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Aus: Ausgabe vom 12.08.2024, Seite 11 / Feuilleton
Pop

Bis zur Rente dauert’s noch

Gimme mehr davon: The Folk Implosion haben ein neues Album draußen
Von René Hamann
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Komplexere Strukturen: The Folk Implosion

Es ist eine Weile her. Damals stand der alte Festsaal Kreuzberg noch. Im Keller des alten Saals, der sich tatsächlich noch in Berlin-Kreuzberg befand und nicht wie heute in Alt-Treptow, saß mir ein leicht dicklich gewordener Lou Barlow in einem dieser Sperrmüllmöbel schräg gegenüber. Im Interview gab er sich freundlich und nannte mich »Mate«, der Anlass war ein Konzert seiner alten Band Sebadoh, die sich nach erster Auflösung zur Reunion wiedergefunden hatte. Sebadoh, es muss irgendwann Ende der nuller Jahre gewesen sein, war die zweite Band Barlows, die sich wiedergefunden hatte. Ein paar Jahre vorher hatten sich Dinosaur Jr. neu vereinigt, um ein bisschen Geld für Barlows Garage einzuspielen. Die angeblichen Streithähne Barlow und Mascis spielen und touren noch bis heute zusammen.

Lieber nach innen

Übrig blieb damals nur The Folk Implosion als wiederzuvereinigendes Projekt. Lou Barlow, eigentlich Typ netter Nerd, Prototyp des Gen-X-Slackers, entscheidender Soundtrackfinder für diese, meine verlorene Generation, verzog sein Gesicht zu einem maliziösen Lächeln. Nein, damit sei nun wirklich nicht zu rechnen. Zu Kompagnon John Davis habe er nun überhaupt keinen Kontakt mehr. Alles, nur nicht The Folk Implosion.

Rückblick: Mit Sebadoh hatte Barlow bereits in den ausgehenden Achtzigern sowohl die Low-Fi-Bewegung als auch den Standard-Indierock vorweggenommen. Programmatischer Hit: »Gimme Indierock«. Die Band vertraute auf ein Wechselprinzip, auch Barlow setzte sich mal ans Schlagzeug. Richtig groß wie Dinosaur Jr. oder Sonic Youth wurden sie nie.

The Folk Implosion entstanden als Antwort auf die Jon Spencer Blues Explosion – statt nach außen wollten Davis und Barlow nach innen. Die Single »Natural One« vom Soundtrack für Larry Clarks »Kids« schaffte es in die Charts; Davis und Barlow dängelten ziemlich in Sachen Indietronics herum, also einer Mischung aus alten Indie-Elementen und Elektro. Nach einigen Platten und einer Neubesetzung war es lange, lange still um die beiden.

Untypisch klingen

Jetzt schreiben wir das Jahr 2024, wir sind alle alt geworden und slacken weiter in Richtung Rente, und The Folk Implosion haben eine neue Platte draußen. »Walk Thru Me« vertraut durchaus auf die alte Mischung aus trägen Beats aus der Dose und genauso trägen Gitarrenstücken immer mit einem Schlag ins Melancholische; nur wenn Davis singt, klingt es gleich etwas, na ja, bärtiger und tatsächlich experimenteller – was durchaus auch an der mitunter exotischen Instrumentierung liegen kann. Auch textlich stärkstes Stück: »The Day You Died«.

Wobei sich Barlow durchaus bemüht, untypisch zu klingen und mehr in Sachen Songwriting zu entwickeln – es gibt Bridges und Mittelteile und komplexere Strukturen, gleich im Eröffnungsstück »Crepuscular«. Mit Caribou hat das alles trotzdem soviel zu tun wie Taylor Swift mit den Beach Boys. Aber natürlich ist das insgesamt sehr annehmbar, es ist fast wie damals, nur etwas näher an der heutigen Zeit. Gimme mehr davon, bis zur Rente dauert es noch.

The Folk Implosion: »Walk Thru Me« (Joyful Noise/Cargo)

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