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Aus: Ausgabe vom 01.08.2024, Seite 1 / Titel
Ismail Hanija getötet

Israel tötet Hamas-Chef

Israelischer Raketenangriff auf Ismail Hanija in Teheran. Mit Vergeltungsaktion wird gerechnet
Von Knut Mellenthin
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Aus den Trümmern geborgen: Porträt des getöteten Hamas-Chefs Hanija (Gaza-Stadt, 31.7.2024)

Der israelischen Kriegsmaschine ist am Mittwoch in den frühen Morgenstunden ihr bisher schwerster Schlag gegen den palästinensischen Widerstand gelungen. Durch einen gezielten Raketenangriff wurde in Teheran der Vorsitzende des Politbüros der Hamas, Ismail Hanija, getötet. Er lebte in den vergangenen Jahren überwiegend in Katar und in der Türkei. In die iranische Hauptstadt war der 62jährige gekommen, um an der mehrtägigen Zeremonie anlässlich der Amtseinführung des neuen Staatspräsidenten Massud Peseschkian teilzunehmen. Einer Meldung zufolge hatte sich Hanija in einer Veteranenresidenz der Revolutionsgarden aufgehalten.

In einer ersten Stellungnahme hob Irans oberste politische und religiöse Autorität, »Revolutionsführer« Ali Khamenei, die Tatsache hervor, dass Hanija Gast der Islamischen Republik war, als er ermordet wurde. Daher sei es »unsere Pflicht, sein Blut zu rächen«. Diese Ankündigung lässt erwarten, dass Iran die »Bestrafung« in diesem Fall nicht allein seinen Verbündeten in Palästina, im Libanon, im Irak und im Jemen überlassen will. Zuletzt hatten die iranischen Streitkräfte und Revolutionsgarden am 13. April über 300 Raketen, Drohnen und Marschflugkörper Richtung Israel abgeschossen, von denen aber aufgrund der starken Luftabwehr nur wenige dort ankamen. Bis auf eine Verletzte entstanden keine größeren Schäden.

Die israelische Regierung hatte im Januar schon die Nummer zwei des Hamas-Politbüros, Saleh Al-Aruri, durch einen gezielten Luftangriff auf ein Haus in der libanesischen Hauptstadt Beirut ermorden lassen. Die Hamas bestreitet jedoch israelische Behauptungen, dass auch ihr Militärchef Mohammed Deif am 13. Juli bei einem Luftangriff auf Khan Junis – sowie dessen Stellvertreter Marwan Issa im März – getötet worden seien.

Außerdem hat die libanesische Hisbollah die israelische Erfolgsmeldung dementiert, am Dienstag einen ihrer bedeutendsten Kommandeure, Fuad Schukr, bei einem Luftangriff auf einen Vorort von Beirut getötet zu haben. Israel macht Schukr für einen Raketeneinschlag auf den annektierten Golanhöhen verantwortlich, bei dem am Sonnabend zwölf Kinder und Jugendliche getötet wurden. Die Hisbollah bestreitet entschieden, mit diesem Vorfall in Verbindung zu stehen. Beim israelischen »Gegenschlag« wurden nach libanesischen Regierungsangaben zwei Jugendliche und eine Frau getötet. 74 Menschen seien verletzt worden, fünf davon lebensgefährlich.

Die »gezielte Tötung« des Hamas-Chefs am frühen Mittwoch morgen wurde von den Außenministerien Chinas und Russlands kritisiert. Die Volksrepublik hatte in der vorigen Woche eine gemeinsame Erklärung von mehr als einem Dutzend palästinensischer Organisationen vermittelt, die Vertreter zu dreitägigen Gesprächen nach Beijing geschickt hatten. Ziel der Einigung war unter anderem die Bildung einer breiten »Regierung der nationalen Versöhnung« für den Gazastreifen und das Westjordanland. Diese Perspektive könnte die Durchführung des Mordplans gegen Hanija beschleunigt haben: Nicht nur Israels Regierungskoalition aus Rechten und Ultrarechten, sondern alle politisch relevanten jüdischen Oppositionsparteien lehnen die Bildung eines palästinensischen Staates kategorisch ab. Auch zum militärischen Abzug aus dem seit 1967 besetzten Westjordanland oder alternativ zur Gewährung der Bürgerrechte an die Palästinenser in einem gemeinsamen Staat sind sie nicht bereit.

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  • Leserbrief von Reinhold Schramm aus Berlin (1. August 2024 um 14:37 Uhr)
    Die Hamas und Hisbollah im Ablenkungskrieg für die feudal-religiösen Fürsten und Oligarchen. Wie stets, die ökonomische Herrschaft bleibt außen vor! Die arabischen Völker müssten sich auf ihre heimischen Oligarchen konzentrieren. Sie dürften sich nicht mehr von den sozioökonomischen Ursachen ihrer wirtschaftlichen und sozialen Armut von den jeweils herrschenden Stammesführungen und deren Eliten ablenken lassen. Sie müssten auch begreifen, dass ihren Oligarchen, Monarchisten, Prinzen und Eliten der Hass und die Hetze gegen Israel und Menschen jüdischen Glaubens vor allem der Ablenkung von den in ihren Ländern und Regionen vorherrschenden Eigentums- und Besitzverhältnissen dient. Dass selbst bei einer Vernichtung der staatlichen Existenz Israels ihre Armut und soziale Deklassierung nicht beseitigt wäre. Ihre Fürsten und Herrscher würden sich neue Opfer für die Ablenkung der Volksmassen von der regierenden Ungleichheit aussuchen, andere regionale und nationale Minderheiten, Religionen und sexuelle Orientierungen. So vor allem auch in Ermangelung eines Gegners wie einst die nationale und soziale sozialistischen Befreiungsbewegungen, die es heute nicht mehr gibt. PS: Katar, 240 Mrd. USD für die Fußball-WM, aber nicht für die Beendigung der sozialen Bildungsarmut in der arabisch-afrikanischen Welt.
  • Leserbrief von Ullrich-Kurt Pfannschmidt (1. August 2024 um 07:28 Uhr)
    Bei allem Zorn, der seitens des Iran und der Hamas geäußert wird: Mit z. B. Netanjahu würden sie kaum anders verfahren, wenn sie an ihn herankämen. Im Gegenteil, sie würden das feiern! Und die nächsten Schritte unternehmen, um den Staat Israel von der Landkarte zu tilgen.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich Kral aus Potsdam (1. August 2024 um 16:20 Uhr)
      Das scheint mir kein passender Vergleich zu sein. Nicht Israel leidet seit mehr als 70 Jahren unter Vertreibung, Landraub und Unterdrückung. Es sind die Palästinenser, die seit Ewigkeiten in der Region leben und die ihrer angestammten Heimat beraubt wurden.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in H.-J. R. aus Berlin (1. August 2024 um 15:20 Uhr)
      Hier verwechselt wieder jemand Feuer und Wasser und entschuldigt den Aggressor Israel und seine Kriegsverbrecher. Schlimm, daß diese Zeitung so einer Ansicht noch ein Sprachrohr bietet.
      • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (2. August 2024 um 11:16 Uhr)
        Soll die jW anfangen, Lesermeinungen zu zensieren? Die mündige jW-LeserIn bildet sich ihre eigene Meinung.
        • Leserbrief von Onlineabonnent/in H.-J. R. aus Berlin (2. August 2024 um 11:54 Uhr)
          Wie groß, Herr H., ist der Rahmen von Mündigkeit? Und dabei geht es hier um politisch-ideologische, also um Marxismus-Leninismus, nicht um Revisionismus. Von dem sollte sich, dazu lehrt uns die Geschichte, strikt abgrenzen. Könnte es sein, daß die jW Alibis für bürgerliche Meinungsfreiheit braucht? Pardon, aber die »Mündigkeit« zeigt sich u.a., wie mir scheint, bereits im neutralisierenden Neudeutsch - sprich: gendern.

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