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Aus: Ausgabe vom 09.08.2024, Seite 8 / Ausland
Antimilitarismus in Österreich

»Das Land könnte wieder eine Friedenskraft werden«

Österreich: Bündnis fordert Rückkehr zur Neutralität. Gedenken an US-Atombombenabwurf auf Nagasaki. Ein Gespräch mit Andreas Wimmer
Interview: Dieter Reinisch, Wien
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Friedensdemonstration in Wien anlässlich der Europäischen Gaskonferenz im März 2024

In Wien soll es an diesem Freitag eine Kundgebung zum Gedenken an die Opfer der zwei US-Atombombenabwürfe über Japan 1945 geben. Warum organisiert »Stimmen für Neutralität«, SFN, dieses Jahr die Aktion?

Traditionell wird in Wien am 6. August das Hiroshima-Gedenken organisiert. Das war auch vor drei Tagen so. Organisiert war es vom Wiener Friedensbüro und der Hiroshima-Gruppe. Dieses Jahr gibt es zusätzlich am 9. August zum ersten Mal eine größere Veranstaltung auch in Gedenken an den Atombombenabwurf auf Nagasaki mit Reden, Musik und Bezug auf die aktuelle politische Organisation.

Was ist SFN für ein Bündnis?

Der ganze Name ist »Stimmen für Frieden, Neutralität und soziale Gerechtigkeit«. Dazu gehören viele kleine Initiativen, die zu diesem Thema zueinander gefunden haben, um konkrete Aktionen zu organisieren. Die Vorlaufzeit begann bereits Ende Oktober 2023, angeregt durch die Ereignisse um den 7. Oktober und den Ukraine-Krieg. Im Frühjahr entstand dann ein breites Bündnis aus 14 Organisationen. Am 31. Juli gab es unsere erste Podiumsdiskussion zu »Sky Shield« und Neutralität. Jetzt veranstalten wir den Nagasaki-Tag und am 21. September werden wir eine Großdemonstration für Frieden und Neutralität in Wien organisieren. Das Bündnis ist breit aufgestellt und umschließt Personen der traditionellen Linken.

Weshalb ist der 21. September für Sie ein wichtiges Datum?

Wir planen eine Großdemonstration eine Woche vor der Nationalratswahl, um die Themen Frieden und Neutralität ins Zentrum des Wahlkampfes zu stellen. Wir wollen so eine innenpolitische Diskussion zu diesen wichtigen Themenstellungen entfachen.

Sie haben von einer »Bezugnahme auf die aktuelle politische Situation« gesprochen. Was meinen Sie damit?

Es sind vor allem zwei Themenbereiche: ein dezidiertes Nein zur Teilnahme an dem von Deutschland geführten Luftabwehrsystem »Sky Shield« und eine Verteidigung der Neutralität. Dabei wollen wir die wichtige Rolle hervorheben, die Österreich bei internationalen friedensvermittelnden Maßnahmen einnehmen könnte, wenn es sich der Neutralität entlang des vorgeschriebenen Verfassungsrahmens verpflichten würde. Österreich könnte dadurch wieder eine Friedenskraft in internationalen Konfliktszenarien werden.

Weshalb berührt das »Sky Shield« getaufte Flak-Kartell Österreichs formale Neutralität?

»Sky Shield« ist selbstverständlich mit der Neutralität nicht vereinbar. Es benötigt einen NATO-Verbund und in der Verfassung ist eindeutig deklariert, dass Österreich keinem Militärbündnis beitreten darf und wird. »Sky Shield« hat eine zweite Seite, die aber nie diskutiert wird: Es ist in Wahrheit eine Offensivwaffe.

Wie kommen Sie darauf, dass »Sky Shield« eine Angriffswaffe ist?

Es dient dem Versuch, einen atomaren Krieg als möglich darzustellen. Suggeriert wird, dass es durch »Sky Shield« eine Sicherheit geben könnte, den Gegenschlag oder einen angenommenen Erstschlag abwenden zu können. In dieser Logik steckt, dass man einen Erst- oder Gegenschlag ausüben könnte, ohne dass das Folgen hätte.

Die Neutralität ist auf dem Papier ein Pfeiler des österreichischen Staatsverständnisses. Warum ist sie für Ihr Bündnis so zentral?

Sie spielt in Österreich eine wichtige Rolle, da sie das Ergebnis der Geschichte ist. Das Land hatte dadurch, dass Kommunisten an der Befreiung vom Faschismus beteiligt waren, die Möglichkeit, einen Status der immerwährenden Neutralität einzufordern, und das wurde verfassungsrechtlich so verankert. Das war sehr lange Praxis. Gerade in den Zeiten des Kalten Kriegs spielte Österreich als Vermittler in Kriegen bzw. zur Vermeidung von Kriegen eine wichtige Rolle. Die Neutralitätspolitik hatte Bundeskanzler Bruno Kreisky damals aktiv in seiner Nahostpolitik angewendet. Er erkannte die PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation, jW) als Vertreterin des palästinensischen Volkes an. Seit sehr vielen Jahren aber wird die Neutralität von der Bundesregierung und vom Grünen-Bundespräsidenten Alexander van der Bellen ausgehöhlt.

Andreas Wimmer ist Mitbegründer des Bündnisses »Stimmen für Neutralität« und seit 50 Jahren als Kommunist aktiv

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