75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Donnerstag, 19. September 2024, Nr. 219
Die junge Welt wird von 2939 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 05.08.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Tiefseebergbau

Wettlauf um Rohstoffe

Internationale Meeresbodenbehörde wählt neue Generalsekretärin. Vorerst keine eindeutige Ausrichtung bei Tiefseebergbau. Ein Kodex hierzu könnte 2025 kommen
Von Jörg Kronauer
9.jpg
Am Bohrschiff »Hidden Gem« (Verborgenes Juwel) wurde bereits gegen die Ausbeutung des Meeresbodens protestiert

Der Streit um den Tiefseebergbau geht weiter. Die diesjährige Vollversammlung der Internationalen Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) brachte dazu nun gemischte Ergebnisse. Am Freitag ging die Konferenz in Jamaikas Hauptstadt Kingston zu Ende. Das Treffen wies Forderungen entschlossener Gegner des Tiefseebergbaus zwar zurück, verhinderte aber auch einen Durchmarsch seiner uneingeschränkten Befürworter.

Nicht einigen konnte oder wollte sich die Vollversammlung auf ein Moratorium für den Abbau metallischer Rohstoffe wie Kobalt, Kupfer, Nickel und Mangan, die beispielsweise in Form sogenannter Manganknollen auf dem Meeresboden lagern, in vielen Fällen mehrere tausend Meter unter der Wasseroberfläche. Der Forderung nach einem Moratorium, die Umweltschutzorganisationen schon seit langem stellen, haben sich mittlerweile immerhin 32 ISA-Mitgliedstaaten in der einen oder anderen Form angeschlossen. Neben der Bundesrepublik waren das etwa Frankreich und Großbritannien, aber auch einige Pazifikstaaten wie Fidschi, Samoa und Vanuatu. Das reichte in Kingston aber nicht aus.

Andererseits sind Versuche gescheitert, den seit 2016 amtierenden ISA-Generalsekretär Michael Lodge auf seinem Posten zu halten. Der Brite gilt als zu allem entschlossener Befürworter eines baldigen Einstiegs in den Tiefseebergbau. Nicht zuletzt Pazifikstaaten, darunter Kiribati und Nauru, hatten sich für Lodge starkgemacht. Nauru treibt gemeinsam mit dem in Kanada ansässigen Unternehmen The Metals Company die Erkundung von Rohstoffen in der westlich von Mexiko im Pazifik gelegenen Clarion-Clipperton-Bruchzone voran und hofft, mit dem Tiefseebergbau seine mageren Finanzen aufbessern zu können. Lodge unterlag am Freitag in der Wahl zum künftigen ISA-Generalsekretär jedoch der Brasilianerin Leticia Carvalho klar mit nur 34 gegen 79 Stimmen.

Carvalho wiederum gilt zwar nicht als prinzipielle Gegnerin des Tiefseebergbaus, aber als Befürworterin eines umsichtigen Vorgehens. Das könnte schon in Kürze relevant werden: Die The Metals Company erwägt, noch dieses Jahr eine Lizenz zum Rohstoffabbau in der Clarion-Clipperton-Bruchzone zu beantragen. Dann müsste entschieden werden. Das Problem: Es gibt zwar bereits einen Kodex zur Erkundung der Tiefseerohstoffe, aber noch keinen zu ihrem Abbau; ein solcher könnte im kommenden Jahr verabschiedet werden. Die neue ISA-Generalsekretärin Carvalho ließ durchblicken, sie halte die Erteilung einer Förderlizenz vor der Verabschiedung eines Kodexes für falsch. The Metals Company wird sich wohl noch gedulden müssen.

Die politischen Interessen hinter der Auseinandersetzung sind widersprüchlich. Einerseits wies etwa der britische Economist kürzlich darauf hin, dass China derzeit mit fünf Erkundungslizenzen über mehr verfügt als jedes andere Land. Die Volksrepublik könnte zudem versucht sein, mit Höchstgeschwindigkeit in den Rohstoffabbau am Meeresboden einzusteigen, um von Sanktionen und sonstigen Repressalien des Westens unabhängiger zu werden. Zugleich waren aber auch Stimmen aus den Vereinigten Staaten zu vernehmen, man solle wegen der starken Position, die China bei Förderung und Aufbereitung mehrerer Rohstoffe innehat, den eigenen Bedarf stärker aus dem Tiefseeabbau decken.

Davon unabhängig hat Norwegen dem Tiefseeabbau grünes Licht gegeben – in seinen nationalen Hoheitsgewässern. Im Januar fiel der dazu nötige Beschluss im Parlament; Ende April lud die norwegische Regierung Unternehmen ein, potentielle Fördergebiete zu benennen, für die sie sich interessieren. Prinzipiell geht es um ein Gebiet, das rund 280.000 Quadratkilometer umfasst – etwa drei Viertel der Fläche der Bundesrepublik. Unter Dach und Fach ist die Sache aber wohl noch nicht: Der WWF hat gegen den Abbau geklagt, und er kann sich unter anderem darauf stützen, dass Norwegens Umweltbehörde ebenfalls Bedenken angemeldet hat. Dies steht einem raschen Förderbeginn noch im Wege.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marian R. (5. August 2024 um 12:00 Uhr)
    Der letzte (größtenteils) unerforschte und unausgebeutete Bereich der Erde ist die Tiefsee. Sie ist die Basis der Meere, diese wiederum sind Ursprung des Lebens. Wer also sein Fundament untergräbt - muß daran zu Grunde gehen. Eine Schande, daß China als sozialistischer Staat diesem Irrsinn durch Erkundungslizenzen Vorschub gewährt. Dem Konsumwahnsinn des Kapitalismus wird - wenn auch nachholend - leider auch dort gehuldigt. Diesen Fehler machte z.T. schon die DDR - und ging daran ökonomisch und ideologisch kaputt. Sozialismus ist kein (anderer) Konsumkapitalismus!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (4. August 2024 um 23:32 Uhr)
    Wen wundert's? Den Norwegern grausts vor garnix, die stellen den NATO-Generalsekretär, pumpen das aus ihrem ansonsten unbrauchbaren Erdgas enfernte Kohlendioxid zurück unter den Meeresboden, erteilen neue Lizenzen für siebzig Gasfelder in der Arktis und wollen blauen Wasserstoff an Robbi sein Wirtschaftsreich verkaufen. Das nenne ich Energiewende und nachhaltiges wirtschaften! Positiv formuliert: Die sind die ideale Verkörperung des Wertewestens. Man könnte auch die Strategie der Versager ins Feld führen: Kooperation statt Konfrontation und über die Nutzung von begehrten Rohstoffen verhandeln (Banausen reden von »Diplomatie«), dann bräuchte man keinen Tiefseebergbau. Kooperation funktioniert aber nicht, weil sie nicht Bestandteil des westlichen Wertekanons ist. Unterordnung wird dort nur so genannt. Näheres beim Wahrheitsministerium.

Mehr aus: Kapital & Arbeit