»Marder« gegen Kursk
Von Reinhard LauterbachNachdem Russland Bilder zerstörter Panzer deutscher und US-amerikanischer Herkunft im Grenzgebiet der Region Kursk veröffentlicht hat, spielt die staatsnahe deutsche Öffentlichkeit die Sache herunter. 81 Jahre nach der Offensive der deutschen Wehrmacht in derselben Region erklärte zum Beispiel der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marcus Faber (FDP), der Einsatz der »Marder« und eventuell von »Leoparden« durch die Ukraine sei erstens legitim, und zweitens gehörten diese Waffen seit der Übergabe an die Ukraine faktisch dieser. So ganz überzeugt scheint Faber also von seiner Unterscheidung nicht zu sein. Der Bundeswehr-Professor Carlo Masala fügte die Einschätzung hinzu, das Gebiet Kursk gehöre zum »Operationsgebiet Charkiw«, und der Einsatz von aus Deutschland gelieferten Waffen innerhalb Russlands sei damit von einem NATO-Beschluss gedeckt. Ende Mai hatten US-Präsident Joseph Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz dafür grünes Licht erteilt. Sprecher des US-Außenministeriums reagierten jetzt auf den Einsatz westlicher Waffensysteme auf russischem Boden mit Abwinken.
Die Lage im Kursker Frontabschnitt ist nach wie vor unübersichtlich. Die ukrainischen Truppen haben offenbar bisher nicht versucht, die grenznahe Kreisstadt Sudscha einzunehmen. Es fehlen jedenfalls Bilder, die eine solche Eroberung dokumentieren. Die Truppen scheinen nach dem, was russische Frontkorrespondenten berichten, eher darauf zu setzen, kleine mobile Gruppen an Sudscha vorbei ins Hinterland zu schicken, um dort die russische Verteidigung zu stören. Nach nicht unabhängig zu verifizierenden Berichten sollen sich die Bewohner der russischen Dörfer angesichts des ungebetenen Besuchs aus dem Nachbarland zu lokalen Milizen zusammengeschlossen haben und ihrerseits die Eindringlinge mit Jagdgewehren unter Feuer nehmen. Russland ist demnach dabei, Reserven heranzuführen, um den Vorstoß zurückzudrängen. Eine solche Kolonne wurde offenbar von ukrainischer Seite mit Kassettenmunition angegriffen und zerstört. Auch russische Militärblogger räumten »erhebliche Verluste« der eigenen Seite ein.
In Kiew erklärte Präsident Wolodimir Selenskij, die ukrainische Armee »könne noch überraschen« und dabei »konkrete Ergebnisse erzielen«. Russland solle spüren, dass »der Krieg zu ihm zurückgekehrt ist«. Sein faktischer Stellvertreter Andrij Jermak, Chef der Präsidialadministration, gab im ukrainischen Fernsehen ein Hardlinerinterview. Demnach sieht seine Behörde derzeit keine Grundlage für Gespräche mit Russland. Der einzig gerechte Frieden sei der, der mit einem Sieg der Ukraine verbunden sei. Unter Präsident Selenskij werde es kein neues »Minsker Abkommen« geben, weil »die ukrainische Gesellschaft keine Zugeständnisse will«. Das ist nach Umfragen zumindest zweifelhaft. Zuletzt hatte sich kurz vor dem Beginn des ukrainischen Vorstoßes eine knappe Mehrheit der in der Ukraine Befragten für Gespräche zur Beendigung des Krieges ausgesprochen. Aber das Druckpotential der nationalistischen Rechten und die Putschgefahr von deren Seite sind real und drohen Selenskij aus dem Amt zu befördern, wenn er etwa territoriale Zugeständnisse machen sollte.
Parallel zu ihrer Bodenoffensive verstärkte die Ukraine die Drohnenangriffe auf Ziele in Russland. In der Nacht auf Freitag wurde ein Lager mit Gleitbomben auf einem Militärflughafen im Gebiet Lipezk knapp 300 Kilometer entfernt von der ukrainisch-russischen Grenze getroffen. Dort wurden mehrere Dörfer evakuiert.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (9. August 2024 um 23:45 Uhr)Aus militärischer Sicht macht diese Aktion der ukrainischen Armee strategisch überhaupt keinen Sinn, weil die russische Armee die von der Ukraine besetzten russischen Orte früher oder später zurückerobern wird, auch unter Inkaufnahme hoher Opferzahlen unter russischen Soldaten und Zivilisten, während die russische Armee im Donbass weiter vordringt, wo die im Oblast Kursk eingesetzten ukrainischen Soldaten mit ihrer Ausrüstung nun zur Verteidigung fehlen. Politisch hingegen könnte dieser militärische Vorstoß durchaus sinnvoll sein, wenn es bereits laufende Friedensverhandlungen gäbe, für die man auf diese Weide kurzfristig zusätzliche Verhandlungsmasse schaffte, durch besetztes russisches Territorium und Kriegsgefangene, die man später im Austausch für die Eigenen einsetzen könnte. Vorausgesetzt, man könnte damit rechnen, dass diese Friedensverhandlungen bis Jahresende abgeschlossen sind, noch bevor Russland es schafft, sein Territorium wieder zurückzuerobern. In diesem Fall hätte der gewagte Einsatz kostbarer militärischer Ressourcen für die Ukraine auch Aussicht auf einen längerfristigen Nutzen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (9. August 2024 um 20:52 Uhr)Wie historisch ungebildet und politisch unsensibel die deutsche Politik der Gegenwart ist, darüber wird man tagtäglich belehrt. Wer bei den Bildern aus Russland nicht an die Panzerschlacht im Kursker Bogen denkt, bei dem die faschistische deutsche Wehrmacht 1943 eine vernichtende Niederlage hinnehmen musste, sollte eigentlich zumindest den Versuch unternehmen, aus der Geschichte zu lernen. Die Sowjetunion hatte mit der Verlagerung der Industrie hinter den Ural auf den Überfall der Hitlerwehrmacht im Rahmen des Planes »Barbarossa« die Voraussetzung geschaffen, die Waffenproduktion, insbesondere der legendären Panzer T-64, deutlich zu erhöhen. Dies war die Grundlage, um Hitlers Truppen, die mit 2500 Panzern und 800.000 Soldaten angetreten waren, zu besiegen. Das Resultat für Hitlers Wehrmacht war katastrophal. Nach Stalingrad, mit 300.000 Toten, mussten am Kursker Bogen weitere 200.000 deutsche Soldaten ihr Leben lassen. Es waren nicht die Letzten, wie jeder gebildete Mensch weiß. Nicht so, die Sofa-Strategen Faber, Masala und der Rest der deutschen Politik. Schämt euch, falls ihr hierzu noch in der Lage seid.
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