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Aus: Ausgabe vom 09.08.2024, Seite 5 / Inland
Landwirtschaftspolitik

Baywa in Turbulenzen

Agrarkonzern mit Milliardenloch und fehlendem Rettungsplan. In der Kritik: Aufsichtsrat und Bauernboss Joachim Rukwied
Von Oliver Rast
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Ein Genossenschaftskonzern für die bäuerliche Rundumversorgung steht vor dem Kollaps

Krisennachrichten gibt es viele, diese etwa: Der Agrarkonzern Baywa AG befindet sich seit Monaten in finanziellen Turbulenzen, steht möglicherweise vor der Insolvenz. Und: Das bereits vor vier Wochen angekündigte Sanierungsgutachten der Beratungsfirma Roland Berger für das Münchner Konglomerat lässt auf sich warten, berichtete die SZ am Donnerstag. Nun sei von Mitte September die Rede. Bis dahin würde dem Baywa-Vorstand ein »Restrukturierungskoordinator« zur Seite gestellt. Denn die Lage sei kompliziert; sehr sogar.

Weshalb? Die Baywa habe sich in den vergangenen Jahrzehnten verzettelt, mit Hunderten Unternehmensbeteiligungen in rund 45 Ländern mit etwa 24.000 Beschäftigten, expandierte konzeptlos in die Bau- und Energiebranche, sagen sogenannte Marktbeobachter. Auch in jene der erneuerbaren Energieträger. Kurz, der Expansionskurs des Mixunternehmens (bis 1972: Bayerische Warenvermittlung landwirtschaftlicher Genossenschaften AG) gilt als gescheitert. Ein Indiz: Die Genossenschaftsbosse haben einen Schuldenberg von zirka 5,6 Milliarden Euro angehäuft bei einem Jahresumsatz von 24 Milliarden Euro. Die Zinsbelastung steigt rasant, habe sich von 2021 bis 2023 auf mehr als 360 Millionen Euro verdreifacht, so die Augsburger Allgemeine jüngst. Ferner mindern witterungsbedingte Ernteausfälle die Erlöse. Besonders drücken der Preisverfall bei Solar­modulen und die schlappe Baukonjunktur auf die Bilanzen.

Der Baywa-Vorstand musste reagieren, mittels kurzer Pflichtmitteilung für die Anteilseigner nach Börsenschluss. Darin skizzierten die Bankrotteure in spe Mitte Juli in einem Vierzeiler die »angespannte Finanzierungslage«. Der Vorstand gehe »aufgrund konstruktiver Gespräche mit Finanzierungspartnern und der eingeleiteten Maßnahmen davon aus, dass die Finanzsituation nachhaltig gestärkt werden kann«. Eine Beruhigungspille? Wohl kaum. Die Baywa-Aktie verlor mehr als 40 Prozent ihres Wertes und hat damit innerhalb eines Jahres bis Ende Juli rund 68 Prozent ihres Wertes eingebüßt. Eine Folge: Nach einer Rekorddividende 2022 zahlte das Unternehmen für das Geschäftsjahr 2023 nach Jahren keine Dividende.

Ganz oben auf der Streichliste steht die Solarsparte. Nur, ein potenter Käufer fehlt, der für den defizitären Geschäftszweig – wie vom Vorstand erhofft – zwischen 1,3 und 1,8 Milliarden Euro hinblättern will. Und überhaupt braucht es zunächst das »Sanierungsgutachten«. Erst dann würden kreditgebende Banken über eine weitere Umschuldung der Baywa entscheiden, weiß die SZ. Die beiden Großaktionäre wie die Bayerische Raiffeisen Beteiligungs-AG (BRB) hatten bereits einen zweistelligen Millionenbetrag bereitgestellt. Das reicht aber nicht, langhin nicht. Der Bedarf ist höher – deutlich höher: Von 400 bis 500 Millionen Euro ist die Rede. Übersetzt: Ein Rettungsplan ist noch nicht in Sicht.

Dabei braucht es den. Denn Baywa dominiert den Getreidemarkt. Vor allem in Bayern. Rund 75 Prozent der Bauern im Freistaat liefern Weizen, Roggen, Dinkel, Gerste und Co. an die Baywa, berichtete der Bayerische Rundfunk (BR) am Montag. »Ihre Lagerhäuser und Märkte kennt auf dem Land jeder.« Und nicht zuletzt ist die Baywa wiederum als Lieferant von Saatgut, Dünger, Futtermitteln und Landmaschinen tätig und stellt damit die Versorgung von Landwirten sicher. Toni Wollschläger von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) sagte dem BR: »Wenn ein Landwirt 200, 300 Tonnen Getreide hat und die über Nacht irgendwo anders hinliefern soll, hat der überhaupt keine andere Möglichkeit.«

Und noch etwas stößt organisierten Bauern auf. Einer, der im Aufsichtsrat der Baywa hockt, heißt: Joachim Rukwied; richtig, der Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV). Sprich einer, der den genossenschaftlichen Gemischtwarenladen zu kontrollieren hätte, verlautbarte die Bundesvertretung der »Freien Bauern« am Dienstag. Aber nichts da, statt beispielsweise die niedrigen Erzeugerpreise bei Getreide anzuprangern, unterstütze der CDUler Rukwied zusätzlich Billigimporte aus der Ukraine und zolle dem Land uneingeschränkte Solidarität. Krise und Finanzloch bei der Baywa – offenbar nicht für alle eine Nachricht.

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  • Leserbrief von Peter Balluff aus Vöhl (9. August 2024 um 13:42 Uhr)
    So funktioniert der Kapitalismus. Bei der Krise der Baywa lässt sich wieder exemplarisch darlegen, dass die Aufsichtsräte bei der Kontrolle der Vorstandsentscheidungen heillos überfordert sind. Die Vertreter der Anteilseigner sind ausschließlich darauf bedacht, dass eine entsprechende Dividende fließt, die Vertreter der Arbeitnehmer freuen sich über eine Aufsichtsratsvergütung, die oftmals ihr Bruttojahresgehalt übersteigt (hier: 45.000 € für die Teilnahme an 4 Sitzungen und einer Hauptversammlung im Kalenderjahr, Personalausschuss etc. wird nochmals extra vergütet). Da will man/frau es sich ja nicht mit unangenehmen Fragen beim Vorstand verscherzen und sich eine mögliche Karriere verbauen. Dabei sind die Probleme sogar auf den ersten Blick ohne großes BWL Studium zu erkennen. Giesecke & Devrient (auch ein bayerisches Unternehmen) kam in Schieflage, weil die Rückstellung für die Altersvorsorge nicht über das Anlagevermögen abgesichert war, Praktiker ging in die Insolvenz, weil die Aktion »20 % auf Alles« den Rohertrag und demzufolge die Liquidität »versemmelt« hat und dass die Baywa bei 5,5 Mrd. € Verbindlichkeit ein Großteil seiner Liquidität zur Zinstilgung aufwenden muss ist offensichtlich. Dass dann aber die Arbeitnehmervertreter und ihre Gewerkschaft (ver.di) im Aufsichtsrat aufstehen und auf gut bayerisch »spinnts ihr« sagen ist eher unwahrscheinlich. Und dann können solche »Lichtgestalten« wie Klaus-Josef Lutz (ehemaliger CEO der Baywa) und Thomas Middelhoff (ehemaliger CEO von Karstadt) zur Befriedigung ihres eigenen Ego weltweit ihr Unwesen treiben. Für eine Insolvenz gibt es übrigens 3 Kriterien: Verschuldung, drohende Verschuldung oder mangelnde Liquidität. Die Baywa wird es sich aussuchen können, die Arbeitnehmer werden es bezahlen müssen.