75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Donnerstag, 19. September 2024, Nr. 219
Die junge Welt wird von 2939 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 06.08.2024, Seite 8 / Inland
Naturschutz von unten

»Ein Protestcamp ist kein Selbstzweck«

Bayern: Klimacamp Augsburg unterbricht nach vier Jahren Dauerdemonstration. Ein Gespräch mit Ingo Blechschmidt
Interview: Fabian Linder
imago0259807099h.jpg
Seit Juli 2021 kampierten am Rathausplatz in Augsburg Aktivisten fürs Klima (Juni 2023)

In Augsburg gab es bis Ende Juli ein Klimacamp mit Dauerdemonstration. Diese wurde nach mehreren Jahren beendet. Wie ist der aktuelle Stand?

Wir haben die Versammlung für pausiert erklärt, was nach dem Versammlungsgesetz möglich ist. Der Klimaaktivismus in Augsburg wird zunächst andere Formen annehmen.

Sie haben das Camp mehr als vier Jahre lang betrieben. Warum gibt es jetzt eine Pause?

Ausschlaggebend war die vorübergehende Schließung und Sanierung des Rathauses und der damit einhergehende Umzug der Lokalpolitik in verschiedene Gebäude im Stadtgebiet. Es gibt nicht mehr den einen Ort, von dem aus wir die Lokalpolitik adressieren können. Hinzu kommt, dass wir bei der Klimakonferenz Mitte Juli eine Bürgerinitiative aus Reichling am Ammersee kennengelernt haben, die drohende Erdgasbohrungen durch einen multinationalen Konzern abzuwenden versucht. Wir wollen die Pause auch nutzen, indem wir die Menschen in Reichling unterstützen.

Welche Bilanz ziehen Sie?

Das ist nicht einfach zu beantworten. Wir haben Aufmerksamkeit für Klimagerechtigkeit erzeugt. Ein sichtbares Resultat ist, dass viele Initiativen und Projekte aus dem Camp heraus entstanden sind. Etwa die Waldbesetzung bei Ravensburg, wo der größte zusammenhängende Wald der Region Bodensee-Oberschwaben liegt. Ein weiterer Erfolg, für den ich um Haaresbreite für vier Wochen ins Gefängnis gegangen wäre, war die Rettung von Forst Kasten bei München. Die Stadt wollte den Wald roden. Von uns ging die Initiative für die Besetzung aus. Die erste Waldbesetzung in Bayern. Es wurde zwar schnell geräumt, dennoch hat das für ein Umdenken in der Münchner Politik gesorgt.

Auf lokaler Ebene sind zwei Dinge zu nennen: Wir haben zusammen mit der älteren Umweltschutzbewegung einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit der Stadt für ein durchgängiges Radwegenetz geschlossen und erreicht, dass die Stadt Augsburg unsere Forderung zum CO2-Restbudget übernommen hat. Das ist ein wichtiger Beschluss, der progressiven Teilen des Stadtrats helfen kann. Noch fehlt es allerdings an Maßnahmen, um diesen Beschluss umzusetzen. Die Stadt hat sich das zum Ziel gesetzt, kümmert sich aber nicht darum, es zu erreichen.

Haben Sie die Stadtgesellschaft mit Ihren Anliegen erreicht?

In der Tat. Wir waren direkt im Zentrum neben dem Rathaus und haben unzählige Gespräche mit Passanten geführt. Sowohl mit Leuten, die den Ernst der Lage schon verstanden haben als auch mit Menschen, die die Klimakrise leugnen. Letzteres hat allerdings zum Ende stark abgenommen. Am Schluss waren es vor allem Menschen, die die Existenz der Klimakrise anerkennen, aber keine Lösungen sehen. Aus diesen Gesprächen haben wir eine Menge mitgenommen.

Wie haben Sie die letzten Tage im Camp genutzt?

Wir haben eine neue Kampagne mit dem Namen »Augsburg werbefrei« gestartet. Unser Ziel ist, aggressive kommerzielle Außenwerbung aus dem Stadtgebiet zu verbannen. Städte wie São Paulo in Brasilien oder Bergen in Norwegen sind hier Vorreiter. Wir finden es bedenklich, dass große Konzerne mit ihren PR-Kampagnen künstlich Nachfrage schaffen für ihre klimaschädlichen Produkte. In einer Stadt, die den Anspruch hat, klimafreundlich zu werden, hat das nichts verloren. Es ist außerdem seltsam, dass wir Konzernen so viel Gestaltungsmacht über den öffentlichen Raum geben. Das ist kein demokratisches Gremium, das entscheidet, welche kulturellen Veranstaltungen beworben werden. Wer das Geld hat, darf die Werbeflächen nutzen.

Sie waren Vorbild für mehr als 50 Klimacamps bundesweit. Wie wird das Ende der Dauerdemonstration dort aufgenommen?

Wir haben viele Abschiedsgrüße erhalten. Andere Städte haben das bereits vor längerer Zeit durchgemacht und standen vor der Entscheidung, Camps zu pausieren oder zu beenden. Manche haben unzählige Stunden dort verbracht. So ein Protestcamp ist aber kein Selbstzweck. Das Ziel ist wirkungsvoller Aktivismus. Wegen mehrerer Faktoren erschien es uns zuletzt nicht mehr angemessen, das Camp weiterzuführen.

Ingo Blechschmidt ist Mitinitiator des Augsburger Klimacamps

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche: