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Aus: Ausgabe vom 07.08.2024, Seite 7 / Ausland
Russland

Plante Ukraine Anschlag auf Putin?

Russland veröffentlicht entsprechende Vorwürfe. Indirekte Bestätigung aus den USA
Von Reinhard Lauterbach
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Wladimir Putin am »Tag der russischen Marine« in Sankt Petersburg (28.7.2024)

Russland hat nach eigenen Angaben im Juli die USA veranlasst, ukrainische Pläne für einen Anschlag auf Präsident Wladimir Putin zu stoppen. Vizeaußenminister Sergej Rjabkow sagte am Montag im staatlichen Fernsehsender Rossija 1, Verteidigungsminister Andrej Belo­usow habe am 12. Juli seinen US-Kollegen Lloyd Austin angerufen. Dabei habe er mitgeteilt, dass Russland von solchen ukrainischen Vorbereitungen Wind bekommen habe, und ihm »in harscher Form« klargemacht, dass Washington seinen Einfluss auf Kiew nutzen solle, dies zu verhindern. Das Attentat auf Putin und Belousow sei für den Tag der russischen Marine am 28. Juli geplant gewesen, als beide Politiker in St. Petersburg eine Flottenparade abnahmen.

Einige Indizien bestätigen, dass an der Sache etwas mehr dran sein kann als pure Spekulation. Zum einen sagte der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes GUR, Kirilo Budanow, am 13. Juli – also einen Tag nach dem mutmaßlichen Gespräch der beiden Verteidigungsminister – im ukrainischen Fernsehen, sein Dienst habe Pläne für eine Beseitigung Putins entwickelt und tue dies weiter, aber alle bisherigen Versuche seien fehlgeschlagen. Man arbeite weiter daran. Zum anderen berichtete am 26. Juli die New York Times über die Tatsache des Gesprächs zwischen Belousow und Austin sowie den allgemeinen Inhalt der Unterhaltung. Natürlich bestritten alle von der NYT unter dem Siegel der Anonymität interviewten US-Beamten, dass die USA von solchen Plänen gewusst hätten, geschweige denn hätten sie sie gebilligt.

Auffällig ist an dieser Stelle aber das Timing des Artikels der Times, nämlich zwei Tage vor dem angeblich geplanten Anschlag. Da solche Informationen selten ohne die Beteiligung offizieller Hinweisgeber veröffentlicht werden, bedeutete das Datum der Veröffentlichung faktisch das Signal von seiten der USA an die Ukraine: Wir wissen Bescheid und distanzieren uns. Wenn ihr was macht, tut ihr es auf eigene Gefahr.

Budanows GUR ist von den ukrainischen Geheimdiensten derjenige, der sich »die Hände schmutzig macht«. Er ist weniger für die Informationsgewinnung zuständig, als dass er Angriffe und Anschläge im russischen Hinterland organisiert, am spektakulärsten bisher der Versuch im Oktober 2023, die Krimbrücke durch einen explodierenden Lkw zu zerstören. Wenige Tage später begann Russland seine systematischen Angriffe auf ukrainische Kraftwerke.

Dass Russland die Sache jetzt öffentlich gemacht hat, signalisiert der Ukraine, dass Moskau und Washington nach wie vor in dringenden Fällen im Gespräch sein können. Und dass Russland es vorzieht, seine Probleme mit der Führungsmacht Kiews zu lösen – in Gesprächen sozusagen mit dem Koch statt mit dem Kellner. Dass wiederum in den USA die Angelegenheit kurz vor dem geplanten Datum des Anschlags veröffentlicht worden ist, macht deutlich, dass auch in den USA ein gewisses Interesse an Gesprächsfäden zu Russland vorhanden ist. Gleichzeitig zeigt es, dass auch manchen in Washington das Risiko einer unkontrollierten Eskalation bewusst ist – ein Risiko, das die Ukraine, der es um ihre politische Existenz geht, bewusst eingeht. Kiew hat nichts zu verlieren.

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