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Aus: Ausgabe vom 02.08.2024, Seite 15 / Feminismus
Lage der Frauen im Sudan

Kriegswaffe Vergewaltigung

Sudan: Systematischer Einsatz sexualisierter Gewalt durch beide Kriegsparteien. Anstieg von Menschenhandel und Zwangsprostitution
Von Jakob Reimann
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Vertrieben im Sudan: Frauen und Kinder (Al-Faschir, Januar 2024)

Der Krieg trifft sie mit voller Wucht: Gegen Frauen und Mädchen im Sudan werden schwerste Verbrechen begangen, darunter Vergewaltigungen, Massenvergewaltigungen, Zwangsprostitution, Menschenhandel oder Zwangsverheiratungen, selbst von Mädchen. Dies wird in einem 95seitigen Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HWR) dokumentiert, der am vergangenen Sonntag veröffentlicht wurde und den Zeitraum seit dem erneuten Aufflammen des Konflikts im April 2023 umfasst. Im HRW-Bericht wurde insbesondere die Situation in der Hauptstadt Khartum seit Kriegsbeginn untersucht, heißt es dazu bei dpa, doch gebe es Berichte über sexualisierte Gewalt, Versklavung, Zwangsverheiratungen und Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen auch aus allen anderen Landesteilen, in denen Kämpfe stattfinden. Es solle daher »dringend eine zivile Schutztruppe« unter Leitung der Afrikanischen Union und der UN eingesetzt werden, fordert HRW.

Im April 2023 brach die Gewalt im seit Jahrzehnten von Krieg geplagten Sudan erneut aus, und es herrscht seitdem ein blutiger Machtkampf zwischen den Sudanese Armed Forces (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF). Die SAF bilden die regulären Streitkräfte des Sudan und werden von De-facto-Machthaber Abdel Fattah Al-Burhan kommandiert. Die RSF sind eine bis zu 100.000 Kämpfer umfassende paramilitärische Miliz unter der Kontrolle des Generals Mohammed Hamdan Daglo. Sie besteht maßgeblich aus Kämpfern der Miliz Dschandschawid, die sich im Darfur-Konflikt schwerster Verbrechen bis hin zu Genozid schuldig machten. Der aktuelle Krieg führte in knapp 16 Monaten zur Vertreibung von 10,7 Millionen Menschen innerhalb des Sudan sowie dazu, dass 2,1 Millionen Menschen außerhalb der Landesgrenzen Schutz suchten, so die am Dienstag geupdateten Zahlen der UN. Vier von fünf der Vertriebenen sind Frauen und Kinder. Fast 26 Millionen Menschen, mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung, leiden an Hunger. Im Sudan wütet damit die aktuell größte Hunger- und Vertreibungskrise der Welt.

»Es müssen sofortige Schritte unternommen werden, um den Schutz von Frauen und Mädchen zu gewährleisten«, hieß es bereits in einem Bericht von UN Woman im April. Der Konflikt »hat verheerende Auswirkungen«, insbesondere auf Frauen und Mädchen, heißt es dort. Diese »zahlen einen hohen Preis für diese Gewalt und sind die Hauptleidtragenden einer humanitären Krise, die für die Welt weitgehend unsichtbar bleibt«. Es häuften sich Berichte über zunehmende partnerschaftliche und familiäre Gewalt, was oft eine Folgeerscheinung in Gesellschaften in Kriegsländern ist. Auch sexualisierte Ausbeutung, genau wie Menschenhandel, nehmen zu. Beide Kriegsparteien werden schwerer Formen geschlechtsspezifischer Gewalt beschuldigt. »Vergewaltigungen und sexualisierte Gewalt« gegen Frauen werden systematisch »als Kriegswaffe« eingesetzt, heißt es in der monatlichen Erklärung von 19 Frauenrechtsorganisationen, die am Mittwoch erschienen ist. Auch sei die Müttersterblichkeit durch den Krieg angestiegen.

Die wirtschaftlichen Verheerungen des Krieges »haben die Frauen weiter an den Rand gedrängt, ihnen die Möglichkeit genommen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten«, so dass viele Frauen sich zur Ausübung von Sexarbeit gezwungen sehen, »um ihre Familien zu unterstützen«, heißt es bei UN Woman. »Frauen in einer vom Krieg zerrissenen sudanesischen Stadt werden zum Sex im Austausch gegen Lebensmittel gezwungen«, titelte auch der Guardian vergangene Woche. Die britische Gazette schildert die Schicksale Dutzender Frauen in Omdurman, der zweitgrößten Stadt des Landes, die zu arm waren, um vor den heftigen Kämpfen insbesondere in die nur durch den Nil getrennte Hauptstadt Khartum zu fliehen. Sex an die Soldaten der SAF zu verkaufen sei »die einzige Möglichkeit« gewesen, »um ihre Familien zu ernähren«, heißt es dort. Viele seien auch durch direkte körperliche Gewalt zum Sex gezwungen und von Soldaten misshandelt worden, wenn sie sich ihnen verweigerten. Andere berichten, dass sie für den Zugang zu verlassenen Häusern, in denen sie nach Wertsachen suchen wollten, die Soldaten mit Geschlechtsverkehr bezahlten. »Ich bin keine Diebin«, sagte eine der Frauen voller Scham. »Was ich durchgemacht habe, ist unbeschreiblich … Ich habe es nur getan, weil ich meine Kinder ernähren wollte.«

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