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Aus: Ausgabe vom 12.08.2024, Seite 11 / Feuilleton
Literatur

Mit Joyce in Triest

Von Frank Schäfer
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Für Literaturfans: James-Joyce-Bronze in Triest

Das Victoria-Hotel Letterario liegt ein paar Gehminuten bergauf, abseits der Innenstadt. Eine vielbefahrene Straße führt daran vorbei zum Hafen, auf der vor allem gegen Abend viele niederhubraumige Bikes rauf- und runterbrettern. Mopeds sind wie zu kleine Hunde, sie sehen lächerlich aus und müssen als Kompensation kläffen wie die großen.

James Joyce hat eine Weile in dem Haus gelebt, das irgendwann zum Hotel umgewidmet wurde, deshalb das Beiwort »Letterario«. Vielleicht konnte er hier sogar schreiben, Motorräder gab es in der zweiten Hälfte der 1910er Jahre ja noch nicht in dieser ohrenverstopfenden Häufigkeit.

Sehr adäquat ist indes die Ausstattung unseres Zimmers. Statt der probaten Bibel liegt da eine »Wordsworth Classics«-Edition des »Ulysses« im Nachtschrank. Habe ich natürlich geklaut.

Später am Canal Grande, der im Vergleich zu Venedig eher ein Canal Schmale ist, sehe ich dann auch die Bronzestatue des großen Kollegen und weiß mich nicht recht dazu zu verhalten.

»Stell dich doch mal davor, dann mache ich ein Foto«, lockt meine Begleiterin.

Wie peinlich.

»Wenn schon dahinter«, sage ich demutsvoll und mit kokett abgespreiztem kleinen Finger.

Aber als keiner der anderen Touristen kuckt, lege ich ihm doch jovial meinen Arm auf die Schulter und grinse in die Kamera wie Tausende Spinner vor mir.

Beim Frühstück tags darauf kann ich es nicht abwarten, dass die mit dem Kaffee betrauten, aber eher mit sich selbst beschäftigten jungen Triestinnerinnen an unseren Tisch kommen, und gehe zum Tresen, um einen Cappuccino und einen Americano zu ordern. Unsere Tische haben keine Nummern, also gibt die junge Moccamamsel der noch jüngeren Tabletteuse eine Beschreibung von uns, damit die Heißgetränke auch an der richtigen Adresse landen. Mein Latein ist zu verschüttet, ich weiß, dass wir gemeint sind, aber ich verstehe sie nicht.

»Wie sie uns wohl beschrieben hat?«, frage ich meine Begleitung.

»Der alte Sugardaddy da mit der blonden Schönheit«, kommt es wie aus der Beretta geschossen.

»Auf einmal kannst du sogar Italienisch?«, wundere ich mich.

»Nur ein paar Brocken!«

Triest war mal ein Schmelztiegel, das polyglotte Stimmengewirr hat Joyce wohl affiziert und vielleicht sogar beeinflusst. Zumindest in der Hauptsaison hat man immer noch diesen Eindruck. Neben uns in der Osteria sitzen Russen, rechts ­Amerikaner, hinter uns Österreicher. Der Chef ist ein Serbe, der auf fünf Sprachen radebrecht, jede wird akkurat durch den Wolf gedreht, vermutlich macht er das mittlerweile mit dem Serbischen genauso, aber eben auf seine ganz eigene feiste, lachende, sehr schöne Weise. Vor allem verplappert er sich mit jedem Gast.

Er sei in Leipzig gewesen zur EM. »400 Euro, viel Geld!« Da habe er den Eindruck bekommen, Deutschland habe gar keine Lust auf die vielen Fremden gehabt.

Ach was, wieso denn? Da habe er bestimmt etwas falsch verstanden, wiegeln wir ab.

Er wackelt skeptisch lachend mit dem Kopf.

Woran er das denn bemerkt habe?

Ständig hätten Menschen »Ausländer raus!« gerufen. Sogar im Stadion.

Wir wissen nicht, was wir sagen sollen und entschuldigen uns bei ihm.

Er lacht und winkt beruhigend ab. »Jetzt … ihr hier!« Und seine beiden Arme machen so eine beschwingte, weltläufige Geste, als gehöre ihm nicht nur das Lokal, sondern die ganze Stadt.

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