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Aus: Ausgabe vom 02.08.2024, Seite 6 / Ausland
Lateinamerika

Streit um Wahlakten

Venezuela: USA und Verbündete scheitern vor Regionalorganisation. Von Opposition geschürte Unruhen ebben ab
Von Julieta Daza, Caracas
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Der größte Sturm scheint vorbei zu sein: Polizeistaffel und Wahlwerbung für Maduro (Caracas, 31.7.2024)

Die Auseinandersetzung um die jüngsten Präsidentschaftswahlen in Venezuela war auch am Donnerstag nicht beendet. Doch scheint sich das Alltagsleben in der Hauptstadt Caracas langsam wieder zu normalisieren. Am Mittwoch hatte die Regierung einen wichtigen Sieg errungen. Auf einer außerordentlichen Sitzung in Washington wollte sich die US-hörige Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) mit der »Wahlkrise in Venezuela« befassen. Dabei wurde von den USA und ihren Verbündeten eine Resolution vorgeschlagen, in der die venezolanische Wahlkommission CNE aufgefordert wurde, die vollständigen Ergebnisse der Wahlen unverzüglich zu veröffentlichen. Zudem wurde eine Überprüfung der Ergebnisse durch unabhängige Beobachter gefordert. Die Vorlage erhielt jedoch nicht die nötige Mehrheit.

Am Mittwoch morgen hatte Venezuelas wiedergewählter Präsident Nicolás Maduro vor dem Obersten Gerichtshof beantragt, im Fall der Cyberattacke gegen das automatisierte Wahlsystem, das in Venezuela benutzt wird, zu ermitteln. Diese hatte den Wahlprozess gestört und verlangsamt. Für ihn habe es sich dabei um einen versuchten Staatsstreich gehandelt. Wie der Staatschef bekanntgab, sei seine Vereinigte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) bereit, »100 Prozent aller Wahlakten« zu veröffentlichen. Über diese wird sowohl in Venezuela als auch im Ausland rege diskutiert. Es handelt sich um Protokolle, die von den Wahlmaschinen ausgedruckt werden, damit die Zeugen der verschiedenen Parteien, die laut Wahlrecht beim Wahlprozess anwesend sind, diese bestätigen und unterschreiben. Sie bekommen auch eine Kopie.

Am Dienstag hatte Oppositionsführerin María Machado auf X behauptet, die Zeugen ihres Wahlbündnisses »Gemeinsamer Demokratischer Tisch« verfügten über 73 Prozent aller Wahlakten, und diese bewiesen, dass ihr Spitzenkandidat Edmundo González Urrutia den Urnengang gewonnen habe. Am Mittwoch veröffentlichte sie ebenfalls auf X einen Link zu einer Website, auf der diese Wahlakten zu sichten seien. Die Echtheit kann jedoch nicht überprüft werden. Auch hat man keinen Überblick, wie viele Akten dort eigentlich hochgeladen worden sind. Außerdem werden manche Wahllokale trotz Eingabe der Ausweisnummer eines Wählers nicht angezeigt. Unterdessen ist die Website des CNE immer noch nicht aufrufbar, was mit genannter Cyberattacke begründet wird.

Ebenfalls am Mittwoch zitierte Telesur die Juristin Olga Álvarez. Sie betonte, dass »jeder, der der Meinung ist, dass es Fehler oder Betrug beim Wahlprozess gab, beim Obersten Gericht Einspruch erheben« könne. Der Soziologe Lautaro Rivara fügte am selben Tag auf dem Portal Diario Red hinzu, dass die Opposition auch internationale Instanzen einschalten könne, wenn sie Unregelmäßigkeiten beklage, aber an der Neutralität des Obersten Gerichts zweifle. Dies sei jedoch nicht in Erwägung gezogen worden. Man habe nicht einmal die endgültigen Ergebnisse abgewartet, für deren Veröffentlichung das CNE gesetzlich 30 Tage Zeit habe. Sofort habe die Opposition die Ergebnisse bestritten und zu Protest aufgerufen.

Für Álvarez handelt es sich dabei um einen »Krieg um die Köpfe«, der darauf abzielt, eine »parallele Realität in der kollektiven Vorstellung zu schaffen, um Frustration und Gewalt zu erzeugen«. Dabei spielen soziale Netzwerke und »Fake News« eine wichtige Rolle. Die von der rechten Opposition um Machado benutzte Losung »Venezuela libre« (»freies Venezuela«) sei in hohem Maße online verbreitet worden. Auch habe sich Machados Rechte Protestformen und Symbole angeeignet, die in der Geschichte Venezuelas und Lateinamerikas stets von Linken verwendet wurden: »Cacerolazos«, bei denen als Zeichen des Protestes auf Töpfe geschlagen wird, Barrikaden, Vermummte. Davon würden auch junge unzufriedene Menschen angezogen. Wie Maduro am Mittwoch hervorhob, habe die Opposition jedoch auch kriminelle Gruppen bezahlt, um Staatsbeamte und Basisaktivisten zu attackieren und öffentliche Gebäude zu verwüsten.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Paris (1. August 2024 um 22:32 Uhr)
    Auch in der jW wird nichts zur Rolle von Edmundo González in El Salvador berichtet. http://www.cubadebate.cu/especiales/2024/07/30/el-rostro-oculto-de-edmundo-gonzalez/ Das verborgene Gesicht von Edmundo González. Man kann die ruchlose Rolle nicht vergessen, die Edmundo González Urrutia in El Salvador gespielt hat, als er zusammen mit Botschafter Leopoldo Castillo, bekannt als El Matacuras, der zweite Mann an der venezolanischen Botschaft war. Dies geschah zwischen 1979 und 1985 im Rahmen des Condor-Plans in El Salvador und des vom Republikaner Ronald Reagan geförderten Projekts der Aufstandsbekämpfung gegen das salvadorianische Volk, um den Vormarsch der revolutionären Kräfte zu verhindern, da der Faktor, der den Bürgerkrieg verlängerte, die Intervention der USA war. Die Aufgabe von Botschafter Castillo und Edmundo Gonzalez bestand darin, Agenten des Todes zu sein. In den im Februar 2009 freigegebenen CIA-Dokumenten wird Castillo als Mitverantwortlicher für die Geheimdienste genannt, die die Operation Centauro koordinierten, finanzierten und den Befehl zur Durchführung erteilten. Diese Operation bestand aus einer Reihe gewaltsamer Aktionen der salvadorianischen Armee und von »Todesschwadronen« zur physischen Vernichtung religiöser Gemeinschaften, die sich um die Befreiungstheologie versammelt hatten und eine friedliche Verhandlungslösung für den Krieg anstrebten. In den Jahren, in denen Castillo und González die Botschaft leitete, ließen die Armee und die Kader 13.194 Zivilisten ermorden, darunter Oscar Arnulfo Romero, vier Maryknoll-Nonnen und Priester. Und obwohl er nicht mehr als Diplomat tätig war, arbeitete er immer noch als Berater der Geheimdienststrukturen (pentagonito), als die sechs Jesuiten und die beiden Mitarbeiterinnen am 16. November 1989 ermordet wurden. Die Verbrechen, die von der Leitung von Leopoldo Castillo und Kollaborateuren wie Edmundo González unterstützt wurden, gelten als »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« und sind daher unaufhebbar.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (1. August 2024 um 22:19 Uhr)
    Nach meinen Informationen hat Frau Machado 730 Prozent aller Wahlakten. die zurückhaltende Opposition in Venezuela untertreibt gerne.

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