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Aus: Ausgabe vom 09.08.2024, Seite 12 / Thema
Kulturpolitik

Male mir blau und gelb

Vorabdruck. Instrumentalisierung und Ausschluss von Kunst im Ukrainekrieg
Von Stefan Ripplinger
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Entstellung und Umwidmung in Zeiten des Krieges. Auf dem Schild der Mutter Heimat in Kiew prangte einst das Wappen der Sowjetunion mit Hammer und Sichel, seit etwa einem Jahr ist an dieser Stelle der ukrainische Dreizack zu sehen

In diesen Tagen erscheint im Kölner Papy-Rossa-Verlag von Stefan Ripplinger der Band »Kunst im Krieg. Kulturpolitik als Militarisierung«. Wir veröffentlichen daraus mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag das Kapitel »Instrumentalisierung und Ausschluss von Kunst im Ukrainekrieg«. (jW)

»It must all be like second nature
Chopping down the people where they stand«

John Cale, »Graham Greene«

Auch wenn seine Eliten das Land nun »kriegstüchtig« machen wollen, ist verblasst, worin sich die Einheit von Kunst, Staat und Krieg traditionell manifestiert hat: im Denkmal. Das Denkmal vertritt auf symbolische Weise den Sieg, die Niederlage, die Helden, die Opfer der imaginierten Gemeinschaft. Am Denkmal versammelt sich an dafür vorgesehenen Tagen die Führung eines Staates oder einer Partei, legt Blumen nieder, zupft auf rituelle Weise an Flaggen und Gebinden und hält patriotische oder pazifistische Reden.

Wie sehr die bereits weitgehend atomisierte Gesellschaft der Bundesrepublik von diesen gemeinschaftstiftenden Bräuchen entfernt ist, führt Peter Eisenmans Holocaust-Mahnmal (2005) in Berlin vor Augen. Dieses Mahnmal weist zwei Besonderheiten auf: Es ist dezentriert, bietet also weder eine natürliche Kranzabwurfstelle noch überhaupt einen Mittelpunkt. Und es stellt auf seine Weise das Problem der Darstellbarkeit, das die gesamte Moderne und Postmoderne umtreibt.¹

Nationalistische Denkmalpflege

Sowohl die Ukraine als auch die Russische Föderation sind Länder, die nicht nur einen rücksichtslosen Oligarchenkapitalismus, sondern auch eine traditionalistische Symbol- und Darstellungspolitik praktizieren. Sie befinden sich also kulturell noch gar nicht ganz in der Moderne. Sie stellen auf traditionelle Weise dar und binden so Gemeinschaft. Wir haben es mit einer Asynchronität der Entwicklung zu tun: Die Wirtschaft versucht, die Anforderungen von Blackrock zu erfüllen, die offizielle Kultur schleppt das 19. Jahrhundert mit.

Die für diese beiden Länder hohe Bedeutung von Denkmälern stellen sie unter Beweis, indem sie sie in großer Zahl errichten oder in noch größerer Zahl abreißen. Entsprechend hatte die ukrai­nische Regierung schon zwei Jahre nach dem Maidan 5.500 Lenin-Statuen schleifen lassen, dafür stellte sie Denkmäler zu Ehren des faschistischen Volkshelden Stepan Bandera auf, den sie auch auf andere Weise ehrte.² In Russland wiederum blieben die Lenin-Denkmäler zwar unversehrt, wurden aber von Statuen zu Ehren Peters des Großen, außerdem von solchen des von den Bolschewiki ermordeten und von der Russisch-Orthodoxen Kirche heiliggesprochenen Zars Nikolaus II. oder auch des Kriegerkönigs Wladimir I. flankiert.³ Diese patriotisch-kriegerische Propaganda ergänzten flächendeckend Benennungen und Umbenennungen von Straßen und Plätzen.

Sowohl in Russland als auch in der Ukraine wurden Führerfiguren, Kriegschauvinismus, Paraden, Aufmärsche, Ordensverleihungen, völkisch-nationalistische Embleme gepflegt.⁴ Es sei festgehalten, dass solche martialische Propaganda im wesentlichen vom jeweiligen Staatsapparat ausging. Diese Länder haben ihre eigene Art und Weise, kriegstüchtig zu werden. Auch wenn die Ukraine eine lange faschistische Tradition kennt, waren antirussische Ressentiments und nationalistische Parteien in der Ukraine vor 2014 marginal, selbst auf dem Maidan hatten die Freikorps des »Rechten Sektors« einen Anteil von lediglich zwischen zehn und zwanzig Prozent.⁵ Doch die Rechte war nicht nur besser, nämlich militärisch, organisiert und verfügte über die simpleren Botschaften⁶, sie wurde auch – wissentlich oder unwissentlich – von westlichen Akteuren, ob US-Beratern oder NGOs, unterstützt oder überhaupt erst aufgebaut. Und der Krieg tat ein übriges.

Verbotspolitik

Krieg macht Kultur primitiv, und so gelangten diese bei uns längst überwunden geglaubten, vormodernen Kundgebungen auch ins kriegerische Deutschland zurück – zunächst in Form von Verboten. Ein bezeichnendes Beispiel: Am Sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow versammeln sich jedes Jahr am 8. und 9. Mai Antifaschistinnen und Antifaschisten, um des Sieges der Roten Armee über die Wehrmacht zu gedenken. An diese Demonstrantinnen und Demonstranten erging folgende polizeiliche Verfügung: »In der Zeit vom 8. Mai 2024, 6:00 Uhr bis zum 9. Mai, 22:00 Uhr wird in den unter II. bezeichneten Bereichen der Gemeingebrauch öffentlicher Flächen und die Versammlungsfreiheit dahingehend beschränkt, dass

a. das Tragen von militärischen Uniformen und Teile [sic] von Uniformen,

b. das Tragen von militärischen Abzeichen,

c. das einzelne oder hervorgehobene Zeigen der Buchstaben ›V‹ oder ›Z‹,

d. das Zeigen von St.-Georgs-Bändern,

e. das Zeigen von Fahnen oder Flaggen mit russischem Bezug, Wappen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR), von Belarus, der autonomen Teil-Republik Tschetschenien sowie Bildnisse der jeweiligen Staatsoberhäupter,

f. das Zeigen von Symbolik und Kennzeichen, die geeignet sind, den Russland-Ukrainekrieg zu verherrlichen, z. B. das Zeigen der Flagge der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR), das Verwenden von russischen und sowjetischen Militärflaggen, das Zeigen von Darstellungen des ukrainischen Staatsgebietes ohne den Donbass (Oblaste Luhansk und Donezk, Cherson, Saporischschja und der Krim), Flaggen der Separatistengebiete Luhansk und Donezk und der derzeit unter russischer Kontrolle stehenden Gebiete Cherson, Saporischschja und der Krim,

g. das Abspielen und Singen russischer Marsch- bzw. Militärlieder, (insbesondere aller Varianten des Liedes ›Der Heilige Krieg‹, Swjaschtschennaja woina),

h. das Billigen des derzeit von Russland gegen die Ukraine geführten Angriffskrieges sowie Verhaltensweisen, die dazu bestimmt und geeignet sind, Gewaltbereitschaft zu vermitteln untersagt sind.«

Alte Symbolik gelangt durch das Verbot zu neuer Bedeutsamkeit. Man beachte die absichtliche Vermischung von russischen mit sowjetischen Symbolen. Es heißt, der aktuelle Krieg werde mit sowjetischen Zeichen (unter anderem mit dem St.-Georgs-Band oder dem Lied »Der Heilige Krieg«) »verherrlicht«. Es ist schwer, darin keinen Revanchismus zu sehen. Wir erinnern uns, dass der deutsche Einmarsch in die Sowjetunion 27 Millionen Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes das Leben gekostet hat. Versuchte man, die Erinnerung an dieses nicht zu sühnende Verbrechen mit dem Ukraine-Krieg zu ersticken? Ja, sollte es – man wagt kaum, es zu denken – gerechtfertigt werden? Darauf ließe sich nur mit einer alten Losung antworten: Hände weg von Sowjetrussland!

Oder lässt sich die Maßnahme der Polizei anders deuten, etwa als Eindämmung von »Gewaltbereitschaft«? Dagegen spricht eine Erfahrung, die die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der riesigen Demonstration »Aufstand für Frieden« am 25. Februar 2023 machen mussten. Vor der Kundgebung hatten sie sich drei Dutzend polizeiliche Auflagen nach Art der oben zitierten anzuhören, nach der Kundgebung stießen sie auf ukrainische Nationalistinnen und Nationalisten, die von der Polizei unbehelligt an der Straße Unter den Linden in Uniformen und mit Flaggen auf einem ausgebrannten und für einige Tage vor der Russischen Landesvertretung abgestellten Panzer posierten und den nach Hause strebenden Friedensaktivistinnen und -aktivisten »Schande! Schande!« zuriefen.

Staatstreue Ausstellungen

So kehrte etwas ganz Altes, scheinbar längst Überwundenes in die deutsche Kultur zurück. Dabei hatte der Atavismus von Fahnen und Fackeln schon etwas früher fröhliche Urständ gefeiert. Vor kaum einer staatsnahen Institution fehlte seit 2022 die blau-gelbe Fahne der Ukraine. Auch zuvor denkbar unpolitische und auf ihre Eigenständigkeit bedachte Kultureinrichtungen sahen sich von Staat und Medien genötigt, ihre Solidarität mit der Ukraine unter Beweis zu stellen und so wenigstens indirekt eine Nation darzustellen.

Pflichtschuldig und staatstreu wurden schon seit 2022 in großer Eile Ausstellungen mit ukrai­nischer Kunst aufgelegt. Eine Auswahl: »The Captured House« (Alte Münze, Berlin, 8.–15.5.2022); »Worth Fighting for« (eigener Ausstellungsraum, Köln, 15.11.–14.12.2022); »Sense of War« (Frappant, Hamburg, 14.–22.1.2023); »Früchte des Zorns – Versuch einer Annäherung: Ukraine« (Haus am Lützowplatz, Berlin, 20.1.–19.3.2023); »From 1914 Till Ukraine« (Kunstmuseum Stuttgart, 11.3.–23.7.2023); »Timeless. Contemporary Ukrainian Art in Times of War« (Bode Museum, Berlin, 17.3.2023–17.3.2024); »Motherland: Ukrainische Künstler:innen hinterfragen Heimat« (Museum Ephraim-Palais, Berlin, 4.5.–10.9.2023); »Kaleidoskop der Geschichte(n). Ukrainische Kunst 1912–2023« (Albertinum, Dresden, 6.5.–10.9.2023); »Ukrainische Moderne 1900–1930« (Museum Ludwig, Köln, 3.6.–24.9.2023); »Kunst und Leben in Zeiten des Krieges« (Württembergischer Kunstverein, Stuttgart, 17.6.–13.8.2023); »Ukraine für immer« (Galerie Kunst unter-uns, Lörrach, 11.8.–9.9.2023); »Wenn der Krieg ins Museum kommt. Kunst von Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine« (ZKM Karlsruhe, 26.1.–25.2.2024); »Kyiv Perenniale« (nGbK, Berlin, 24.2.–9.6.2024); »Kunst deines Nachbarn. Kunst aus der Ukraine« (Städtische Galerie im Haus der Begegnung, Pfaffenhofen, 18.5.–9.6.2024).

Verzerrte Geschichte

Vor diese Charmeoffensive der Kunst hätte man angesichts des niedrigen Informationsstands der Bevölkerung wohl eine Ausstellung setzen müssen, die über die verwickelte Geschichte der Ukrai­nerinnen und Ukrainer informiert, über ihre alte Verbindung mit Russland, die auf das 17. Jahrhundert zurückgeht, als sie den Zaren um Schutz vor den Polen baten, über den Versuch der ersten ukrainischen Nationalisten im 19. Jahrhundert, nicht etwa Unabhängigkeit zu erreichen, sondern Russland in eine Föderation zu verwandeln, Lenins Versuch, genau diese föderale Struktur zu gewähren, seine Politik der »Ukrainisierung«, die dafür sorgte, dass, nachdem es noch 1917 fast keine ukrainischen Schulen gegeben hatte, 1932/33 nahezu alle Ukrainerinnen und Ukrainer auf dem Gebiet der UdSSR muttersprachlichen Unterricht genossen, über die Hungerkatastrophe 1921/22, bei der fünf Millionen Menschen umkamen und die Hungerkatastrophe 1932/33, die zwischen drei und sieben Millionen Menschenleben forderte. Diese zweite Kata­strophe wurde als »Holodomor« vom Bundestag gegen den Rat aller seriösen Historikerinnen und Historiker zu einem »Genozid« erklärt. Um den gewünschten Effekt zu erzielen, hätte man mit etwas Phantasie noch weiter gehen können: Der Schriftsteller Iwan Dratsch glaubte, nicht nur die Hungesnot, auch der Reaktorunfall von Tschernobyl sei ein Versuch der Sowjets gewesen, die Ukraine auszulöschen.⁷

Bei der Gelegenheit einer solchen historischen Ausstellung wären auch die vielen dunklen Flecke der ukrainischen Geschichte zum Vorschein gekommen, etwa die sich in den 1930er Jahren ausbreitenden faschistischen Tendenzen⁸ und die in diesem Landstrich von jeher besonders häufigen antisemitischen Pogrome, die sich im Zweiten Weltkrieg noch zuspitzten: »Viele Bewohner der Ukraine entschieden sich – vom Kriegsfieber ergriffen – dafür, mit den Besatzern zusammenzuarbeiten und wurden unter anderem auch als Aufpasser in den Todeslagern Sobibor, Treblinka und Belżec eingesetzt. In vielen Städten der Westukraine brachte die nichtjüdische Bevölkerung Juden um, ohne auf die explizite Anordnung der Besatzer zu warten. Auf der anderen Seite nimmt die Ukraine auf der Liste von Yad Vashem, die Nicht-Juden verzeichnet, die ihr Leben riskierten, um Juden vor den Nationalsozialisten zu retten und daher als ›Gerechte unter den Völkern‹ gelten, den vierten Platz ein.«⁹

Man hätte an die ukrainischen Freiwilligen der noch heute in ihrem Land gefeierten SS-Division Galizien und an die 11.000 ukrainischen Angehörigen der Waffen-SS erinnern können, die mit gefälschten Pässen und mit Hilfe des Vatikans ab 1946 nach Nordamerika und Australien flüchteten. In den USA haben sie, in Lobbygruppen organisiert und von antikommunistischen Vereinen begünstigt, Einfluss auch auf die große Politik nehmen können.¹⁰

Auch interessant wäre es gewesen, dass 1.600 ukrainische Soldaten am dritten Golfkrieg teilnahmen und welchen Einfluss die USA auf die Geschichte des Landes genommen haben, ja, was die USA überhaupt an diesem von ihnen aufgerüsteten Land reizt. Die Verfolgung von sexuellen und ethnischen Minderheiten in der Ukraine, der Antikommunismus ihrer Regierung, die scharfe Zensur, die Korruption, die Dumpinglöhne, die Aufhebung des Kündigungsschutzes am 17. August 2022 – all dies und mehr wäre gerade für geschichtsbewusste Deutsche interessant gewesen, statt dessen präsentierte man das Land als Hort der Demokratie, des Fortschritts und des Humanismus, das mehrfach unschuldiges Opfer einer gierigen Großmacht geworden sein soll.

Das wahre Verbrechen wider den Geist bestand aber darin, dass man die über Jahrhunderte eng verflochtene Kultur der Ukrainer und der Russen entlang ethnischer Linien separierte. Besonders resolut wurde diese Politik in der Ausstellung »Ukrainische Moderne 1900–1930« des Museums Ludwig, Köln exerziert. Etwa hob eine Zeittafel die Gründung der Kiewer Liga zur »Entwicklung der zeitgenössischen jüdischen Kultur« 1918 hervor. Die Ukraine als Förderin des Jüdischen herauszustellen und zu verschweigen, dass kurz zuvor die galizischen Juden in Pogromen ermordet worden waren¹¹, hatte ein Geschmäckle. Beiläufig sei erwähnt, dass erst die Februarrevolution den jahrhundertealten Antisemitismus in Russland unterband (leider nicht endgültig, wie wir wissen). Weiter auf der Zeittafel: »Jan[uar] 1918. Die Ukrainische Volksrepublik proklamiert ihre volle Unabhängigkeit und erklärt dem eindringenden bolschewistischen Russland den Krieg«. Diese Volksrepublik hatte jedoch, schreibt Kerstin S. Jobst in ihrer von den Landeszentralen für politische Bildung herausgegebenen »Geschichte der Ukraine«, »nur wenig Rückhalt in der Bevölkerung. Die überwiegend russische oder russifizierte Stadtbevölkerung war für eine diffuse ukrainische Idee nur schwer zu begeistern, die durch das Fronterlebnis radikalisierten Soldaten interessierten sich genauso wie die Bauern primär für soziale Veränderungen.«¹²

Internationalismus als Botschaft

Die zentrale These der Kölner Ausstellung bestand darin, dass die Ukraine, wie sich an ihrer Kunst der 1920er Jahre erweise, ein fortschrittliches Land gewesen sei, das unglücklicherweise auf eine auch künstlerisch rückschrittliche, despotische Großmacht traf. Es ist nicht schwer zu erraten, welche politische Funktion genau diese These in einer Situation zu spielen hatte, in der sich der Wertewesten mit dem Barbarenosten messen wollte. Doch das Kölner Narrativ lässt sich zurückweisen, ohne auch nur die Geburtsorte der Künstlerinnen und Künstlern zu kennen. Denn alle großen Avantgarden seit dem späten 19. Jahrhundert waren internationalistisch ausgerichtet. »Unsere internationale Schriftstellerfront heißt Vereinigung revolutionärer Schriftsteller«, rief der sowjetische Schriftsteller Sergej Tretjakow noch 1934.¹³ »Kann es uns sowjetischen Schriftstellern gleichgültig sein, warum [John] Dos Passos sich in irgend etwas verfangen hat. Müssen wir uns nicht darum kümmern, was [Theodore] Dreiser jetzt tut. Und aufs höchste sollten wir alarmiert sein, wenn plötzlich Brecht oder Anna Seghers in Schwierigkeiten geraten. Im Briefwechsel stehen, Meinungen austauschen, voneinander lernen und einander achten – so entwickeln sich enge, fruchtbare Beziehungen.«¹⁴

Die Beziehungen entwickelten sich schon vor dem Ersten Weltkrieg. Aber auch danach bestand ein reger Austausch zwischen russischen, später sowjetischen Künstlerinnen und Künstlern und polnischen, deutschen, französischen … und zwar nicht nur mit den dezidiert linken. Internationalismus war die ausgesprochene und unausgesprochene Botschaft aller Kunst des frühen 20. Jahrhunderts, nicht nur des sowjetischen Futurismus.

Anmerkungen

1 Vgl. Fredric Jameson: Jameson on Jameson. Conversations on Cultural Marxism, hg. von Ian Buchanan, London 2007, S. 142

2 Vgl. Dominique Colas: Les statues de Lénine en Russie et en Ukraine: destins contrastés, in: Sarah Gensburger und Jenny Wüstenberg (Hg.): Décommémoration. Quand le monde déboulonne des statues et renomme des rues, Paris 2023, S. 99–107, hier S. 106

3 Vgl. ebd., S. 104

4 Vgl. Jörg Becker: Medien im Krieg – Krieg in den Medien, 2. Auflage, Wiesbanden 2024, S. 162

5 Vgl. Peter Wahl: Der Krieg und die Linken. Bellizistische Narrative, Kriegsschuld-Debatten und Kompromiss-Frieden. Eine Flugschrift, Hamburg 2023, S. 52 und Volodymyr Ishchenko: Towards the Abyss (Interview), in: New Left Review, Nr. 133/134, Januar–April 2022, S. 22

6 Vgl. Nicolai N. Petro: The Tragedy of Ukraine. What Classical Greek Tragedy Can Teach Us About Conflict Resolution, Berlin/Boston 2023, S. 106–120

7 Vgl. ebd., S. 247

8 Vgl. Jules Sergei Fediunin, Hélène Richard: La Russie est-elle impérialiste?, Le Monde diplomatique, Nr. 838, Januar 2024

9 Anatolij Podolskyi: Der widerwillige Blick zurück. Judentum und Holocaust in der ukrainischen Erinnerung, in: Osteuropa, Nr. 8–10, 2008 S. 445–454, hier S. 446 f.

10 Vgl. Becker, a. a. O., S. 163

11 Vgl. Kerstin Jobst: Geschichte der Ukraine, aktualisierte und erweiterte Neuausgabe, Ditzingen 2022, S. 173

12 Ebd., S. 176

13 Sergej Tretjakow: Rede in Moskau 1934, in: Ders.: Gesichter der Avantgarde. Porträts – Essays – Briefe, hg. von Fritz Mierau, Berlin/DDR, Weimar 1985, S. 115–120, hier S. 119

14 Ebd., S. 117

Stefan Ripplinger: Kunst im Krieg. Kulturpolitik als Militarisierung. Papy-Rossa-Verlag, Köln2024, 135 Seiten, 14,90 Euro

Stefan Ripplinger schrieb an dieser Stelle zuletzt am 18. Juni über den Rassemblement National.

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