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Aus: Ausgabe vom 02.08.2024, Seite 1 / Titel
Terroraktionen Israels

Nahost am Siedepunkt

Nach Ermordung von Hamas-Führer Hanija Schlagabtausch im UN-Sicherheitsrat. Israel bestätigt Tod eines palästinensischen Kommandeurs in Gaza
Von Arnold Schölzel
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Zurückhaltung à la Israel: Ermordung eines Journalisten und eines Kameramanns des arabischen TV-Senders Al-Dschasira durch einen Luftangriff am Mittwoch in Gaza-Stadt

Die Morde an Hamas-Führer Ismail Hanija in Teheran am Mittwoch sowie an Hisbollah-Kommandeur Fuad Schukr in Beirut am Dienstag führen in einer weiteren Weltregion zur Konfrontation zwischen den Machtblöcken. Das machte eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York am Mittwoch abend (Ortszeit) deutlich. Die USA und ihre Verbündeten betonten dort unisono das Recht Israels auf Selbstverteidigung gegen »Terroristen« und riefen zugleich zu »Zurückhaltung« auf. Auf der anderen Seite verurteilten Russland, China und mehrere Länder des Südens den in der Geschichte der Diplomatie einmaligen Mord am Verhandlungsführer einer Seite und die erneuten Verletzungen des Völkerrechts durch Israel.

Am Donnerstag berichtete die New York Times unter Berufung auf iranische Beamte, Irans oberster Führer Ajatollah Ali Khamenei habe auf einer Sitzung des Obersten Nationalen Sicherheitsrates am Mittwoch den Befehl erteilt, Israel direkt anzugreifen. Am Nachmittag meldete die US-Zeitung, Hanija sei mit einem in das Teheraner Gästehaus, in dem er schon öfter übernachtet hatte, geschmuggelten Sprengsatz ermordet worden. Die Bombe sei zuvor versteckt worden.

Bei der Sitzung des UN-Sicherheitsrates behauptete US-Vertreter Robert Wood, Israel habe mit den Mordaktionen »präzise« sein Selbstverteidigungsrecht wahrgenommen. Washington sei jedoch nicht beteiligt gewesen und wolle zusammen mit Ägypten, Katar und anderen Partnern einen größeren regionalen Krieg verhindern. Ähnlich äußerten sich Frankreich, Großbritannien, Japan, Südkorea und Ecuador. Die Schweiz, Slowenien und Malta warnten vor einer Kriegsausweitung und forderten diplomatische Anstrengungen. Die Repräsentanten Palästinas, Syriens und des Libanon verurteilten die Angriffe als »verbrecherisch«. Der Vertreter Syriens machte die israelische »Besatzungsentität« für den Tod von zwölf Kindern im drusischen Dorf Madschdal Schams verantwortlich, das syrisch, nicht israelisch sei. Israel hatte die Golanhöhen, auf denen das Dorf liegt, 1981 völkerrechtswidrig annektiert. 2019 hatte der damalige US-Präsident Donald Trump die Einverleibung anerkannt. Der syrische Vertreter fügte hinzu, eine »Besatzungsentität« könne laut Artikel 51 der UN-Charta kein Recht auf Selbstverteidigung in Anspruch nehmen. Ohne die doppelten Standards des Westens wären weder die Annexion des Golan noch die Ermordung Hanijas oder der Völkermord in Gaza möglich. Der Sprecher des Libanon erklärte, Ziel Israels sei es, seine Verbündeten in einen regionalen Krieg hineinzuziehen. Ähnlich urteilten Algerien, Guayana, Mosambik, Sierra Leone und der Irak, mehrfach wurde formuliert, die Region sei »am Siedepunkt«. China nannte die Ermordung Hanijas einen »eklatanten Versuch, die Friedensbemühungen zu sabotieren«. Dem schlossen sich Russland und der Iran an. Israel beschimpfte das Gremium wegen »Heuchelei« und verlangte schärfere Sanktionen gegen Teheran. In Brüssel erklärte am Donnerstag ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, die EU lehne Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren grundsätzlich ab.

In Teheran nahmen am Donnerstag Tausende Menschen an einer Trauerzeremonie für Hanija teil. Gleichzeitig erklärte die israelische Armee, sie habe nach einer Überprüfung Gewissheit, am 13. Juli den Militärchef der Hamas, Mohammed Deif, im Gazastreifen getötet zu haben. Bei dem Bombardement waren mehr als 90 Menschen ums Leben gekommen.

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  • Leserbrief von Wilfried Schubert aus Güstrow (2. August 2024 um 11:25 Uhr)
    Völkerrecht mit Füßen getreten

    In den Medien hört und liest man fast ausschließlich von den Gräueltaten der radikalen Palästinenser. Dominant der 7. Oktober 2023. Verschwiegen wird, dass Israel vornehmlich mit Unterstützung der USA und auch Deutschlands seit mehr als 70 Jahren verhindert, den Beschluss der UNO Generalversammlung vom 29. 11. 1947, einen jüdischen und einen palästinensischen Staat auf dem ehemaligen Mandatsgebiet Palästina zu errichten, zu erfüllen. Der jüdische Staat wurde am 14. Mai 1948 ausgerufen. Die Bildung des palästinensischen Staates verhinderte Israel bisher. Im Gegenteil, 700.000 israelische Bürger besiedeln die palästinensischen Gebiete Westjordanland und Ostjerusalem. Eine Verurteilung der Angriffe Israels auf Ziele im Iran oder Syrien erfolgte auch nicht. Wenn die USA und die westeuropäischen Staaten es wollen, hat das Morden, nicht nur im Gazastreifen ein baldiges Ende.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (2. August 2024 um 09:53 Uhr)
    Nicht der erste politische Mord Israels, und es wird wohl nicht der letzte sein. Die Doppelmoral des Westens zum Nahostkonflikt ist unerträglich. Aber nicht neu. Das Akzeptieren von Ursache und Wirkung eines Konfliktes, wie dem in Nahost oder dem in der Ukraine, wird ignoriert. Warum? Weil man ansonsten die eigene Verstrickung und die eigene Mitverantwortung für den Ausbruch des Konfliktes eingestehen müsste.
  • Leserbrief von Thomas Schweighäuser aus zur Zeit Düsseldorf (2. August 2024 um 09:01 Uhr)
    Der »Siedepunkt« könnte ja etwas höher liegen, wenn die Hamas die Waffen streckte und die Geiseln freiließe. Wäre auch gut zum Schutz der Bewohner der Region, seien es nun Israelis oder Palästinenser. Nur mal so als Idee.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Manfred G. aus Manni Guerth (4. August 2024 um 13:48 Uhr)
      Ha,ha,ha... danke, für die Erheiterung.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (2. August 2024 um 14:07 Uhr)
      Thomas Schweighäuser for president!

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