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Aus: Ausgabe vom 09.08.2024, Seite 1 / Ausland
Ukraine-Krieg

Kiews Psychokrieg in Kursk

Ukraine: Präsidentenberater Michailo Podoljak nennt Ziel der Offensive in grenznahem Gebiet
Von Reinhard Lauterbach
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Ohne Luftunterstützung eine leichte Zielscheibe: Ukrainische Militärfahrzeuge in der russischen Region Kursk (8.8.2024)

Die Ukraine hat erstmals offiziell Ziele der am Dienstag begonnenen Offensive im russischen Bezirk Kursk genannt. Präsidentenberater Michailo Podoljak sagte am Donnerstag im ukrainischen Fernsehen, mit der Offensive wolle die Ukraine ihre Verhandlungsposition gegenüber Russland verbessern, auf der Gegenseite Verunsicherung stiften und die Bevölkerung gegen Wladimir Putin aufbringen. Russland verstehe nur die Sprache der Gewalt.

Das russische Verteidigungsministerium vermeldete offiziell, dass die ukrainischen Vorstöße inzwischen unter Verlusten für die Angreifer gestoppt worden seien. Dem widersprechen Berichte von Bewohnern der Grenzregion. Demnach wird die grenznahe Kreisstadt Sudscha pausenlos beschossen, in den Straßen lägen Leichen. Auch nordwestlich von Sudscha wird um die Kleinstadt Korenewo offenbar weiter gekämpft. Für eine gespannte Lage spricht auch der Umstand, dass nach russischen Angaben aus Moskau 20 Rettungswagen samt Besatzung zur Verstärkung ins Kursker Gebiet geschickt worden sind.

Russische Militärblogger beschuldigen die eigene Führung, über Monate Berichte von Fronteinheiten über ukrainische Angriffsvorbereitungen ignoriert oder unterschätzt zu haben. Dies wird indirekt bestätigt durch ein Posting des russischen Generalleutnants Apti Alaudinow, seine Einheit habe endlich »in aller Stille« Positionen in der Region bezogen und werde nun »arbeiten«. Alaudinow leitet das in Tschetschenien rekrutierte Sondereinsatzbataillon »Achmat«, das vor allem bei der Partisanenbekämpfung aktiv ist.

Auf der anderen Seite erleidet offenbar auch die Ukraine merkliche Verluste. Der Bild-Korrespondent ­Julian ­Röpcke verbreitete mit dem Zusatz »Leider, leider« ein Bild mit drei ausgebrannten deutschen »Marder«-Schützenpanzern im Internet. Wieder habe die Ukraine ihre Truppen ohne angemessene Luftunterstützung in den Kampf geschickt. Russland behauptet, seit Dienstag im Raum Kursk etwa 350 ukrainische Soldaten getötet oder verwundet zu haben – das wäre etwa ein Drittel der zum Angriff angetretenen Kräfte.

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  • Leserbrief von Joachim Seider aus Berlin (9. August 2024 um 15:27 Uhr)
    Aus militärstrategischer Sicht ist diese Aktion der ukrainischen Armeeführung völlig sinnfrei. Das eilig herbeigeredete »Argument«, man sichere sich ein Faustpfand für kommende Verhandlungen, ist es ebenso. Welches Faustpfand kann man sich mit nur 1000 Soldaten dauerhaft sichern? Dem Gegner zeigen, dass auch er verletzlich ist? Welcher Militär weiß nicht, dass in einem militärischen Konflikt jeder jederzeit verletzlich ist? Den Druck auf andere Frontabschnitte abschwächen? Durch eine Kommandoaktion, für deren Eliminierung bereits relativ geringe militärische Kräfte ausreichend sind? Oder geht es wieder nur einmal darum, die eigene Hilflosigkeit propagandistisch zu überspielen, indem man vor der staunenden Galerie der Kriegsbefürworter im Westen den Ball ganz hoch in die Luft drischt? Wenn er wieder unten ankommt, wird zu sehen sein, dass da fast nur zusammengepresste Luft unterwegs war. Aber mehr als tausend junge Männer auf beiden Seiten werden diese sinnlose Show mit ihrem Leben bezahlt haben. Es bleibt dabei: Schickt Diplomaten statt Granaten!
  • Leserbrief von Reinhard Sandrock aus Dresden (9. August 2024 um 13:10 Uhr)
    Wie desaströs und marode muss das Handeln der russischen Armee sein, eine solche Aktion zuzulassen, oder das Versagen der russischen Luftabwehr, das Einfliegen ukrainischer Drohnen in tiefes russisches Hinterland zuzulassen. Das Ganze erinnert mich an den sowjetisch-finnischen Winterkrieg, das Afghanistan-Abenteuer oder die ersten 18 Monate nach dem deutschen Überfall bis zur Stalingrader Schlacht. Die Strategen früherer Jahre, Shukow, Konjew oder Tuchatschewski würden sich im Grabe umdrehen. Nebenbei, der Angriff der Ukrainer ist legitim. Reinhard Sandrock, Dresden
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gottfried W. aus Berlin (9. August 2024 um 10:57 Uhr)
    Okay, das Abo werde ich kündigen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gottfried W. aus Berlin (9. August 2024 um 10:45 Uhr)
    Gibt es auch Fragen über die rechtliche Bedeutung des Einsatzes deutschen Materials und der wahllosen Ermordung von Zivilisten? Sicher, das Versagen russischer Aufklärung kann angeprangert werden, das kann auch der iranischen Führung vorgeworfen werden, aber soll das eine marxistische Kritik sein? Es sieht doch sehr nach der guten alten westlichen terroristischen Strategie aus, Shock and Awe, der koloniale Reflex. Den Bellizisten trieft der Geifer von den Mundwinkeln, während in diesem Himmelfahrtskommando ukrainische Leben verheizt werden, erkennbar ohne großen militärstrategischen Nutzen. Der gruppenbezogene Hass gegen russische Menschen sitzt tief in der deutschen Psyche und ermöglicht diese Militarisierung unter doch bereits recht großen Opfern der einfachen Leute. Altersarmut, Bildungsnotstand, Wohnungsnot, verrottete Infrastruktur und grassierende Korruption entziehen den Abgehängten eine menschenwürdige Zukunft und eine planbare Perspektive. Zeitenwende in den Bürgerkrieg. Völkerrecht und unabhängige Justiz werden in die Tonne getreten und jeder Sau, die durchs Dorf gehetzt wird, begeistert hinterhergeblickt. Wer die Kämpfe gegen die NATO und deren doch sehr faschistischen Kollaborateure kritisch betrachten möchte, sollte dabei nicht vergessen, daß diese Kritik vor dem Hintergrund einer ausgeweiteten Zensur stattfindet. Die Öffentlichkeit wird beschallt von den mit Zwangsgebühren versorgten Granden, Upload-Filter und verbotene Feindsender sind kompatibel mit dem Zensurverbot des ehemaligen Grundgesetzes. Also, gibt es Fragen zur Rechtmäßigkeit der terroristischen Invasion auf das Territorium der Russischen Föderation oder erübrigt sich sowas für die marxistische Analyse?
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (9. August 2024 um 20:54 Uhr)
      Es ist für mich erstaunlich und gleichermaßen enttäuschend, dass ein (ehemaliger?) Leser der »jungen welt« das Attribut »deutsch« verwendet und dabei doch nur die West-Deutschen meinen kann. Diese Art der Realitätswahrnehmung kannte ich bisher nur aus unseren selbsternannten Qualitätsmedien. In der Psyche der Ostdeutschen gibt es diesen gruppenbezogenen Hass auf russische Menschen jedenfalls nicht. Dafür braucht es wohl zwölf Jahre Nazismus und weitere 80 Jahre chauvinistischer Alltagspropaganda, deren Urheber nach 1945 in Westdeutschland nicht selten dieselben Figuren waren wie vor 1945. Aus meiner Lausitzer Heimatstadt, im Südosten Brandenburgs, gibt eine schöne Anekdote aus der Zeit der Napoleonischen Kriege: Als sich im Sommer 1813 die Kunde verbreitete, dass russische Kosaken sich der Stadt näherten, verließen die bei den Einwohnern verhassten Besatzungssoldaten des mit Frankreich verbündeten Bayern fluchtartig unsere Stadt. Danach zog eine jubelnde Menschenmenge, so berichtet die Stadtchronik, durch das Stadttor und bereitete den Russen einen begeisterten Empfang, als Befreier vom Joch der Franzosen und Bayern. Die Stadtoberen fühlten sich daraufhin gemüßigt, eine Verordnung zu erlassen, die den Bürgern befahl, zukünftig nicht mehr feindlichen Truppen entgegenzulaufen, um sich mit ihnen zu verbrüdern (wir gehörten damals noch zu Sachsen, dass offiziell noch mit Napoleon verbündet war)! Bereits vor zweihundert Jahren musste also die Feindschaft mit Russland dem (ost-)deutschen Volk erst von oben oktroyiert werden, mit mäßigem Erfolg, auch damals schon.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (9. August 2024 um 07:48 Uhr)
    Dieser Angriff der Ukraine erinnert sehr an die »Operation Zitadelle« der Wehrmacht 1943, zumal sie nahezu auf den gleichen Schlachtfeldern stattfindet wie damals. Nur dass der Einsatz an Material und an Menschen bei weitem nicht so umfangreich ist wie 1943. Was bezweckt die ukrainische Armeeführung damit? Meines Erachtens wird hier eine taktische Operation inszeniert, die dazu führen soll, dass Russland Truppen von der südlichen Front abzieht. Aber was ist mit den Aussagen Selenskjis, dass sich die Ukraine nur verteidigt? Diese Aussage wird zum wiederholten Male ad absurdum geführt. Die ukrainische Armee will in die Tiefe vorstoßen – auf russisches Territorium. Der Widerspruch ist offensichtlich und wird sicherlich zu keiner Verbesserung der Verhandlungsposition führen, sondern zu weiteren Toten und Verwundeten, zu einer Vernichtung materieller Werte und letztendlich zur weiteren Zerstörung unserer Umwelt. Deshalb muss es jetzt heißen: Schluss mit dem Krieg, alle an einen Tisch und verhandeln – und zwar auf Augenhöhe, besser gesagt gleichberechtigt. Die Ukraine muss sich endlich der Befehlsgewalt der NATO, und hier vor allem der USA und Deutschlands, entziehen und ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen. Die Forderungen nach immer mehr Waffen müssen endlich aufhören und vor allem die Verlagerung der F-16-Kampfjets muss sofort beendet werden.