Google, das globale Machtzentrum
Von Sebastian EdingerIn kaum einer Branche sind die Realitäten des Monopolkapitalismus so sichtbar wie in der Digitalökonomie. Längst haben die »Big Five« aus den USA – Apple, Meta, Microsoft, Alphabet und Amazon – das globale Onlinebusiness unter sich aufgeteilt. Als unangefochtene Nummer eins auf dem »Markt« für Suchmaschinen gilt Alphabets Tochterfirma Google. Ein US-Bundesgericht stufte das Unternehmen am Dienstag offiziell als Monopolist ein. Eine kleine Sensation, denn US-Digitalkonzerne genießen besonderen Schutz. In Washington weiß man um ihre Bedeutung für die globale Vormachtstellung der USA.
Konkret vorgeworfen wurde dem Unternehmen in dem vor vier Jahren vom US-Justizministerium eingeleiteten Verfahren, Abkommen mit Firmen wie Samsung und Mozilla geschlossen zu haben, um auf deren Plattformen zur Standardsuchmaschine zu werden. Allein im Jahr 2021 habe Google 26 Milliarden US-Dollar (ca. 23,8 Milliarden Euro) für solche Deals ausgegeben. Der Großteil davon floss laut New York Times mit 18 Milliarden in die Kassen von Apple. Mit den Zahlungen behindert Google den Marktzugang für Möchtegernkonkurrenzprodukte wie Bing oder Duck Duck Go – und verteidigt den eigenen Marktanteil, der sich auf rund 90 Prozent der Onlinesuchanfragen beläuft.
Was aus dem Urteil folgt, ist unklar. Unzulässig ist demnach die Praxis, die Google-Suche bei neuen Endgeräten als Standard voreinzustellen. Ein Verbot wäre denkbar. Auch könnten Handyproduzenten und Browserbetreiber verpflichtet werden, die Verbraucher direkt bei der Einrichtung ihrer Geräte zu fragen, welche Suchmaschine genutzt werden soll. Milliardenschwere Geldstrafen, wie sie die EU regelmäßig in Kartellverfahren gegen Google, Microsoft und Co. verhängt, dürften in den USA hingegen nicht drohen. Das legt auch ein ähnlich gelagertes Kartellverfahren gegen Microsoft aus dem Jahr 1998 nahe: Geklagt hatte auch damals das Justizministerium. Zur Last gelegt wurde dem Konzern die Koppelung seines Webbrowsers mit dem Windows-Betriebssystem.
Mit dem erstinstanzlichen Urteil wurde Microsoft seinerzeit verpflichtet, sich in zwei Unternehmen aufzuspalten. Doch nach dem Berufungsverfahren kam es zu einem deutlich milderen Vergleich, der den Konzern nur verpflichtete, den Zugang für Software von Drittanbietern zu Windows zu erleichtern. In der Branche wurde der Deal als Lizenz zu grenzenlosem Wachstum und zur Monopolbildung interpretiert – auch von Google.
Schließlich gab es für die staatliche Milde gute Gründe: Solange US-Konzerne weltweit die Internetinfrastruktur bereitstellen, ist den staatlichen Behörden der Zugriff auf so ziemlich alle beliebigen Nutzerdaten gewiss – und damit eine enorme nachrichtendienstliche Kontrolle. Von Vorteil ist zudem die Abhängigkeit, in der »Partner« wie die EU-Staaten gehalten werden, solange deren digitale Infrastruktur komplett von den USA bereitgestellt wird.
Die herausragende Bedeutung starker Digitalkonzerne für die USA zeigt sich auch an deren Gewicht auf profitträchtigen Zukunftsmärkten wie jenem für sogenannte künstliche Intelligenz (KI). Google, Microsoft und Co. verfügen über unvergleichliche Datenschätze, Rechenleistung und Investitionsmittel, die ihnen von Anfang an einen schier uneinholbaren Vorsprung einräumten. Dagegen können EU-Firmen wie Aleph Alpha und Mistral AI trotz vermeintlicher Rekordfinanzierungsrunden von 500 Millionen Euro nicht ansatzweise anstinken. Denn zur gleichen Zeit stieg Microsoft mit 13 Milliarden US-Dollar beim Chat-GPT-Entwickler Open AI ein. Und Google plant laut Medienberichten eine KI-Investition von rund 100 Milliarden US-Dollar.
Niemand in Washington dürfte viel Interesse haben, diesen Durchmarsch zu behindern. Entsprechend berechtigt dürften die Hoffnungen der Google-Führung auf staatliche Milde sein. Laut dem Alphabet-Präsidenten für globale Angelegenheiten, Kent Walker, will der Konzern Berufung einlegen. Die Gerichtsentscheidung erkenne an, »dass Google die beste Suchmaschine anbietet, kommt aber zu dem Schluss, dass es uns nicht erlaubt sein sollte, diese leicht zugänglich zu machen«, beschwerte er sich auf der Kurznachrichtenplattform X.
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