. Seine alljährliche Thronrede hatte der Monarch schon am Vorabend des Festtags gehalten. Darin kein Wort von der Westsahara. Vielmehr stellte er angesichts einer anhaltenden Dürre die »Wasserproblematik« in den Mittelpunkt. Er bedauere besonders, dass sich Infrastrukturprojekte wie eine gigantische »Wasserautobahn« zur Verteilung der Wasserressourcen im ganzen Land in Verzug befänden. Auch habe er darauf hingewiesen, dass die Verteilung vorhandenen Süßwassers allein nicht ausreiche, den Bedarf zu decken. Vielmehr müssten verstärkt Anstrengungen zur Entsalzung von Meerwasser unternommen werden. Ein weiteres zentrales Thema der Rede war dann der Gazakrieg.
Bei jedem Thronjubiläum werden Gefangene begnadigt. Diesmal betrifft die Amnestie laut Reuters 2.476 Inhaftierte, darunter auch drei Journalisten: Taoufik Bouachrine, Omar Radi und Soulaimane Raissouni. Die drei Journalisten hatten immer wieder furchtlos über die Politik in Marokko berichtet. Nicht deswegen, sondern wegen angeblicher sexueller Übergriffe waren sie verurteilt worden. Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International und Human Rights Watch werteten die Vorwürfe allerdings als konstruiert und vorgeschoben. Keiner der drei hatte sich schuldig bekannt und um Begnadigung gebeten.
Nicht auf freien Fuß gesetzt wurden zwei weitere prominente politische Gefangene des Königreichs: Nasser Zefzafi, der Frontmann des »Hirak Rif«, einer 2016 entstandenen und von Marokko niedergeschlagenen sozialen Protestbewegung, und der frühere Menschenrechtsminister und -anwalt Mohammed Ziane. Er hatte unter anderem das marokkanische Bündnis mit Israel im Rahmen der sogenannten Abraham-Verträge kritisiert. Der 81jährige Ziane gilt als »ältester politischer Gefangener« des Königreichs. Seine Gesundheit ist schwer angeschlagen. Dennoch war er kurz vor dem Jubiläum offensichtlich wegen seiner Unbeugsamkeit gegenüber der Monarchie erneut vor Gericht gezerrt und zu einer weiteren mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Georges H. aus 58239 Schwerte (1. August 2024 um 23:08 Uhr)Und das Gegengeschenk war längst eingetütet: der Bau der 380 km langen Schnellbahn-Verbindung von Kenitra bis Marrakesch. Die französische Egis-Rail hat den Zuschlag vor den Spaniern bekommen, so meldete Africa Intelligence am 1.8. Fraternellement Georges Hallermayer
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