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Aus: Ausgabe vom 08.08.2024, Seite 11 / Feuilleton
Olympia-Telegram

Bindestrich­fabrik

Von Jürgen Roth
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»Es ist alles gut so, wie es ist« – Felix Neureuther

Ich sitze vor dem »Seven Bistro«. Der Große Malaka knattert mit seiner verbeulten Renault-Mühle vorbei und hebt den Grußarm. Hoffentlich haben das Madame Faesers Spitzel und Häscher nicht gesehen.

Die Mauersegler sind schon ein paar Tage weg. Sie fehlen im gelungensten aller Monate – ein Missgriff der Natur.

Im Background teasert A. »äh, äh, äh, total, äh« Bommes den Außenreporter Felix Neureuther an, und der Neureuther Felix freut sich sodann, im Fernsehen zu sein – im Fernsehen zu sein, ist der letzte gültige existentialontologische Beleg dafür, der Sphäre des, wenn auch gründlich verstümmelten Lebendigen anzugehören –, und die Seele des Neureuther Felix schwappt über: »Es ist alles gut so, wie es ist.«

Die Rumänin qualmt Davidoff und schnackt mit ihrer Freundin in einem Deutsch, das approximativ achtzig Prozent der Fernsehfritzen und -fräuleins die Fahlheit ins Antlitz pappen müsste.

Am Montag abend erteilten zwei Akteure der Medienbagage eine Lektion. Samir Suliman, der Coach der 3 x 3-Basketballerinnen, ein verschmitzter, eloquenter Menschenfreund, mied im Interview jede Phrase und zitierte aus Kinderbüchern (das Interview ist im Netz nicht zu finden). Und der Konditor Noah Hegge, der Bronze im Kajak Cross gewonnen hatte, ein demütiger Mann mit sanfter Stimme, antwortete auf die wie eh und je inferioren Fragen der KI-generierten KMH: »Man kann nicht alles planen und erdenken.« – »Ich freu’ mich auch irgendwann auf zu Hause, auf Freunde, Familie und daheim sein.«

Was für ein Trost, herübergeweht aus der Welt der Normalität – zumal da mir kurz zuvor Anarchistenfreund M. ein Foto von einem Tetra Pak gemailt hatte: »Durst Löscher:in«.

Sie mögen dereinst in der Bindestrichfabrik schwitzen, und die Guten werden am Badesee liegen und grinsen und Gutmann trinken.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (7. August 2024 um 22:28 Uhr)
    Heißt die qualmende Rumänin Peter Maffay? Von »Es ist alles gut so, wie es ist.« dachte ich immer, es sei vom Leibniz Gottfried. Madam Faesers Häscher sehen eine Grußfaust, auch eine nicht geballte, alles andere übersehen sie.

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