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Aus: Ausgabe vom 31.07.2024, Seite 6 / Ausland
Pressefreiheit

Karikaturist verhaftet

Ägypten: Welle der Repression gegen Journalisten. Aschraf Omar ist einer von ihnen
Von Jan-Christoph Pfeiffer
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Aschraf Omar zeichnete bereits während der ägyptischen Massenproteste 2011 Karikaturen auf dem Tahrir-Platz

Vorerst 15 Tage Untersuchungshaft für den »Eintritt in eine terroristische Vereinigung«, die »Verbreitung von Falschinformationen« und den »Missbrauch sozialer Netzwerke«. So lautet das vorläufige Urteil der Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit gegen den Journalisten, Karikaturisten und Übersetzer Aschraf Omar.

Was bekannt ist: Am Montag vergangener Woche in der Nacht um 1.30 Uhr Ortszeit stürmen mehrere Männer – die meisten in Zivil – das Apartment des Karikaturisten im Westen Kairos. Die Sicherheitskameras am Gebäude zeichnen sie auf. 40 Minuten später verfrachten sie Omar mit verbundenen Augen in einen Van ohne Nummernschild. Nada Mughith, seine Frau, schläft in dieser Nacht nicht zu Hause. Als ihr Mann morgens um 9 Uhr noch immer nicht an sein Telefon geht, fragt sie zuerst die Nachbarn nach ihm und lässt schlussendlich den Wachmann des Wohnkomplexes die Tür öffnen. Die Wohnung ist verwüstet. Der Fernseher läuft. Omars Telefon, sein Portemonnaie, ein Teil seines Geldes und sein Laptop fehlen. Von Omar selbst keine Spur. Erst das Material der Überwachungskameras erklärt, was vorgefallen ist. Aschraf Omar wurde festgenommen.

Wohin er gebracht wurde, was ihm vorgeworfen wird und was mit ihm passieren sollte, klärt sich erst zwei Tage später. Anwälte waren noch am Montag in der zuständigen Polizeistation vorstellig geworden und hatten verlangt, ihren Mandanten zu sehen. Doch die Polizei verweigerte jede Auskunft. Man habe keinen Aschraf Omar in Gewahrsam.

Omar arbeitete unter anderem für das unabhängige Medium Al-Manassa als Karikaturist. Die Chefredakteurin der Plattform, Nora Junis, verurteilte die Verhaftung ihres Kollegen öffentlich und benachrichtigte die ägyptische Journalistengewerkschaft. Der Gewerkschaftsvorsitzende Khaled Al-Balschi forderte von der Staatsanwaltschaft Informationen über den Verbleib des Journalisten und die gegen ihn gerichteten Vorwürfe sowie anwaltlichen Beistand. Er drückte darüber hinaus die Solidarität der Gewerkschaft mit Aschraf Omar und allen inhaftierten Kollegen aus. Denn es seien nun mehr als 23 Journalisten in Haft.

Zwei Tage nach der Festnahme Omars verordnet die Staatsanwaltschaft für Staatssicherheit 15 Tage Untersuchungshaft. Die lange Zeit zwischen Festnahme und der Aufnahme eines Verfahrens ist mittlerweile feste Einschüchterungsstrategie der Behörden. Aschraf Omars Inhaftierung ist exemplarisch.

In einer auf Facebook veröffentlichten Stellungnahme bewertet die Gewerkschaft die beiden jüngsten Festnahmen als Teil einer Repressionskampagne der Regierung zur Einschränkung der Pressefreiheit mittels Einschüchterung. Wenige Tage vor Aschraf Omar war der Journalist Khaled Mamduh auf ähnliche Weise in Haft gekommen.

Ägypten leidet seit Jahren unter einer Wirtschaftskrise, die Inflation ist hoch. Seit vergangenem Jahr plagen regelmäßige Stromausfälle die Bevölkerung. Der Verkauf großer Strandabschnitte an die Vereinigten Arabischen Emirate wird diskutiert – nur das letzte Glied des voranschreitenden Ausverkaufs zentraler Wirtschaftssektoren Ägyptens an Investoren aus den Golfstaaten. Aschraf Omar hatte diese Missstände scharf kritisiert. Seine Karikaturen verbildlichen Folgen der Regierungspolitik für die Bevölkerung und spitzen die Gründe zu. Wie vielen seiner Kollegen wurde ihm diese journalistische Arbeit jetzt zum Verhängnis.

Als Reaktion auf die Repressionswelle formiert sich allen Widrigkeiten zum Trotz eine internationale Kampagne für Pressefreiheit in Ägypten und die Freilassung der Journalisten. Am Montag abend versammelten sich zur Unterstützung der inhaftierten Journalisten über 30 Menschen im Gewerkschaftshaus der Journalistengewerkschaft in Downtown Kairo. Nach einer Pressekonferenz blockierten sie in einem zweistündigen symbolischen Sitzstreik das Gebäude. Neben der ägyptischen Journalistengewerkschaft und ihrer internationalen Dachorganisation, der Internationalen Journalistenföderation, reihen sich auch »Reporter ohne Grenzen« und Amnesty International in den Ruf nach Freiheit für Aschraf Omar ein.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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