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Wenn es Gott werden muss

Von Pierre Deason-Tomory
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Hier sendet der Chef noch selbst: Rainer Maria Kardinal Woelki (r.)

Das katholische Domradio in Köln befürchtet eine feindliche Übernahme durch den örtlichen Erzbischof. Kardinal Rainer Maria Woelki will den Sender vom Bildungswerk der Diözese an eine gemeinnützige GmbH weiterreichen, was »die Möglichkeiten der Einflussnahme« durch das Erzbistum weiter vergrößern würde, sorgt sich der Programmbeirat in einem Brief an die Landesmedienanstalt NRW. Woelki ist bei seinen Laien umstritten, gilt als erzreaktionär, was die Ordination schwuler Priesterinnen betrifft, beim Umgang mit Kinderschändern dagegen als liberal. Das Domradio Köln gibt es seit 2000, es breitet sich schleichend aus. Inzwischen kann man Gottes Wort auch in Fulda und Pulheim auf UKW hören, in Nordrhein-Westfalen und Berlin-Brandenburg landesweit auf DAB-Plus. Das ist beruhigend. Dass öffentliche Frequenzen an eine Gruselsekte verteilt werden, deren Mitglieder Blut saufen, Waffen segnen und Mörder heiligsprechen, ist ein weiterer Beleg dafür, wie robust die Pressefreiheit in unserer Republik ist.

In den Programmvorschlägen hätten wir zunächst einen Stummfilmklassiker, »Die Spinnen« von Fritz Lang, von Michael Farin zum Hörspiel verarbeitet (DLF 2004, Di., 20.10 Uhr). In »Hallo, hallo! Hier Radio Wien« geht es zurück zum Anfang der österreichischen Rundfunkgeschichte, die am 1. Oktober 1924 begann; zu hören sind Tondokumente, die bis 2017 verschollen waren (Mi., 21 Uhr, Ö 1). Am Freitag morgen liest Mechthild Grossmann die Erzählung »Ein Hungerkünstler« von Franz Kafka (8.30 Uhr, NDR Kultur). Eine Podiumsdiskussion im Vorfeld der ersten Bundestagswahl 1949 hat HR 2 Kultur ausgegraben, in »Wähler fragen – die Parteien antworten« treten u. a. an: Adolph Arndt (SPD), Heinrich von Brentano (CDU) und von der vorübergehend nicht verbotenen KPD Walter Fisch, der später auch in der BRD weggesperrt wurde (Sa., 14 Uhr). Zur selben Zeit läuft auf Radio 3 »Die Geschichte von den vier Werkzeugmachern«, die Volker Braun DDR-Arbeiter erleben ließ, die »nicht viel verloren haben, aber etwas Unvergessliches, das nicht wieder zu kaufen war« (Deutschlandradio, ORB, SFB 1999, Sa., 14 Uhr).

Am Samstag abend wird vom Rossini Opera Festival Pesaro des Meisters Melodram »Bianca e Falliero« übertragen, aufgenommen am Mittwoch vom Orchestra Sinfonica Nazionale della RAI unter Leitung von Roberto Abbado (19.05 Uhr, DLF Kultur). Etwas später der Hörspielklassiker »Alberts Brücke« von Tom Stoppard; er handelt von einem, der auszog, für den Rest seiner Tage eine Brücke anzustreichen (SRF 1968, Sa., 20 Uhr, SRF 2 Kultur). Der Weimarer Oxford-Jurist und Privatgelehrte Ettore Ghibellino löst in der Klassikerstadt gerne Saalschlachten aus mit der These, Goethe hätte ein Techtelmechtel mit Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Arschderwelt gehabt. Man wird ihn eines Tages auf dem Theaterplatz auspeitschen. Seinerzeit bezichtigte Gottlob Freiherr von Stein seine Gattin Charlotte, es heimlich mit dem Geheimrat getrieben zu haben. »Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe«, mitgeschrieben von Peter Hacks und nachgesprochen von Christa Berndl, sorgt für Aufklärung (BR 1982, So., 17.04 Uhr, SR 2). »Der Fall Westfield« wird aufgeklärt von Paul Temple alias Francis Durbridge, erstmals in deutscher Sprache (Pidax Film 2022, So., 18.05 Uhr, Bremen 2). Schließlich sieht das »Zeitfragen-Feature« die CDU am Scheideweg und fragt bange: »Wie lange hält die Brandmauer zur AfD?« Gegenfrage: Was, wenn schon das Dach brennt? (Mo., 19.30 Uhr, DLF Kultur)

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

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