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Aus: Ausgabe vom 01.08.2024, Seite 8 / Ansichten

Schleuser des Tages: Viktor Orbán

Von Jörg Tiedjen
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Schreckgespenst der von ihm geschmähten Liberalen: Der angebliche Russland-Freund Viktor Orbán (Băile Tușnad, 27.7.2024)

Das ist schon paradox. Da beklagt sich Ungarns Premierminister Viktor Orbán seit Jahren, dass Brüssel eine zu liberale Einwanderungspolitik fahre. Aber nun wird ihm selbst vorgeworfen, durch eine zu großzügige Vergabe von Arbeitsvisa den Schengen-Raum zu unterminieren. »In aller Stille« habe nämlich Budapest »vor ein paar Tagen« per Erlass die Vergabe seiner »Nationalen Karte« auch auf Russen und Belarussen ausgeweitet, wie am Dienstag die »Tagesschau« berichtete. Auch sie könnten jetzt wie zuvor schon Staatsbürger diverser Balkanländer und der Ukraine unkompliziert nach Ungarn einreisen und dort einer Beschäftigung nachgehen.

Da klingeln bei Manfred Weber, dem Chef der Christdemokraten im EU-Parlament, die Alarmglocken. Er hat sich am Montag in einem Brief an EU-Ratspräsident Charles Michel beschwert, dass Ungarn »schwerwiegende Schlupflöcher für Spionageaktivitäten« eröffne. Einmal in das kleine EU-Land eingereist, könnten sich russische und belarussische Kundschafter nach Lust und Laune »im grenzenlosen Schengen-Raum bewegen«. Deswegen fordere Webers EVP-Fraktion die 27 EU-Mitglieder auf, dessen Integrität »mit den strengsten Maßnahmen« zu schützen.

Das will Ungarn nicht auf sich sitzen lassen. »Dieser jüngste Angriff aus Brüssel ist absurd und heuchlerisch«, kommentierte am Dienstag der ungarische Staatssekretär für internationale Beziehungen Zoltán Kovács laut Ungarn heute. »Denn es sind gerade die Brüsseler Institutionen und die EVP im Bündnis mit den liberalen Kräften, die alles in ihrer Macht Stehende tun, um Ungarn zu zwingen, sein strenges Grenzschutz- und Asylsystem abzubauen und Hunderttausende illegaler Einwanderer ins Land und damit in die EU zu lassen.« Doch man könne sicher sein: Ungarn werde »das strengste Einwanderungsregime des Kontinents aufrechterhalten«. Kein Grund zur Beunruhigung also.

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