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Aus: Ausgabe vom 06.08.2024, Seite 4 / Inland
Krise in Nahost

Nibelungentreue zu Israel

CDU-Politiker: Bundeswehr soll im Bündnis mit den USA iranische Angriffe auf den zionistischen Staat abwehren
Von Philip Tassev
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Deutsche Kampfjets sollen Israel schützen, so CDU-Mann Kiesewetter (Nörvenich, 20.8.2020)

Wenn Israel in Westasien zündelt und mit Attentaten auf Hamas- und Hisbollah-Führer kurz davor steht, die ganze Region in einen umfassenden Krieg zu stürzen, darf die BRD nicht fehlen. So sieht das zumindest CDU-Sturmgeschütz Roderich Kiesewetter. Der wurde am Sonntag im Spiegel mit der Forderung zitiert, die Bundeswehr solle sich an einer von den USA angeführten »Schutzkoalition« für den zionistischen Staat beteiligen. »Angesichts der drohenden iranischen Attacke muss die Bundesregierung endlich aufwachen und Israel auch militärischen Beistand zur Abwehr anbieten«, so der für seine aggressive außenpolitische Linie hinlänglich bekannte Oberst a. D. Für »denkbar« hält er etwa »die Betankung von Kampfjets befreundeter Nationen, aber auch der Einsatz von eigenen ›Eurofightern‹ der Bundeswehr, zum Beispiel zur Abwehr von iranischen Drohnen«.

Am Montag legte Kiesewetter im Deutschlandfunk nach. Angesichts der »Bedrohung durch Iran« und dessen »drei Arme«, der palästinensischen Hamas, der libanesischen Hisbollah und den jemenitischen Ansarollah (»Huthis«) und vagen Drohungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan müsse die Bundesregierung »vorausschauende Krisenprävention« leisten und »proaktiv vorbereitet sein«, Israel militärischen Beistand zu leisten, sollte es aus Tel Aviv eine entsprechende Anfrage geben. Die Ursachen und Hintergründe der »Krise« wurden in dem zehnminütigen Interview nicht ein einziges Mal erwähnt. Keine Rede von den Mordanschlägen auf den Hisbollah-Kommandeur Fuad Schukr am 30. Juli in der libanesischen Hauptstadt Beirut oder auf Hamas-Chef Ismail Hanyeh einen Tag später in Irans Hauptstadt Teheran, ganz zu schweigen von der jahrzehntelangen Unterdrückung der Palästinenser. Dafür reichlich Gerede von »Staatsräson« und dem »Schutz der israelischen Bevölkerung«.

Am 1. April hatten israelische Kampfflugzeuge in Missachtung des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen die iranische Botschaft in Syriens Hauptstadt Damaskus bombardiert und 16 Menschen getötet, darunter hochrangige Offiziere der Islamischen Revolutionsgarden.

Der Iran reagierte darauf zwölf Tage später mit einem Angriff auf israelische Militärstützpunkte. Die über 300 dabei eingesetzten Raketen, Kamikaze-Drohnen und Cruise-Missiles wurden nach westlichen Angaben zum Großteil abgefangen, bevor sie ihre Ziele erreichten. Beteiligt waren daran neben israelischen auch US-Truppen, die britische Royal Air Force, französische Einheiten und die Luftwaffe Jordaniens. Die deutsche Luftwaffe, die im Rahmen der »Anti-IS-Koalition« einen Stützpunkt im jordanischen Al-Asrak unterhält, war in die Abwehr des iranischen Angriffs mit der Luftbetankung von britischen und französischen Flugzeugen zumindest indirekt involviert.

Nach Kiesewetters Ansicht darf es bei solchen Halbheiten nicht bleiben: »Wir können nicht einerseits von Israels Sicherheit als Staatsräson sprechen und dann von der Seite kommentieren.« Es gelte daher »in enger Abstimmung mit Israel, mit den USA zu prüfen, was im Falle eines Angriffs geleistet werden kann«. Der bekennende Transatlantiker wollte gegenüber dem Deutschlandfunk allerdings nicht eingestehen, dass sich die BRD mit der direkten Bekämpfung von iranischen Zielen möglicherweise zur Kriegspartei macht. Es gehe nur darum, eine »Ausweitung des Konflikts oder gar (!) eine Zerstörung israelischer Einrichtungen« zu verhindern.

Auch der sogenannte Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hält »ein militärisches Eingreifen durch die Bundeswehr nach Artikel 51 der UN-Charta« für »eindeutig gerechtfertigt«, wie er am Sonntag den Zeitungen der Funke-Gruppe sagte. »Falls es zu einem Angriff des Iran auf Israel kommt und die israelische Regierung eine Bitte um militärische Unterstützung an Deutschland richtet, sollten wir uns dieser nicht verschließen.«

Nun dürfte der von den USA hochgerüstete zionistische Staat nicht auf deutsche Militärhilfe angewiesen sein. Es könnte aber aus israelischer Sicht durchaus einen gewissen politischen Nutzen haben, die BRD in einen Konflikt mit dem Iran hineinzuziehen. Umgekehrt geht es solchen Figuren wie Klein oder Kiesewetter vor allem sowohl um die Demonstrierung ihrer Nibelungentreue zu Israel (und den dahinterstehenden USA) als auch um die Positionierung der BRD als Großmacht auf der Weltbühne.

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