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Aus: Ausgabe vom 10.08.2024, Seite 7 / Ausland
Thailand

Thailändische Metamorphose

Verfassungsgericht verbietet Move Forward Party. Parteineugründung mit verbleibenden Abgeordneten
Von Thomas Berger
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Natthaphong Ruengpanyawut, der Vorsitzende der neugegründeten Volkspartei (PP), am Freitag in Bangkok

Unter den neun Männern gab es keine abweichenden Einschätzungen: Einstimmig hat Thailands Verfassungsgericht diese Woche die Auflösung der linksliberalen Move Forward Party (Fortschrittspartei, MFP) verfügt. Außerdem wurden jene elf Personen, die zwischen dem 25. März 2021 und dem 31. Januar 2024 zum Parteivorstand gehörten, mit einem zehnjährigen Politikverbot belegt. Sie verlieren ihre Parlamentsmandate, dürfen in diesem Zeitraum keine anderen Parteien anmelden oder Ämter ausüben. Betroffen ist davon auch der zuletzt als Chefberater firmierende frühere Vorsitzende Pita Limjaroenrat. Ursprünglich hätte Pita nach dem Sieg der MFP bei den Wahlen im Mai 2023 Premierminister einer reformorientierten Koalition werden sollen. Er scheiterte aber bereits im ersten Anlauf am Senat. Die zweite Parlamentskammer war seinerzeit noch von stramm konservativen Kräften aus dem Umfeld der Putschisten von 2014 dominiert.

Überraschend kommt das Urteil nicht, wenngleich sich die MFP-Spitze bis zum Vortag hoffnungsvoll geäußert hatte, mit ihren Darlegungen das Gericht von der Hinfälligkeit der Anklage überzeugt zu haben. Diese besagt, die Partei habe die konstitutionelle Monarchie zu untergraben versucht. In Thailand, wo das Königshaus über allem steht, ist dies ein schwerer Vorwurf. Den Untergrabungsversuch sieht das Gericht darin begründet, dass die Partei Artikel 112 des Strafrechts, nämlich die Majestätsbeleidigung, mindestens reformieren, perspektivisch sogar abschaffen wollte. Unter anderem mit diesem Versprechen war die Partei im Vorjahr in den Wahlkampf gezogen und hatte am Ende die meisten Stimmen erhalten – noch knapp vor der laut Umfragen führenden Pheu Thai Party (PT) des heutigen Premiers Srettha Thavisin. Dieser regiert nun in einer Allianz mit konservativen Kräften, während die Move Forward Party das Oppositionslager anführte.

Bereits am 31. Januar hatte das Verfassungsgericht der Partei einen Warnschuss verpasst und geurteilt, sie dürfe keine Vorstöße mehr zu einer Paragraph-112-Reform unternehmen. Anerkannt wurde von den Richtern im jetzigen Urteil, dass die vor einem halben Jahr verfügten Auflagen erfüllt wurden. Die MFP habe den von ihr eingebrachten Gesetzentwurf zurückgezogen und die Passage auch aus den Parteizielen gestrichen. Auf die Verbotsverfügung hatte dies aber keine mildernden Auswirkungen. Vielmehr wurde verschärfend ins Feld geführt, dass sich Spitzenvertreter der Partei für die Freiheit jener eingesetzt hätten, die aufgrund eines Schuldspruchs wegen Majestätsbeleidigung in Haft sitzen. Mehrere Funktionäre haben es selbst mit solchen Anklagen zu tun.

Die 143 MFP-Abgeordneten, die ihr Mandat behalten dürfen, bilden jedoch noch immer die stärkste Kraft im Parlament. Am Freitag wurde ihr kollektiver »Umzug« in die neugegründete Volkspartei (People’s Party, PP) bekanntgegeben. Die Tatsache, dass alle Politiker diesen Schritt mitgehen, obwohl es mit Postenversprechen und Geld Abwerbeversuche anderer Parteien gab, spricht für eine starke Geschlossenheit der Partei, die zum Zeitpunkt des Gerichtsurteils gerade die Schwelle von 100.000 Mitgliedern genommen hatte. An der Spitze der neuen PP steht nun der 37jährige Natthaphong Ruengpanyawut. Der IT-Experte hat die Ex-MFP-Vizechefin Sirikanya Tansakun in gleicher Funktion an seiner Seite. Sie war zuvor ebenfalls als Vorsitzende gehandelt worden.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Move Forward Party neu gründet: Sie war bereits die Nachfolgerin der ebenfalls vom Verfassungsgericht aufgelösten Future Forward Party (2018–2020). Natthaphong war damals der Leiter der Informationsabteilung und seit 2019 Abgeordneter der politischen Kraft – wie so viele, die weiterhin loyal zu den schon damals formulierten Reformansätzen stehen. Diese gelten erzkonservativen Kräften als Bedrohung. Dies zeigt sich auch an den am Freitag bekanntgewordenen Ermittlungen gegen 44 bisherige MFP-Abgeordnete auf Antrag der Antikorruptionskommission. Ihnen wird ein Verstoß gegen die Ethikregeln angelastet. Dabei geht es ebenfalls um die erklärte Unterstützung für den mittlerweile zurückgezogenen Gesetzentwurf zur Paragraph-112-Reform.

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