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Aus: Ausgabe vom 01.08.2024, Seite 11 / Feuilleton
Serien

Kabale ums Kolosseum

Wagenrennen, Gladiatoren, große und kleine Verschwörungen im alten Rom: Die Serie »Those About to Die«
Von Philip Tassev
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»Celerius quam asparagi cocuntur«: Die halsbrecherischen Rennen im Circus Maximus

Wir schreiben das Jahr 79 unserer Zeitrechnung. Nach den Bürgerkriegswirren, ausgelöst durch den Selbstmord des Kaisers Nero, hat sich im Vierkaiserjahr von 69 Vespasian (Anthony Hopkins) gegen seine Konkurrenten durchgesetzt. Er regiert nun seit zehn Jahren das römische Imperium, das sich von Britannien nach Ägypten, von der Iberischen Halbinsel bis an den Kaukasus erstreckt. Um die Nachfolge des alten und kranken Imperators wetteifern seine beiden Söhne, der Erstgeborene Titus (Tom Hughes), ein siegreicher Heerführer und Eroberer von Jerusalem, und der jüngere Domitian (Jojo Macari), ein verschlagener Politiker. Um der Macht der Aristokratie etwas entgegenzusetzen, lässt Vespasian auf dem Gelände von Neros Goldenem Haus von Zehntausenden judäischen Kriegsgefangenen das Amphitheatrum Flavium errichten, nachfolgenden Generationen als Kolosseum bekannt. Noch finden die großen Spektakel aber im Circus Maximus statt, in dem sich die Viergespanne der patrizischen Factiones, der Zirkusparteien, zur Belustigung der Volksmassen halsbrecherische Wagenrennen liefern.

Das ist das Setting der Serie »­Those About to Die« (etwa: Die Todgeweihten) des US-Drehbuchautors Robert Rodat (»Der Soldat James Ryan«), umgesetzt von den deutschen Regisseuren Roland Emmerich (»Independence Day«) und Marco Kreuzpaintner (»Der Fall Collini«).

Die kulturelle und ethnische Vielfalt des Römischen Reiches spiegelt sich in den Charakteren. Im Zentrum des Geschehens steht der Plebejer ­Tenax, (lateinisch für zäh/beharrlich), gespielt von Iwan Rheon, der Fans von »Game of Thrones« noch als fieser Ramsay Bolton in Erinnerung sein dürfte. Tenax ist ein ambitionierter Opportunist, der sich aus der Gosse der Subura zum Betreiber von Roms größtem Wettbüro hochgearbeitet hat. Mehr als nur monetären Reichtum begehrt er vor allem eines: gesellschaftlichen Aufstieg und Anerkennung. Dafür ist ihm jedes Mittel recht. Sein Freund und gelegentlicher Komplize bei Wettkampfmanipulationen ist der syrische Wagenlenker Scorpus (Dimitri Leonidas), ein Liebling der Arena, der meist als sympathischer Trunkenbold dargestellt wird, dessen Ehrgeiz aber auch seine dunkle Seite offenbart. Gemeinsam träumen sie davon, neben den senatorischen Parteien ihren eigenen, plebejischen Rennstall zu etablieren. Da kommen drei hispanische Brüder gerade recht, die aus ihrer Heimat einige iberische Pferde zum Verkauf mitgebracht haben. Mit dem Erlös wollen sie zunächst zu Hause ein eigenes Gestüt begründen. Nach und nach verfallen sie aber dem sinistren Charme der Metropole.

Aus der nordafrikanischen Provinz wird der numidische Jäger Kwame (Moe Hashim) mit seinen beiden Schwestern in die Sklaverei nach Rom verschleppt. Den Silberminen kann er aufgrund seines Geschicks bei der Löwenhatz entgehen und wird an die Gladiatorenschule verkauft. Die Mutter der drei, Cala (Sara Martins-Court), reist ihnen hinterher, um ihre Kinder zu befreien. Die gewiefte Geschäftsfrau landet schließlich in der Taverne des Tenax, dessen Vertrauen sie gewinnen kann. Mit ihr lernt der Zuschauer die menschliche Seite des Unterweltbosses kennen.

So entspinnt sich im Laufe der zehn Episoden der ersten Staffel eine Vielzahl an großen und kleinen Intrigen, Verschwörungen und Gaunereien. Das ist unterhaltsam, auch wenn es der Serie nicht geschadet hätte, auf die ein oder andere Nebenhandlung zu verzichten. Ein Leitmotiv ist die allgegenwärtige Korruption in der Ewigen Stadt. Jeder, vom Nachtwächter bis zum Senator, ist käuflich oder nötigenfalls erpressbar. Das dürfte durchaus historisch korrekt sein. Mit Vorsicht zu genießen ist allerdings die Darstellung der politischen Kämpfe der damaligen Zeit. Diese sind zwar meist überzeugend inszeniert, durch die Quellenlage allerdings nicht gedeckt. Weite Teile der Herrschaft Vespasians liegen im Dunkeln. Der Imperator mit dem nicht sehr schmeichelhaften Beinamen »mulio« (Eseltreiber) förderte die Propaganda um seine Person, zeitgenössische Autoren wie Tacitus, Sueton oder Josephus, auf deren Werke sich auch die Serie stützt, waren teilweise ökonomisch vom Herrscherhaus abhängig. Auch die Verwendung des namensgebenden »Morituri te salutant« (Die Todgeweihten grüßen dich) als traditioneller Gruß der Gladiatoren an den Kaiser ist so nicht überliefert.

Lobende Worte finden Historiker allerdings für die computergenerierte Nachbildung des antiken Roms. »Man bekommt ein Gefühl dafür, wie zusammengepfercht die Leute im Unterschichtsviertel Subura gelebt haben«, so etwa laut Spiegel Michael Sommer, Professor für Alte Geschichte.

»Those About to Die«, USA/BRD/I 2023, (zehn Folgen je 60 Minuten), bei Amazon Prime

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