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Aus: Ausgabe vom 12.08.2024, Seite 1 / Titel
Nahostkonflikt

Töten statt Verhandeln

Gazakrieg: Israel bombardiert erneut Schule und tötet Dutzende Zivilisten. Khan Junis vor neuer Offensive
Von Gerrit Hoekman
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Mit ihrem letzten Hab und Gut versuchen die Menschen aus der Trümmerwüste Khan Junis zu fliehen (11.8.2024)

Bei einem der brutalsten israelischen Angriffe in Gaza sind am Sonnabend nach Zivilschutzangaben mehr als 100 Palästinenser ums Leben gekommen, darunter mindestens elf Frauen und sechs Kinder. Die Menschen waren gerade beim Morgengebet, als um 4.40 Uhr drei Raketen in der Tabiin-Schule in Gaza-Stadt einschlugen. »Ihre Körper wurden zerfetzt«, sagte Zivilschutzsprecher Mahmud Basal gegenüber Al-Dschasira. Die Rettungskräfte seien kaum in der Lage, die Körper vollständig zusammenzusetzen. Ein Mädchen schreit herzzerreißend nach ihrem Vater, der auch getötet wurde. Auf dem Gelände der Schule sollen rund 6.000 Binnenflüchtlinge Schutz gesucht haben. Es war bereits der fünfte Angriff auf eine Schule in Gaza in diesem Monat.

Israel behauptet laut Reuters, in dem Gebäude habe sich eine Kommandozentrale der Hamas befunden, und bestreitet die Zahl der Opfer. Der Angriff sei mit drei präzisen Geschossen erfolgt, »die nicht den Schaden verursachen können, über den berichtet wird«. Trotzdem wurden nach israelischen Angaben 19 Kämpfer der Hamas und des Islamischen Dschihad getötet.

Der irische Premierminister Simon Harris forderte die EU am Sonntag auf, ihr Partnerschaftsabkommen mit Israel zu überdenken, da in Gaza und anderswo im besetzten Palästina weiterhin Greueltaten gegen Zivilisten verübt werden. »Wir sind alle entsetzt über die vielen unbestrittenen Kriegsverbrechen, die in Gaza begangen wurden. Es kann keine Straflosigkeit geben«, zitierte ihn The Independent. »Seit Kriegsbeginn wurden rund 490 Schulen in Gaza bombardiert oder beschädigt, und die Bilder aus der Tabiin-Schule an diesem Wochenende sind erschütternd.«

Laut AFP betonte Bundeskanzler Olaf Scholz am Sonntag in einem Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu die Notwendigkeit eines Abkommens mit der Hamas. Ein Ende des Krieges in Gaza wäre »ein entscheidender Schritt zu einer regionalen Deeskalation«. Scholz warnte vor der »Gefahr eines regionalen Flächenbrandes«.

Die USA teilten Reuters zufolge mit, über den Angriff zutiefst besorgt zu sein. Immer noch kämen viel zu viele Zivilisten ums Leben. Die Palästinensische Nationalbehörde in Ramallah rief die USA auf, ihre »blinde Unterstützung« für Israel endlich zu beenden. Eigentlich sollten am 15. August Israel und die Hamas wieder über einen Waffenstillstand verhandeln. Nach dem Blutbad vom Samstag sind die Chancen auf einen Erfolg sicher nicht größer geworden.

Derweil sind in den vergangenen Tagen nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA mehr als 75.000 Menschen von der israelischen Armee aufgefordert worden, die Stadt Khan Junis zu verlassen. Israel plane eine neue Militäroperation. Am Sonntag starben dort zwei Personen durch einen israelischen Luftangriff, meldete die Agentur WAFA.

»Die Reden über eine Waffenruhe und neue Termine für Verhandlungen sind nichts als Täuschung«, erklärte unterdessen die libanesische Hisbollah laut dpa. Israels »echte Wahl ist das Töten und das Verüben von Massakern«. Die Hisbollah und Israel beschießen sich seit Monaten an der israelisch-libanesischen Grenze. Am Freitag abend hatte Israel im südlibanesischen Saida mit einem gezielten Drohnenangriff Samir Al-Hadsch umgebracht, einen hohen Kommandanten der Kassam-Brigaden der Hamas. Israel und die Kassam-Brigaden bestätigten das Attentat.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Ronald B. aus Kassel (12. August 2024 um 09:35 Uhr)
    Eine eilige Information an alle eventuellen jW-Leser*innen aus Kassel oder nahem Umland: Heute, Montag, 12.8., um 17 Uhr ruft das hiesige propalästinensische Bündnis (inklusive Deutsch-Palästinensischer Gesellschaft und Teilen der Linkspartei) zu einem Protest vor dem Kasseler Rathaus gegen das neuerliche Schulmassaker der israelischen Armee mit bis zu 100 Toten auf. Bitte gebt diese Information wenn noch möglich an Freunde und Bekannte weiter und erscheint zahlreich!

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