Neue Führung in Dhaka
Von Thomas BergerMuhammad Yunus wird die Übergangsregierung in Bangladesch leiten. Auf diese Personalie haben sich verschiedene Kräfte am Dienstag bei einer Krisensitzung im Palast des Präsidenten verständigt, nachdem Regierungschefin Sheikh Hasina Wajed am Montag zurückgetreten war.
Die meisten Teilnehmer stellte mit 13 Abgesandten Students Against Discrimination (SAD) – jene Bewegung, die mit ihren Protesten in überraschender Wendung für den Rücktritt und die Flucht Hasinas gesorgt hatte. Präsent war auch Armeechef General Waker-uz-Zaman, der am Montag zunächst »die volle Verantwortung« übernommen hatte. Die SAD-Spitze hat jedoch klargemacht, dass sie keine aktive Rolle der Armee beim politischen Neustart sieht. Und es waren laut Berichten die Studenten, die den 84jährigen Yunus als unabhängige Persönlichkeit vorschlugen. Wie die Zeitung The Daily Star vermeldete, wird der Ökonom, der 2006 als Pionier der sogenannten Mikrokredite den Friedensnobelpreis erhielt, am Donnerstag nachmittag (Ortszeit) per Flug aus Dubai erwartet.
Präsident Shahabuddin, seit April 2023 im Amt, ist zwar seit seiner Jugend Mitglied der bislang regierenden Awami-Liga. Zugleich gilt er als einer der renommiertesten Juristen des Landes und eigenständiger Kopf – ihm und dem politisch unerfahrenen Yunus fällt nun die große Aufgabe zu, das Land schnellstmöglich in ruhigeres Fahrwasser zu steuern. Da Shahabuddin auch das – erst Anfang Januar unter Boykott der meisten Oppositionsparteien gewählte – Parlament aufgelöst hat, müssten laut Verfassung binnen 90 Tagen Neuwahlen stattfinden. Yunus wird in jedem Fall nur ein beschränktes Mandat haben, um die Amtsgeschäfte dann einer demokratisch legitimierten Regierung zu übergeben. Zu den vielen Inhaftierten, die inzwischen freikamen, gehört als prominenteste die langjährige Oppositionsführerin Begum Khaleda Zia. Deren rechtskonservative Bangladesh Nationalist Party wird versucht sein, politisches Kapital aus der Lage zu schlagen.
Nahid Islam, der bekannteste Sprecher der SAD, ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Bewegung eine tragende Rolle im Prozess des Neustarts spielen wird. Außerdem würde sie nicht zulassen, dass mutwillige Randale oder religiöser Hass ausbrächen. Der große Nachbar Indien hatte sich in einer Erklärung von Außenminister Subramanyam Jaishankar bereits besorgt über den Schutz der Minderheiten geäußert. Indien beherbergt vorerst auch die geflohene Hasina. Sie wollte eigentlich in Großbritannien Asyl beantragen, wo sie familiäre Bindungen hat und ihre Nichte gut vernetzt ist. Die neue britische Regierung unter Keir Starmer verweigerte sich aber diesem Ansinnen, auch ein US-Visum Hasinas soll gestrichen worden sein. Indien hat ihr Bleiberecht eingeräumt, bis ihre finale Zuflucht geklärt ist – obwohl Hasina persönlich wie ideologisch stets enger mit der oppositionellen Kongresspartei verbunden war als mit den jetzt regierenden Hindunationalisten der BJP unter Narendra Modi.
Derweil gibt es Stimmen, die eine Konspiration ausländischer Kräfte zum Sturz Hasinas sehen. Deren Annäherung an die an Bedeutung gewinnenden BRICS-Staaten mit Indien und China und besonders harsche Kritik der USA an der Exführung in Dhaka sind zumindest kein Geheimnis. Hasina selbst hatte im Mai behauptet, ein »weißer« Staatsmann habe ihr eine »reibungslose« Wiederwahl im Januar für die Erlaubnis zum Bau eines Luftwaffenstützpunktes zugesichert, erinnerte die indische Economic Times an die seinerzeit vom Daily Star zitierte Aussage.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (9. August 2024 um 09:49 Uhr)Der Artikel vom 5.8.2024 »Bangladesch startet neu« von Thomas Berger, in dem der Staatsstreich allzu positiv dargestellt wurde, kam mir schon etwas seltsam vor. Nun wurde bekannt, dass ausgerechnet Muhammad Yunus, der »Blutsauger der Armen« (Hasina Wajed), die Übergangsregierung leiten soll. Yunus ist der Gründer der Grameen Bank, Geschäftsmodell Wucherzinsen für Mikrokredite (siehe »Die Mikrokredit-Lüge« Frankfurter Rundschau 19.1.2019). Das Nobelpreiskomitee jedoch war begeistert und verlieh ihm 2006 den Friedensnobelpreis. »Militär und Studentenvertreter einigen sich auf Nobelpreisträger als Interimspremier«, heißt es in der Überschrift. Damit erscheinen die Proteste der Studenten in einem anderen Licht. Auslöser war die Quotenregelung für begehrte Jobs im öffentlichen Dienst. War es nur ein Kampf um die Fleischtöpfe?
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