Nahost am Siedepunkt
Von Arnold SchölzelDie Morde an Hamas-Führer Ismail Hanija in Teheran am Mittwoch sowie an Hisbollah-Kommandeur Fuad Schukr in Beirut am Dienstag führen in einer weiteren Weltregion zur Konfrontation zwischen den Machtblöcken. Das machte eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York am Mittwoch abend (Ortszeit) deutlich. Die USA und ihre Verbündeten betonten dort unisono das Recht Israels auf Selbstverteidigung gegen »Terroristen« und riefen zugleich zu »Zurückhaltung« auf. Auf der anderen Seite verurteilten Russland, China und mehrere Länder des Südens den in der Geschichte der Diplomatie einmaligen Mord am Verhandlungsführer einer Seite und die erneuten Verletzungen des Völkerrechts durch Israel.
Am Donnerstag berichtete die New York Times unter Berufung auf iranische Beamte, Irans oberster Führer Ajatollah Ali Khamenei habe auf einer Sitzung des Obersten Nationalen Sicherheitsrates am Mittwoch den Befehl erteilt, Israel direkt anzugreifen. Am Nachmittag meldete die US-Zeitung, Hanija sei mit einem in das Teheraner Gästehaus, in dem er schon öfter übernachtet hatte, geschmuggelten Sprengsatz ermordet worden. Die Bombe sei zuvor versteckt worden.
Bei der Sitzung des UN-Sicherheitsrates behauptete US-Vertreter Robert Wood, Israel habe mit den Mordaktionen »präzise« sein Selbstverteidigungsrecht wahrgenommen. Washington sei jedoch nicht beteiligt gewesen und wolle zusammen mit Ägypten, Katar und anderen Partnern einen größeren regionalen Krieg verhindern. Ähnlich äußerten sich Frankreich, Großbritannien, Japan, Südkorea und Ecuador. Die Schweiz, Slowenien und Malta warnten vor einer Kriegsausweitung und forderten diplomatische Anstrengungen. Die Repräsentanten Palästinas, Syriens und des Libanon verurteilten die Angriffe als »verbrecherisch«. Der Vertreter Syriens machte die israelische »Besatzungsentität« für den Tod von zwölf Kindern im drusischen Dorf Madschdal Schams verantwortlich, das syrisch, nicht israelisch sei. Israel hatte die Golanhöhen, auf denen das Dorf liegt, 1981 völkerrechtswidrig annektiert. 2019 hatte der damalige US-Präsident Donald Trump die Einverleibung anerkannt. Der syrische Vertreter fügte hinzu, eine »Besatzungsentität« könne laut Artikel 51 der UN-Charta kein Recht auf Selbstverteidigung in Anspruch nehmen. Ohne die doppelten Standards des Westens wären weder die Annexion des Golan noch die Ermordung Hanijas oder der Völkermord in Gaza möglich. Der Sprecher des Libanon erklärte, Ziel Israels sei es, seine Verbündeten in einen regionalen Krieg hineinzuziehen. Ähnlich urteilten Algerien, Guayana, Mosambik, Sierra Leone und der Irak, mehrfach wurde formuliert, die Region sei »am Siedepunkt«. China nannte die Ermordung Hanijas einen »eklatanten Versuch, die Friedensbemühungen zu sabotieren«. Dem schlossen sich Russland und der Iran an. Israel beschimpfte das Gremium wegen »Heuchelei« und verlangte schärfere Sanktionen gegen Teheran. In Brüssel erklärte am Donnerstag ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, die EU lehne Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren grundsätzlich ab.
In Teheran nahmen am Donnerstag Tausende Menschen an einer Trauerzeremonie für Hanija teil. Gleichzeitig erklärte die israelische Armee, sie habe nach einer Überprüfung Gewissheit, am 13. Juli den Militärchef der Hamas, Mohammed Deif, im Gazastreifen getötet zu haben. Bei dem Bombardement waren mehr als 90 Menschen ums Leben gekommen.
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