Im Namen des Geschäftes
Von Marc BebenrothDie Ampelkoalition dürfte sich bereits damit abgefunden haben, dass das Klimaziel von maximal 1,5 Grad höherer Durchschnittstemperatur bis 2100 nicht erreicht werden kann. Dennoch appellieren die Aktivisten der »Letzten Generation« an die politisch Verantwortlichen einzulenken. Von ihren Aktionen lässt sich die Gruppe erklärtermaßen nicht durch Strafverfolgung abhalten. So sind am Donnerstag auf Betreiben der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main bundesweit Wohnungen von Klimaschutzaktivisten der »Letzten Generation vor den Kippunkten« durchsucht worden.
Der Zusammenschluss »Letzte Generation« spricht von Razzien in Berlin, Leipzig, Freiburg, Halle und Mannheim. Acht Personen im Alter von 20 bis 44 Jahren werde vorgeworfen, am 25. Juli um 4.45 Uhr das Rollfeld des Flughafens Frankfurt am Main betreten zu haben. Dabei sei ein Zaun zerstört worden. Daran soll sich eine Person, sieben andere sollen sich an verschiedenen Stellen des Rollfelds festgeklebt haben. Wie die Gruppe am Donnerstag mitteilte, seien nicht nur Privaträume durchsucht worden. Die Polizei habe auch Genproben genommen. Eine Mitbewohnerin, die bei einer Durchsuchung in Leipzig dabeigewesen sei, erklärte, dass »einige elektronische Geräte mitgenommen« worden seien. Ein in der Pressemitteilung der Gruppe veröffentlichter Beschluss des Frankfurter Ermittlungsrichters begründet die DNA-Entnahme damit, dass die Proben mit Spuren von »der beschädigten Umzäunung des Flughafengeländes« verglichen werden sollen.
Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) begrüßte erwartungsgemäß die Durchsuchungen. »Die Blockaden am Frankfurter Flughafen vor zwei Wochen waren nichts anderes als schwerwiegende Straftaten«, teilte Poseck am Donnerstag in Wiesbaden mit. »Bei den Mitgliedern der Letzten Generation, die solche Aktionen begehen, handelt es sich um Schwerkriminelle«, vorverurteilte der CDU-Politiker die Beschuldigten. So seien Tausende Menschen quasi in Geiselhaft genommen worden und enorme wirtschaftliche Schäden und erhebliche Gefahren für den Luftverkehr entstanden.
Ähnlich argumentiert auch das Frankfurter Amtsgericht. Die teils geschwärzte Kopie eines Durchsuchungsbeschlusses vom 31. Juli wurde von der »Letzten Generation« im Internet veröffentlicht. Als Gründe für die Haussuchung werden der Verdacht der Nötigung, der gemeinschädlichen Sachbeschädigung sowie des Hausfriedensbruchs genannt. Den Aktivisten wird vorgeworfen, bewusst und plangemäß eine »fast dreistündige vollständige Stilllegung des Flugbetriebs« ausgelöst zu haben. Deshalb »musste eine hohe Anzahl von Flügen vom und zum Flughafen« gestrichen oder verschoben werden. Flieger mussten demnach umkehren oder umgeleitet werden. Andere mussten ihren Start abbrechen, heißt es. Den Fluggesellschaften, der Fraport AG und anderen Flughafenbetreibern sei »erheblicher wirtschaftlicher Schaden« entstanden, dessen genaue Höhe noch ermittelt werde. Dem Amtsrichter zufolge konnte der Flugbetrieb am Tag der Aktion »um 7.44 Uhr wiederaufgenommen« werden.
Die »Letzte Generation« kündigte am Donnerstag an, sich weiter an den Protesten der internationalen Kampagne »Oil Kills« zu beteiligen. Diese ruft dazu auf, sich an Flughäfen zu postieren und adressiert die politisch Verantwortlichen: »Wir fordern von unseren kriminellen Regierungen den Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle bis 2030 durch die Unterzeichnung eines verbindlichen internationalen Abkommens«, heißt es auf der Internetseite von »Oil Kills«.
Der Flughafenverband ADV machte derweil der Aktionsgruppe ein Gesprächsangebot. In einem offenen Brief, aus dem dpa am Donnerstag zitierte, hieß es: »Es ist unbestreitbar, dass der Klimawandel eine der größten Herausforderungen unserer Zeit darstellt. Kriminelle Blockaden von Flughäfen tragen nicht zur Lösung bei.« Der ADV wolle über die Klimapolitik und die Maßnahmen der Flughäfen informieren sowie darüber sprechen, welche Auswirkungen die Blockade der Rollbahnen auf die Sicherheit der Flughäfen habe. Unmittelbar nach der Klebeaktion hatte die Fraport AG mitgeteilt, dass das Sicherheitskonzept »sehr, sehr solide funktioniert« habe, wie es ein Sprecher am 26. Juli formuliert hatte. Es sei definitiv niemand zu Schaden gekommen. Nach dem Überwinden des Zauns seien Einsatzkräfte umgehend vor Ort gewesen.
Auffällig bleibt das im Vergleich praktisch nicht vorhandene Strafverfolgungsinteresse wegen der flächendeckenden Störung des Flugbetriebs am 19. Juli durch ein fehlerhaftes Software-Update der US-Firma Crowdstrike. Weltweit meldeten Fluglinien Probleme. In der BRD hatte etwa der Berliner Flughafen deswegen nicht angeflogen werden können. Die US-Airline Delta nannte am 31. Juli einen Schaden in Höhe von 500 Millionen Dollar (rund 458 Millionen Euro). Dem für Digitales zuständigen Bundesminister Marco Buschmann (FDP) war dazu am Montag nur eingefallen, dass sich solche IT-Sicherheitsvorfälle in Zukunft wohl häufen werden.
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