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Aus: Ausgabe vom 31.07.2024, Seite 8 / Ansichten

Butterfahrt-Käpt’n des Tages: Dirk Kurbjuweit

Von Alexander Reich
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Dirk Kurbjuweit bringt in seinem jüngsten Roman Licht in die ostdeutsche Provinz: »Sie wissen genau, dass das N-Wort ein rassistischer Begriff ist!« lässt er einen Helden ausrufen

Beim Spiegel sei Chefredakteur Dirk Kurbjuweit »in Bedrängnis«, teilte Kress Pro, das »Magazin für Führungskräfte in Medien«, am Dienstag mit. Von den lieben Kollegen werde der Redaktionsleiter bereits als »Sleepy Joe« der deutschen Publizistik verspottet. »Gelegentlich orientierungslos«, habe er einen »Hang zu einsamen Entscheidungen«. Dabei ist nicht bekannt, dass der Kaufmannssohn aus Wiesbaden in seiner Amtszeit überhaupt nur eine wichtige Entscheidung getroffen hätte.

Als Kurbjuweit im Mai 2023 von der Spiegel-Geschäftsführung ins Amt gehoben wurde, hatte das angeblich wirtschaftliche Gründe. Der damals druckfrische Jahresabschluss 2022 wies einen Gewinn von schlappen 43 Millionen Euro aus. Zuwenig, fanden die Bosse, und befanden den Vorschlag der damaligen Chefredaktion, sich zur Gewinnung neuer Digitalabos »auf die Themen Geldanlage, Versicherungen und Immobilien zu konzentrieren« (Zeit), für ungenügend.

Unter Kurbjuweit sank der Gewinn 2023 auf 24,2 Millionen Euro. Im ersten Quartal 2024 brach der Absatz des Printprodukts ein. Pro Ausgabe wurde im Einzelhandel erstmals nur eine fünfstellige Zahl von Exemplaren verkauft (94.000). Neue Digitalabos können die Verluste kaum ausgleichen. In der zweiten Juliwoche gab es nicht die gewünschten 1.000 Abos mehr, sondern gerade einmal 48.

Als Stratege hat Kurbjuweit bisher eigentlich nur behutsam den bekloppten Spiegel-Slogan »Sagen, was ist« erweitert. Man wolle »sagen, was gut ist«, erklärte er mit Blick auf einen »Nutzwert«, der den Lesern »das Leben leichter machen« solle. »Unsere Vision ist die eines Spiegels, der ein Gefährte für alle Aspekte des Lebens ist, die politischen und die privaten.«

Wenn dieser Käpt’n auf seiner Butterfahrt ins Glück kentert, schreibt er bestimmt bald seinen nächsten peinlichen Roman.

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  • Leserbrief von B. S. aus Ammerland (31. Juli 2024 um 14:48 Uhr)
    Ich bin sehr verwundert, dass Der Spiegel überhaupt noch verkauft wird. Dachte das Gesinnungsmagazin mit Schreiberlingen, die auch für die Regierung schreiben, aber ansonsten strickt, à la Sascha Lobo, gegen Lumpenpazifisten hetzen, wäre Geschichte. Aber die »Vereinte Relotius-Redaktion« scheint mir Dirk Kurbjuweit jemanden zu haben, der genauso blass ist wie der Bundeskanzler. Aber noch kann durch die »Spenden von Bill Gates« ein frühes mediales Ableben verschoben werden. Oder waren die ohnehin bereits verplant? Schauen wir mal, wie und was uns Der Spiegel als nächstes auftischt. Qualität jedenfalls, gelinde gesagt, scheint nicht herauszukommen, egal ob Bezahlschranke oder nicht.

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