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Aus: Ausgabe vom 02.08.2024, Seite 4 / Inland
Genozid an den Jesiden

Ausreise verweigert

München: Delegation am Flughafen festgehalten
Von Annuschka Eckhardt
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Demonstranten fordern Abschiebestop für Jesiden (Potsdam, 20.6.2024)

Recep Tayyip Erdoğans langer Arm reicht bis zum Münchner Flughafen: Die Bundespolizei hinderte eine Gruppe von fünf Menschen am Dienstag an der Ausreise, die Teil einer Delegation in den Şengal im Nordirak waren. Dort wollten sie auf Einladung des Demokratischen Rates der Jesiden Şengal an den Gedenkveranstaltungen zum zehnten Jahrestag des Genozids an den Jesidinnen und Jesiden teilnehmen, der am 3. August 2014 durch den sogenannten Islamischen Staat begann.

Obwohl die Bundesregierung kürzlich den Genozid an den Jesiden als Völkermord anerkannt hatte, wurden die fünf Delegationsteilnehmer kurz vor ihrem Abflug von der Bundespolizei abgefangen und für sieben Stunden in Gewahrsam festgehalten. Anschließend verhängte die Polizei eine 30tägige Ausreisesperre gegen die fünf, die mit den außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland begründet wurde.

Luise Amtsberg, die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte, war vergangene Woche im Irak, um mit der kurdischen Autonomieregierung und der irakischen Zentralregierung über die Region Şengal zu sprechen, jedoch nicht vor Ort in Şengal selbst und ohne auch jesidische Vertreter zu konsultieren. In der BRD lebt die größte jesidische ­Diaspora außerhalb des Iraks, viele haben Angst, abgeschoben zu werden, denn seit dem 18. Juni sind Deportationen formell möglich.

Die Türkei bombardiert regelmäßig Şengal, darunter Schulen, Krankenhäuser und andere Einrichtungen. Zuletzt wurden am 8. Juli Journalisten bombardiert, die Interviews mit Überlebenden führten.

»Wir verurteilen das Vorgehen der Bundespolizei aufs schärfste«, sagte ­Çiçek Yildiz, Mitglied des Dachverbands der Êzidischen Frauenräte in Deutschland am Donnerstag gegenüber junge Welt. Es sei nicht neu, dass die Bundesregierung ihrem NATO-Partner Türkei wiederholt Zugeständnisse macht. »Erschreckend ist jedoch, dass die Êzîdinnen aus Şengal zehn Jahre nach dem Genozid erneut zum Verhandlungsgegenstand werden« so Yildiz.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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