Berlin auf Partnersuche
Von Jörg KronauerEs ist in gleich mehrfacher Hinsicht ein spezielles Ereignis, an dem die deutsche Luftwaffe in diesen Tagen zum Abschluss ihrer zweimonatigen Manöverreise rund um die Welt teilnimmt. »Tarang Shakti« heißt die Kriegsübung, bei der deutsche und indische Militärflugzeuge gemeinsam auf indischem Territorium trainieren, und das gab es noch nie. Zugleich markiert das Unternehmen für Indien die erste große Luftkriegsübung, an der mehrere fremde Staaten teilnehmen. Die Luftwaffe des Landes hält seit vielen Jahren bilaterale Manöver mit den Luftstreitkräften anderer Staaten ab, mit den USA etwa, mit Russland, mit Frankreich oder mit Oman. Das drückt den Anspruch Neu-Delhis aus, eigenständig zu bleiben und sich nicht fest in eines der vorhandenen Bündnisse zu begeben. Nur einmal hat das Land ein darüber hinausgehendes Manöver abgehalten: Nachdem Indien im Herbst 1962 den Krieg gegen China verloren hatte, übte die indische Luftwaffe 1963 gemeinsam mit denjenigen der USA, Großbritanniens und Australiens. Ein solches, mehr als bilaterales Manöver, das beteuern indische Experten einhellig, gab es seitdem in Indien nicht mehr.
Rivale Chinas
Die strategische Absicht, die die deutsche Luftwaffe mit ihrer Beteiligung an »Tarang Shakti« verfolgt, lässt sich am ersten Teil des Manövers ablesen, der am Dienstag begonnen hat und bis Mittwoch kommender Woche andauern wird. Neben Deutschland, das fünf »Eurofighter« sowie ein Transportflugzeug A400M bereitstellt, beteiligen sich Großbritannien, Spanien und Frankreich, letzteres mit drei Rafale-Kampfjets, einem Tankflugzeug sowie einem weiteren Transporter A400M. Die involvierten Flugzeuge aus Europa befinden sich zum größten Teil auf dem Rückflug von der Luftkriegsübung Pitch Black 2024 in Australien, an der auch die indische Luftwaffe teilgenommen hat. Indien versteht sich als großer asiatischer Rivale Chinas. Wenn europäische Kampfjets gemeinsam mit indischen »Kampfszenarien in einer realistischen Umgebung« proben, steht diese Rivalität für die beteiligten Staaten Europas, die sich immer härter gegen die Volksrepublik positionieren, im Vordergrund. Allerdings findet der erste Teil von »Tarang Shakti« auf der Sulur Air Force Station im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu statt. Das ist Indiens zweitgrößte Luftwaffenbasis, sie dient dazu, Kontrolle über den Indischen Ozean herzustellen – und sie ist maximal weit von der Grenze zu China entfernt.
Am zweiten Teil von »Tarang Shakti«, der vom 29. August bis zum 14. September abgehalten wird, nimmt die deutsche Luftwaffe nicht mehr teil. Zugegen sein werden Flugzeuge aus den USA, Australien, Singapur, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Griechenland und – nach ursprünglicher Planung – Bangladesch. Ob der Sturz von Bangladeschs Premierministerin Scheich Hasina die Teilnahme am Manöver zulassen wird, bleibt einstweilen unklar. Luftwaffenchef Hasan Mahmood Khan, der persönlich anreisen wollte, trat neben Armeechef Waker-uz-Zaman auf, als der am Montag öffentlich mitteilte, Hasina sei soeben zurückgetreten. Beim zweiten Teil von »Tarang Shakti« werden darüber hinaus 18 Staaten als Beobachter vertreten sein. Das Spektrum reicht von Saudi-Arabien über Vietnam bis Argentinien. Manöverstandort ist die Jodhpur Air Force Station im nordwestindischen Bundesstaat Rajasthan. Die Luftwaffenbasis ist nicht weit von der Grenze zu Pakistan entfernt. Dort stationierte Flugzeuge wurden beispielsweise im Kargil-Krieg des Jahres 1999 eingesetzt: Die Streitkräfte des Gastgebers Indien haben Kampferfahrung. In Jodhpur hat Indiens Luftwaffe übrigens vor allem Kampfjets aus russischer Fertigung stationiert.
Präsenz im Indopazifik
Dass Indien unverändert militärisch und rüstungsindustriell mit Russland kooperiert – es hat die russische Luftwaffe sogar zu »Tarang Shakti« eingeladen, die aber hat wegen des Ukraine-Kriegs abgelehnt –, ist neben der gemeinsamen Rivalität mit China der zweite Grund, der die Bundeswehr zu einer engeren Kooperation mit Indien treibt: Berlin will dazu beitragen, Neu-Delhi dem Gegner Moskau auszuspannen. Anfang März kündigte der deutsche Botschafter in Indien, Philipp Ackermann, in einem Interview mit der renommierten Times of India an, Berlin strebe eine intensive militärisch-rüstungsindustrielle Zusammenarbeit mit Neu-Delhi an. Die Bundesregierung wünsche »eine sehr starke Präsenz im Indopazifik«, und sie wolle sich dabei »mit unseren strategischen Partnern jenseits des NATO-Gebiets« zusammentun. Daher also die Beteiligung an »Tarang Shakti« – und nicht nur das: Im Oktober werden die Fregatte »Baden-Württemberg« und der Einsatzgruppenversorger »Frankfurt am Main«, die sich zur Zeit – wie die Luftwaffe, nur langsamer – auf einer Weltumrundung befinden, zu einem Besuch in Indien erwartet. Deutsche Rüstungskonzerne hoffen zudem auf Aufträge: Neu-Delhi zieht aktuell den Erwerb von sechs U-Booten bei Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) in Betracht; der Kauf von Transportflugzeugen des Modells A400M durch Indiens Streitkräfte gilt als denkbar.
Hintergrund:Indien rüstet
Zu den Kampfjets, die die indische Luftwaffe bei »Tarang Shakti« nutzt, gehört der »HAL Tejas«. »HAL« steht für Hindustan Aeronautics Limited, ein Luftfahrtunternehmen aus dem südwestindischen Bengaluru. Es hat den »Tejas« eigenständig entwickelt, mit dem die Luftwaffe seit 2015 ausgerüstet wird. Längst ist Indien dabei, eine eigene Rüstungsindustrie aufzubauen. Wie die Türkei, etwa mit ihrer Drohnenproduktion, oder Südkorea, dessen Waffenschmieden mittlerweile sogar EU-Staaten beliefern. HAL stellt mit dem »HAL Dhruv« auch einen Mehrzweckhubschrauber für Indiens Streitkräfte her. Bharat Dynamics, im südindischen Hyderabad ansässig, fertigt Kurzstreckenraketen des Typs »Prahaar«. Mit dem »Brahmos«, vom gleichnamigen Unternehmen aus Neu-Delhi mit russischer Hilfe entwickelt, produziert Indien inzwischen sogar Marschflugkörper. Laut Regierungsangaben erreichten Indiens Rüstungsexporte zuletzt ein Jahresvolumen von rund 2,5 Milliarden US-Dollar.
Mit dem »Tejas« hat die indische Luftwaffe bislang vor allem ihr No. 45 Squadron mit dem Beinamen »Flying Daggers« bestückt. Die Einheit ist auf der Sulur Air Force Station in Tamil Nadu stationiert, auf der der erste Teil von »Tarang Shakti« stattfinden wird. Dort dürften den »Tejas« auch die deutschen Soldaten, die an der Übung teilnehmen, zu Gesicht bekommen. Der Jet gilt als recht problembehaftet. Eine Variante mit mehr als 40 Verbesserungen, der »Tejas Mk-1A«, ist zur Zeit in Arbeit. Er sollte eigentlich noch in diesem Jahr ausgeliefert werden. Manche hofften, ihn schon bei »Tarang Shakti« nutzen zu können. Daraus scheint jedoch nichts zu werden. Darüber hinaus arbeitet HAL an einer grundlegend weiterentwickelten Version, dem »Mk-2«.(jk)
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