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Aus: Ausgabe vom 10.08.2024, Seite 11 / Feuilleton
Olympiatelegramm

Schankbetrug

Von Jürgen Roth
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»Ihr Hobby ist Weintrinken« – ARD-Kommentator Torsten Püschel über die italienische Turmspringerin Sarah Jodoin Di Maria

Ich sitze vor dem »Seven Bis­tro«. Es grollt, es kracht, dann regnet es. Bächlein bilden sich auf der abschüssigen Straße und waschen den Asphalt, und friedlich fallen weiter die satten Tropfen, die Luft jauchzt, die Rübe kühlt ab.

Olympia kostet Körner. »Es ist eine einzige Leistung des Willens«, sagte Tom Bartels am Donnerstag morgen während des Zehn-Kilometer-Freischwimmens der Frauen, »das ist Überwindung pur«, und »es ist so wichtig, den Energiehaushalt zu packen«.

Ich war zwei Wochen lang »so was vom am Start hier« (Alexander Augustus Archimedes Bommes), Donnerwetter! Ein unvergleichliches »Highlight-Hopping« (Jochen Breyer) liegt hinter mir, ich habe mich von »Handlungshöhe« (ZDF-Beachvolleyballkommentator Martin Schneider) zu »Handlungshöhe« (ZDF-Beachvolleyballkommentator Martin Schneider) gehangelt, das war »mehr als geil« (Hockeyspieler Mats Grambusch), es war »unfassbar geil« (Beachvolleyballer Nils Ehlers), »das ist mit den Worten ›sensationell‹ nur zu bezeichnen« (ARD-Golfkommentator Matthias Cammann).

Allein, »die Zeit verfliegt wie im Fluge« (­KILGBTQXY-KMH). Und ich glaube, in meinem Schädel »muss die Platine anders zusammengelötet sein als bei anderen Leuten« (so der tatsächlich herausragende ARD-Leichtathletikexperte Frank Busemann), sonst hätte ich hier die Spalten nicht hartnäckig vollsudeln können.

Apropos: Ralf Scholt ist ein Totaltrottel.

Eurosport kürte jeden Abend den »Hero des Tages« (»wird präsentiert von der Bundespolizei«, allen Ernstes). Einmal griff den Titel ein Buckelwal vor Tahitis Küste ab. Fand ich noch geiler als die Schnabelshow »Stream D« auf Discovery plus.

Die wahre Heroine der krass megageilen Games war für mich die italienische Turmspringerin Sarah Jodoin Di Maria. »Ihr Hobby ist Weintrinken«, informierte uns der ARD-Kommentator Torsten Püschel.

Ich stand sofort auf, ging zum Tresen und orderte vier Weizen zum Mitnehmen. Forti, der Boss, reichte mir die Flaschen aus der Kühltruhe. Ich stopfte sie nacheinander in den Jutebeutel, und die letzte war seltsam leicht.

Ich sah sie mir an. Sie war halb leer.

»Schankbetrug!« kreischte ich. Forti lachte. Und seither habe ich eine Buddel pro Abend frei.

Gutmann, ahoi!

PS: Sehr geehrte Damen und Herren von Gutmann! Bitte für die kostenlose, komplett berechtigte Werbung drei Gegenleistungskästen nach Neuendettelsau schicken. Danke.

Solidarität jetzt!

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