Krimkrieg 2.0
Von Reinhard LauterbachWenn die ukrainischen Meldungen darüber zutreffen, dass es der Ukraine am Freitag gelungen sei, ein im Hafen von Sewastopol liegendes U-Boot der russischen Schwarzmeerflotte nach einem ersten Treffer im September 2023 nun endgültig zu versenken, dann ist das eine weitere spektakuläre Niederlage Russlands zur See. Das jetzt womöglich versenkte U-Boot war eines von zuletzt noch fünf. Es hatte unter anderem dazu gedient, von See aus die gefürchteten Marschflugkörper des Modells »Kalibr« auf Ziele in der Ukraine abzufeuern.
Kein Wunder, dass amtliche Kommentare von russischer Seite bis zum Sonntag ausgeblieben sind. Denn die Verlustserie, die seit Kriegsbeginn bereits ungefähr 30 Prozent des Schiffsbestands der Schwarzmeerflotte betroffen hat, trifft Russland paradoxerweise bei der Teilstreitkraft, die zu Kriegsbeginn die drückendste Überlegenheit besaß: der Marine. Es gibt Hinweise, dass das Flottenkommando sich dadurch in falscher Sicherheit gewiegt hat.
Während die russische Landarmee – wenn auch womöglich unter hohen Verlusten – an den Fronten ein Dorf nach dem anderen erobert und die russische Luftwaffe nach wie vor den Luftraum über dem Kampfgebiet beherrscht, hat die Schwarzmeerflotte ihre kampfkräftigsten Einheiten schon 2023 von der Krim zurückgezogen. Sie ankern jetzt in Noworossijsk und anderen Häfen weiter im Osten, entfernt von der Krim und schwerer zu erreichen für ukrainische Seedrohnen. Man kann es auch so sagen: Die Krim ist für Russland in der Funktion, die sie seit jeher hatte und die wahrscheinlich das ausschlaggebende Argument für die Besetzung der Halbinsel 2014 war, heute wertlos: als Stützpunkt der Flotte.
Die Schwächung der russischen Schwarzmeerflotte ist eine »Gemeinschaftsleistung« der Ukraine und ihrer westlichen Alliierten: Vor allem Großbritannien hat sich der Wiederaufrüstung der ukrainischen Marine mit kleinen Einheiten, Schnellbooten und Seedrohnen, verschrieben. Das strategische Ziel dieser Maßnahme liegt auf der Hand: Russland den »Sprung über den Dnipro« und den Vorstoß bis nach Odessa so schwer wie möglich – wenn nicht gleich unausführbar – zu machen. Russland soll auf seine Heimatbasen an der Nordostküste des Schwarzen Meeres zurückgedrängt werden, die Kontrolle über die Nordküste soll ihm verwehrt werden. Zur Erinnerung: Mit den NATO-Staaten Rumänien, Bulgarien und der Türkei beherrscht das westliche Bündnis bereits das West- und Südufer des Schwarzen Meeres. Georgien, zu dem die Ostküste gehört, ist ein ständiger Kandidat für prowestliche Regimewechsel. Und die Türkei arbeitet am Bau eines Umgehungskanals zum Bosporus nordwestlich an Istanbul vorbei. Dessen wesentlicher Vorteil aus westlicher Sicht: Für ihn gilt nicht das Meerengenabkommen von 1936, das die Durchfahrt von Kriegsschiffen von Nichtanrainerstaaten in Kriegszeiten ausschließt.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Michael S. aus Bonn (5. August 2024 um 12:13 Uhr)Eine solche Aufstellung ist natürlich unvollständig, wenn man sich nicht den Schiffsbestand der Ukraine anschaut. Wenn es ihn noch gäbe, würde er den gleichen Risiken ausgesetzt sein, bzw. war es bis zur Versenkung. Ob Erfolgsmeldungen zutreffen, insbesondere bei luftgestützten Angriffen, für die seitens Russlands in der Regel mehr Luftabwehr verfügbar ist als auf der Gegenseite, ganz unbenommen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (5. August 2024 um 08:52 Uhr)Ergänzt werden - als Grund für die hohe Verlustrate bei russischen Schiffen und Flugzeugen am und im Schwarzen Meer - müsste hier noch die hochauflösende militärische Aufklärung der USA und der NATO. Deren Aufklärer patrouillieren ständig über dem Schwarzen Meer. Und sobald ein russisches Schiff oder Flugzeug zu einer Übung startet oder an einen anderen Standort verlegt werden muss, kann seine Position sofort an die Ukrainer übermittelt werden. Diese müssen dann nur noch die Zielkoordinaten für ihre - ebenfalls vom Westen gelieferten - Raketen und Drohnen übernehmen und abdrücken. Die Dezimierung der russischen Schwarzmeerflotte beruht also nicht auf einem ukrainischen Genius, sondern auf der Vorarbeit des westlichen Militärs für die Ukraine.
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