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Aus: Ausgabe vom 08.08.2024, Seite 10 / Feuilleton
Postpunk

Keine Trennung, kein Ausgang

Sleaford Mods’ Album »Divide and Exit« erscheint zum zehnten Jubiläum frisch unrasiert, remastered und reloaded in Post-Brexit-blutrot
Von Norman Philippen
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Gute Laune, wie immer: Sleaford Mods in Action

Was vergeht die Zeit doch wie im Loop. Nun ist auch schon eine Dekade passé, seit Jason Williamsons erster Gelegenheit, sich auch auf deutscher Bühne den Rotz hochziehen und »Tied up in Nottz« geifern zu können. Seitdem ist – »The smell of piss is so strong it smells like decent bacon« – alles beim alten geblieben. Und viel passiert. Des Nottinghamer Duos Sleaford Mods hypnotisierendes Zweikomponentenrezept aus minimalistischen Drum- und Bassloops zu rhythmischem Hate Speech ist beständig wie die britische Austeritätspolitk. Die Mods waren ein, zwei Jahre mal on Top-of-the-Pops, die Bühnen und Egos wurden größer, das Sozialwesen schrumpfte wacker weiter, Williamson ließ das Saufen sein, Brexit kam und Covid blieb, und das siebte Album der Sleaford Mods »Divide and Exit« gibt es jetzt also als 10th Anniversary Edition.

Die sieht gut aus auf rotem Vinyl und mit dem neuen, von Cold War Steve gemachten Cover. Das ist hübsch und erzählt einiges. In einer bizarr dystopischen Szenerie übergeben mittelalterliche Mönche Noel Gallaghers Signature-Gitarre »Epiphone Supernova« dem Feuer, der Union Jack lodert auf dem Scheiterhaufen, vor einem übergroßen, weißen Lieferwagen mit St.-Georgs-Flagge drauf ist die kampfbereite Kavallerie aufgezogen. Links im Hintergrund auf dem Berghang ein halbes Dutzend gigantischer Kühltürme. Im Himmel oben rechts ein Zitat des ursprünglichen Covers von »Divide and Exit«, einer Fotografie der pissig in die Linse blickenden Herren Andrew Fearn und Jason Williamson. Aus einem Dezennium Distanz gucken die beiden gerade so über das so absurde wie altvertraute Geschehen unter ihnen hinweg, man könnte meinen, das klassenbewusste Duo hätte schon seit Jahren irgendwas vermitteln wollen. Eine Message oder sowas mitunter vielleicht.

Manch Moserer meint selbstverständlich, dass die Nottinghamer ja schon superlange gar keine richtigen Sleaforder Mods mehr sind, die Botschaft allerdings deutlich angekommen ist und seit aber allerspätestens 2016 »Sell out« laute. Zugegeben, die beiden haben seit Jahren gegen das als Band größer werden und Geld verdienen prinzipiell nichts und fahren auch mal eine Lightshow auf. Ein paar Synthiesounds oder eine Gitarre mögen auf dem halben Dutzend seit 2014 erschienenen Alben erklingen, und es mag mittlerweile der ein oder andere Fast-Sing-along-Part ins Repertoire gerutscht sein. Ansonsten blieben Sleaford Mods as electropostpunk as possible und ever, wenn nicht gar as fuck. Und waren so nett, auf das remasterte, eigentliche Durchbruchsalbum nach dem Albumdurchbruch »Austerity Dogs« (2013) noch zwei neue Tracks zu pressen. Und liefern damit vielleicht einen Grund mehr, sich die Platte zuzulegen, auf der die Sleaford Mods erstmals und eindrucksvoll ihr Running System gefunden haben, das keiner Veränderungen bedarf, um relevant und hörbar zu bleiben.

Sleaford Mods: »Divide and Exit« (Rough Trade)

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