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08.08.2024, 07:34:52 / Sport
Olympia

Verloren – und Bronze gewonnen

Halbfinale der Superschweren in Paris: DBV-Athlet Nelvie Tiafack ist im Halbfinale gegen Usbeken Bahodir Jalolov chancenlos
Von Oliver Rast
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Bahodir Jalolov (r.) dominiert mit rechter Führhand Nelvie Tiafack nach Belieben (Paris, 7.8.2024)

Es gibt Fighter, denen willst du aus dem Weg gehen, möglichst nicht begegnen. Etwa Bahodir Jalolov. Der Superschwergewichtler (ab 92 Kilogramm) aus Usbekistan gilt als unbezwingbar im olympischen Boxen. Nahezu jedenfalls. Und das hat »The Big Usbek« am Mittwoch abend im Halbfinale in Paris eindrucksvoll unter Beweis gestellt – gegen Nelvie Tiafack, den Topathleten des Deutschen Boxsportverbands (DBV). Das deutsche Kraftpaket bleibt chancenlos, unterliegt im gut gefüllten, traditionsreichen Stade Roland Garros mit 0:5 (27:30, 26:30, 27:30, 27:30, 27:30). Jalolov zieht ins Finale ein, Tiafack bleibt Bronze.

Aber der Reihe nach, Runde für Runde – und zum Prolog. Schon Jalolovs Augenspiel beeindruckt, er blickt beim Einzug in die Arena entschlossen, beinahe starr. Und doch wirkt er locker-lässig, überspringt mit einem Satz die Ringseile und reißt die Arme mit den kobaltblauen Handschuhen nach oben. Erst den linken, dann den rechten. Eine Geste mit Aussage: »Ich werde siegen, und nichts und niemand kann mich aufhalten.«

Blitzschnell, gestochen scharf

Genau so agiert der Rechtsausleger Jalolov, von Beginn an, nach dem ersten Gong der ersten drei Minuten. Was macht Tiafack? Er orientiert sich, bleibt aber passiv. Sein Kontrahent aus der Exsowjetrepublik fährt nach Belieben seine rechte Führhand aus. Blitzschnell, gestochen scharf – und studiert den Deutschen dabei. Ab und an folgt eine Rechts-links-Kombination. Das reicht, Jalolov ist der Chef im Seilgeviert. Alle fünf Punktrichter sehen ihn vorn.

Tiafacks Ringecke weiß, ihr Schützling muss agiler werden, Akzente setzen. Aber auch im zweiten Durchgang das gleiche Bild. Jalolov gibt sich keine Blöße, nutzt geschickt seinen Reichweitenvorteil. Dem Athleten vom SC Colonia 06 gelingt es nur ausnahmsweise, die Distanz zu überwinden. Klare Hände, Zählbares? Fehlanzeige. Im Gegenteil, Jalolov kontert jede Attacke – und punktet fleißig weiter.

In der zweiten Ringpause redet Heimcoach Lukas Wilaschek auf Tiafack ein, aus der geschlossenen Doppeldeckung solle er seine Aktionen starten. Und eh: Der Deutsche braucht in Runde drei einen Niederschlag, um auf den Punktezetteln heranzukommen. Aber es hilft nichts. Jalolov beherrscht das Duell, dreht in den letzten 30 Sekunden noch einmal auf, hämmert zwei, drei Schlagsalven auf den Körper von Tiafack. Aus, Ende, Schicht!

Dominator im Ring

Fest steht: Jalolov ist nicht von ungefähr amtierender Olympiasieger (2020 Tokio) und Doppelweltmeister (2023 Taschkent, 2019 Jekaterinburg). Ein Dominator im Ring, aktuell eine Klasse für sich im Klassement der Superschweren. Das war in den beiden Fights zuvor nicht anders: Im Achtelfinale musste Omar Shiha aus Norwegen dran glauben, im Viertelfinale Teremoana Teremoana Junior aus Australien. Ungefährdete Punktsiege.

Aber keine Frage: Tiafack stand zu Recht in der Vorschlussrunde der Sommerspiele von Paris. Der DBV-Faustkämpfer schickte zuerst Mahammad Abdullayev aus Aserbaidschan, dann Diego Lenzi aus Italien sportlich-elegant nach Hause. Gleichfalls klare Nummern, gleichfalls zwei einstimmige Triumphe.

Nur – gegen den 30jährigen aus der Kleinstadt Sariosiyo im äußerten Südosten Usbekistans reichte es diesmal noch nicht. Hinzu kommt die Erfahrung: Jalolov pendelt zwischen Amateur- und Profisektor. Was früher nicht ging, geht seit 2016, seit Olympia im brasilianischen Rio de Janeiro. Ferner ist sein Profikampfrekord makellos. 14 Fights, 14 Siege, 14 Knockouts.

Das Olympiafinale steigt am Sonnabend abend. Favorit Jalolov wird es mit dem Spanier Ayoub Ghadfa zu tun haben, der sich in einem knapperen Gefecht gegen den französischen Lokalmatadoren Djamili-Dini Aboudou durchsetzen konnte.

Minimalziel für DBV

Fazit aus DBV-Sicht: Tiafack hat gewissermaßen die Ehre des Verbands gerettet, das Minimalziel von DBV-Sportdirektor Michael Müller erfüllt: eine Medaille für Deutschland. Das ist es dann aber auch schon als Ausbeute beim olympischen Boxturnier durch das deutsche Athletentrio. Zuvor waren Maxi Klötzer im Halbfliegengewicht (bis 50 Kilogramm) und Magomed Schachidov im Halbmittelgewicht (bis 71 Kilogramm) nach Punktniederlagen ausgeschieden. Wohlgemerkt bereits bei ihren Auftaktkämpfen. Kurzum, Tiafack hat’s mit seinem Kämpferherz herausgerissen – und angekündigt, in den Profizirkus zu steigen.

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