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Aus: Ausgabe vom 05.08.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Verschärfte Ausbeutung

Israel wirbt indische Arbeiter an

Versperrter Zugang: 10.000 Arbeitskräfte sollen alleine im Bausektor Palästinenser ersetzen
Von Thomas Berger
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Der israelische Staat hat in Indien 10.000 Arbeitskräfte für den Bausektor angefordert

Da die israelische Regierung den Zugang für palästinensische Arbeiter stark reglementiert hat, geraten einige Sektoren der Wirtschaft in Bedrängnis. Diese setzt nun auf Arbeitsmigration aus Indien: allein im April und Mai hatten 6.000 indische Arbeitsmigranten der Nachrichtenagentur PTI zufolge das Land verlassen, um im israelischen Bausektor zu arbeiten. Das Einwanderungsprogramm für indische Arbeitskräfte sei mit dem Büro von Premierminister Benjamin Netanjahu sowie dem Bau- und Finanzministerium abgestimmt, hatte die israelische Regierung erklärt. Allein für den Bausektor habe Israel insgesamt 10.000 Arbeitskräfte angefordert.

Schlechtbezahlte Erwerbsarbeit wurde in Israel bislang vor allem Palästinensern überlassen. So lag ihr Anteil im Baugewerbe zuletzt bei etwa 60 Prozent, in der Landwirtschaft bei knapp 25 Prozent der Beschäftigten. Seit der Attacke auf Israel vom 7. Oktober und dem darauf folgenden Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung in Gaza hat auch die Repression im besetzten Westjordanland zugenommen. Israel lässt kaum noch palästinensische Arbeiter über die Grenze. Auch Rückholaktionen von Ländern wie Thailand rissen Löcher in die Personaldecke vieler Betriebe.

So geraten nun Baustellen in Verzug, während auf Obstplantagen die erntereifen Früchte teilweise am Baum verfaulen. Oren Lavi, Generaldirektor im Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, sprach in der Knesset gar von der größten Krise für den israelischen Agrarsektor seit der Staatsgründung 1948. Anfang April berichtete ein Mitglied einer landwirtschaftlichen Kooperative unweit des Gazastreifens gegenüber der spanischen Zeitung El País von einer »dramatischen Situation«.

Indische Arbeitsmigration in die Region existiert seit den 1960er Jahren, etwa in die Golfstaaten. Die meisten Angeworbenen verpflichten sich gleich für mehrere Jahre, in der Regel ohne Chance auf einen Heimatbesuch zwischendurch. Ihr Lohn unterstützt dabei ganze Familien am Herkunftsort. Sie werden auf großen Baustellen in Großstädten eingesetzt, Frauen aus ganz Südasien arbeiten als Hausangestellte in der Region und werden häufig Opfer verschärfter Ausbeutung und Misshandlung. Der Anteil der muslimischen Minderheit ist groß, wohl nicht zuletzt aufgrund der rassistischen Ausgrenzung in Indien. Im Falle Israels ist das anders: Einem Bericht von Tagesschau.de zufolge werden teilweise ausschließlich Hindus für den Arbeitseinsatz in Israel angeworben.

Dort erleben sie nun eine zugespitzte Lage. Im März starb etwa ein indischer Arbeiter bei einem Raketeneinschlag im Norden. Doch auch die verschärfte Ausbeutung allein, von der sonst besonders Palästinenser betroffen sind, sorgt für Unmut, berichtete Tagesschau.de. Der Vorsitzende des indischen Gewekrschaftsdachverbands CITU kritisierte demnach, der indische Staat entledige sich durch die Verschickung von Arbeitskräften seiner Verantwortung und mache sich mitschuldig an der Behandlung der Palästinenser.

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